Leitsatz (amtlich)
1. Wird die der mitarbeitenden Tochter des Betriebsinhabers gegebene Pensionszusage nachträglich aus erbrechtlichen oder sonstigen familiären Erwägungen dahin geändert, daß das Pensionsalter von 60 auf 50 Jahre herabgesetzt wird, ist die Zuführung zur Pensionsrückstellung nicht nach dem niedrigeren Pensionsalter von 50 Jahren zu bemessen.
2. Waren Versorgungsbezüge in Höhe eines Prozentsatzes der jeweiligen letzten Aktivbezüge vereinbart und wird nachträglich bestimmt, daß, solange die derzeitigen Aktivbezüge einen bestimmten Betrag noch nicht erreicht haben, dieser höhere Betrag bei der Errechnung der Versorgungsbezüge zugrunde zu legen ist, dürfen die steuerrechtlich zulässigen Rückstellungen für die Pensionsanwartschaft nur auf der Grundlage der vor dem Bilanzstichtag gezahlten Aktivbezüge ermittelt werden.
Normenkette
EStG 1969 § 6a
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wegen der seiner Tochter im Jahre 1970 gegebenen Pensionszusage in der Schlußbilanz des Streitjahres 1971 einen Betrag der dafür gebildeten Pensionsrückstellung zuführen darf.
Der Kläger betreibt eine Fabrik. Seine Tochter C, geboren im Jahre 1942, ist in seinem Betrieb tätig. Sie ist Prokuristin und hat die Geschäftsführung des Betriebes inne. Im Streitjahr bezog sie ein Gehalt von 21 108 DM. Mit Vertrag vom 15. Januar 1965 hatte der Kläger der C darüber hinaus eine Tantieme von 10. v. H. der Handelsumsätze gewährt. Weiterhin hatte der Kläger am 1. Januar 1970 mit seiner Tochter einen Ruhegehaltsvertrag geschlossen, wonach C mit Ablauf des Monats, in dem sie das 60. Lebensjahr vollendet, aus den Diensten der Firma ausscheidet und ein Ruhegehalt von 60 v. H. des zuletzt bezogenen festen Gehalts erhält.
Am 1. April 1970 wurde folgende Änderung vereinbart:
"1. Solange ein pensionsfähiges Entgelt von 6 000 DM nicht erreicht ist, ist von pensionsfähigen Bezügen in Höhe von monatlich 6 000 DM auszugehen.
2. Das Pensionsalter wird von 60 auf 50 Jahre herabgesetzt."
Der Kläger wies in den Schlußbilanzen 1970 und 1971 die Rückstellungen für die seiner Tochter eingeräumte Pensionsanwartschaft mit 20 196 DM und 32 596 DM aus (Zuführung zur Pensionsrückstellung im Streitjahr 1971 somit 12 400 DM).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) legte den vom Kläger erklärten Gewinn für 1971 zunächst einer vorläufigen Einkommensteuerveranlagung zugrunde. Aufgrund einer Betriebsprüfung kam das FA zu der Auffassung, der der Pensionsrückstellung in 1971 zugeführte Betrag könne im Streitjahr nicht anerkannt werden. Die sich aus der Zusatzvereinbarung vom 1. April 1970 ergebenden Ansprüche überstiegen die Grenzen des Angemessenen und seien auf familiäre Gründe zurückzuführen. Der Rückstellungsbetrag in der Bilanz zum 31. Dezember 1970 (20 196 DM) decke die auf den 31. Dezember 1971 anzuerkennende Rückstellung aufgrund der ursprünglichen Pensionszusage in der Fassung vom 1. Januar 1970 voll ab. Das FA änderte den Einkommensteuerbescheid für 1971 entsprechend.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Sprungklage, der das Finanzgericht (FG) stattgab.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich das FA mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision. Das FA rügt Verletzung des § 6 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr noch geltenden Fassung des Steueränderungsgesetzes vom 30. Juli 1960 (BGBl I, 616, BStBl I 1960, 514).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Der Kläger darf die Zuführungen zur Pensionsrückstellung wegen der seiner Tochter gegebenen Pensionszusage nicht auf der Grundlage der Zusatzvereinbarung vom 1. April 1970 (Pensionsalter 50 Jahre; Mindestpension monatlich 60 v. H. von 6 000 DM) bemessen.
1. Gibt ein Unternehmer seinem bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigten nahen Angehörigen eine Pensionszusage, so kann er für seine Verpflichtung nur dann eine den Gewinn mindernde Rückstellung gemäß § 6 a EStG bilden, wenn die Pensionsverpflichtung ernsthaft gewollt und ausschließlich betrieblich veranlaßt ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1980 IV R 53/77, BFHE 130, 316, BStBl II 1980, 450: Pensionszusage an mitarbeitende Ehefrau; BFH-Urteile vom 26. November 1964 IV 155/61 und vom 11. Dezember 1964 VI 109/63, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 788 und 825: Pensionszusage an Vater und Schwiegermutter des Betriebsinhabers; BFH-Urteil vom 6. November 1964 IV 446/61, StRK, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 513: Pensionszusage an Schwester des Betriebsinhabers). Ob das der Fall ist, ist bei Pensionszusagen an nahe Angehörige häufig zweifelhaft. Voraussetzung ist zunächst, daß ein auch steuerrechtlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis vorliegt. Weiterhin ist von Bedeutung, welche Beweggründe der Betriebsinhaber für die Pensionszusage an den Familienangehörigen hatte und ob er sie dem Grunde und der Höhe nach auch einem fremden Arbeitnehmer erteilt hätte. In diesem Zusammenhang kann es eine Rolle spielen, welche Pensionsregelung der Arbeitgeber hinsichtlich der sonstigen in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer getroffen hat oder wie die betriebliche Altersversorgung in vergleichbaren Betrieben gestaltet ist.
Im Streitfall ist es unstreitig, daß zwischen dem Kläger und seiner Tochter bei der Erteilung der Pensionszusage ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, das steuerrechtlich anzuerkennen ist. Das FA hat ferner eine Pensionsregelung, wie sie aufgrund der ursprünglichen Zusage vom 1. Januar 1970 getroffen worden ist, für angemessen gehalten und die Rückstellung auf dieser Grundlage zugelassen. Es hat lediglich die Bemessung der Pensionsrückstellung aufgrund der Zusatzvereinbarung vom 1. April 1970 über die Herabsetzung des Pensionsalters von 60 auf 50 Jahre und die Festlegung der Mindestpension auf 60 v. H von 6 000 DM - das sind monatlich 3 600 DM - steuerrechtlich nicht anerkannt. Wegen des Verbots der Verböserung - des Verbots einer höheren Festsetzung der Steuer als im angefochtenen Steuerbescheid - ist der Senat unter den gegebenen Umständen einer Prüfung enthoben, ob die Pensionszusage an sich - ohne Berücksichtigung der Modifikationen durch die streitige Zusatzvereinbarung - steuerrechtlich anzuerkennen ist.
Die Festlegung des Pensionsalters auf 50 Jahre war selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß schon zur Zeit der Zusage im Jahre 1970 in der Öffentlichkeit darüber diskutiert worden ist, die Altersgrenze flexibel zu gestalten, ungewöhnlich. Unter Zugrundelegung der Verhältnisse, wie sie bei der Erteilung der Zusage vorlagen, konnte in der Regel und in der Branche, in der der Kläger tätig ist, nicht damit gerechnet werden, daß ein Arbeitnehmer, auch wenn er leitender Angestellter ist, schon in dem frühen Alter von 50 Jahren in den Ruhestand treten wird. Der Kläger hat in seiner Klagebegründung als Grund für die Herabsetzung des Pensionsalters von 60 auf 50 Jahre angegeben, eines der Kinder der C werde, wenn diese das Alter von 50 Jahren erreicht haben werde, in der Lage sein, den Betrieb zu übernehmen; C solle dann die Möglichkeit haben, in den Ruhestand zu treten; ob sie das tatsächlich tun werde, sei noch nicht abzusehen. Unabhängig davon, daß dieser Vortrag dem Inhalt des Ruhegehaltsvertrags widerspricht, der zwingend vorschreibt, daß C mit Erreichen der Altersgrenze aus den Diensten der Firma ausscheidet, ergibt sich aus der Festlegung eines so niedrigen Pensionsalters, daß der Bestimmung der Altersgrenze erbrechtliche und sonstige familiäre Erwägungen zugrunde gelegen haben. Der Kläger hatte vor, seinen Betrieb - noch zu seinen Lebzeiten oder später im Erbwege - einem seiner Enkel zu überlassen. Dieser sollte in der Lage sein, den Betrieb in einem Alter, in dem er zur eigenverantwortlichen Leitung befähigt ist, voll und ganz zu übernehmen. C sollte zu diesem Zeitpunkt, der mutmaßlich mit der Vollendung ihres 50. Lebensjahres zusammenfiel, aus der Geschäftsführung und den Diensten des Betriebs ausscheiden und, falls sie keine vergleichbare Beschäftigung mehr finde, durch eine Pensionszusage von mindestens 3 600 DM monatlich versorgt sein. Derartige erbrechtliche und familiäre Erwägungen vermögen keine betriebliche Last - jedenfalls nicht unter Zugrundelegung der in der Zusatzvereinbarung festgelegten Altersgrenze von 50 Jahren - zu begründen. Sie führen mindestens insoweit zu der Zusage einer außerbetrieblichen Versorgung.
Das FG hält eine betriebliche Veranlassung für die niedrige Festsetzung des Pensionsalters der C deshalb für gegeben, weil es im Interesse des Arbeitgebers liegen könne, mit Rücksicht auf den späteren Eintritt eines Nachfolgers das Arbeitsverhältnis mit einem Geschäftsführer zu befristen und diesem als Ausgleich eine entsprechende Abfindung oder auch eine Leibrente zu gewähren. Es trifft zu, daß in der Praxis Anstellungsverhältnisse mit leitenden Angestellten - insbesondere mit Geschäftsführern - vielfach aus den genannten Gründen von vornherein befristet abgeschlossen werden und diesen Angestellten gegebenenfalls beim Ausscheiden eine Abfindung zugebilligt wird. Die Abfindung wird sich regelmäßig auf die Auszahlung eines Geldbetrags beschränken, damit dieser Arbeitnehmer die Übergangszeit bis zum Eingehen eines neuen Arbeitsverhältnisses überbrücken kann. Hat dieser Arbeitnehmer eine Pensionszusage erhalten, wird der Arbeitgeber allenfalls bereit sein, dem ausscheidenden Arbeitnehmer die schon erdiente Versorgungsanwartschaft zu erhalten oder den entsprechenden Betrag auszuzahlen, damit dieser eine eigene Versorgung aufbauen kann (vgl. hierzu das für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 - BGBl I, 3610 - ergangene Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 10. März 1972 3 AZR 278/71, Betriebs-Berater 1972 S. 1005 - BB 1972, 1005 -, zur Unverfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften). Der Arbeitgeber wird sich jedoch nicht bereiterklären, diesem Arbeitnehmer schon ab Ausscheiden oder ab dem 50. Lebensjahr eine Pension unter Zugrundelegung der zuletzt gezahlten festen Bezüge zu gewähren. Es muß daher im Streitfall bei dem vom FA zugrunde gelegten Pensionsalter von 60 Jahren verbleiben.
2. Die Vorentscheidung ist ferner, was die Höhe der Zuführung zur Pensionsrückstellung aufgrund der Zusatzvereinbarung vom 1. April 1970 anbelangt, nicht mit der Entscheidung des BFH vom 13. November 1975 IV R 170/73 (BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142) zu vereinbaren. Die vom Kläger erteilte Zusage einer Mindestpension von 3 600 DM monatlich stellt sich im Streitjahr und darüber hinaus für weitere Jahre als Zusage der künftigen Zahlung eines festen Geldbetrags dar. Der zugesagte Jahresbetrag von mindestens 43 200 DM lag erheblich über dem festen Gehalt, das C im Jahre 1971 erhalten hat (21 108 DM). Es ist davon auszugehen, daß ein ähnliches Mißverhältnis auch im Jahre 1970, dem Jahr der Pensionszusage, bestanden hat. Entgegen den Ausführungen im finanzgerichtlichen Urteil ist für die Feststellung einer "Überhöhung" des zugesagten Altersruhegeldes auf die pensionsfähigen Aktivbezüge abzustellen. Das sind nach dem Vertrag vom 1. Januar 1970, der durch die Zusatzvereinbarung vom 1. April 1970 nur modifiziert worden ist, ausschließlich die "gemäß Anstellungsvertrag bezogenen festen Gehälter". Die Tantiemezahlungen, die gemäß eines besonderen Vertrags ebenfalls zu zahlen waren, sind hier nicht zu berücksichtigen.
Aus der Zusage einer Mindestpension, die die derzeitigen pensionsfähigen Aktivbezüge sogar erheblich überschreitet, läßt sich schließen, daß der Kläger die künftige Lohnentwicklung, und zwar ein ständiges Ansteigen der Löhne, vorausgenommen hat. Von dem Zeitpunkt an, in dem die pensionsfähigen Bezüge monatlich mehr als 6 000 DM betragen, sollten sich auch die Pensionsbezüge der C am letzten Gehalt orientieren. Damit hat der Kläger klar zum Ausdruck gebracht, daß er die Pension der C bis zum Eintritt des Versorgungsfalles den künftigen Gehaltssteigerungen anpassen wolle. C sollte beim Ausscheiden aus dem Arbeitsleben die Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt auf der Basis des dann herrschenden Gehalts- und Lebenshaltungskostenniveaus zu bestreiten. Gerade das ist aber das Ziel einer teildynamisierten Pensionszusage (vgl. z. B. Trägner, Pensionsrückstellungen-Betriebsrentengesetz aus betriebswirtschaftlicher, arbeits-, handels- und steuerrechtlicher Sicht, 3. Aufl., S. 67).
Nach der Entscheidung in BFHE 117, 367, BStBl II 1976, 142 sind in diesem Fall die nach § 6 a EStG zulässigen Rückstellungen für eine Pensionsanwartschaft so zu ermitteln, als ob Versorgungsbezüge in Höhe eines angemessenen Vomhundertsatzes der jeweiligen letzten Aktivbezüge zugesagt worden wären. Der Aufwand aus einer möglichen Erhöhung der Pensionsanwartschaften infolge eines säkularen Trends zu künftig steigenden Löhnen ist in dem Jahr der Zuführung zur Pensionsrückstellung noch nicht wirtschaftlich verursacht, solange eine Lohnerhöhung noch nicht stattgefunden hat.
3. Das FA ist im Ergebnis nach diesen Grundsätzen verfahren. Es hat die zulässige Pensionsrückstellung für das Streitjahr nach den letzten pensionsfähigen Aktivbezügen - unter Zugrundelegung eines üblichen Pensionsalters von 60 Jahren - ermittelt. Es ist nicht streitig, daß die auf dieser Grundlage ermittelte Belastung zum 31. Dezember 1971 schon durch den in der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1970 ausgewiesenen Rückstellungsbetrag mehr als ausreichend abgedeckt war. Im Streitjahr 1971 konnte daher der Pensionsrückstellung nichts mehr zu Lasten des Gewinns zugeführt werden.
4. Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist nach alledem aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 74156 |
BStBl II 1982, 126 |
BFHE 1981, 330 |