Leitsatz (amtlich)
Die Grunderwerbsteuer-Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 des bezeichneten Gesetzes ist auch auf gärtnerische Betriebe und auf den Zuerwerb gärtnerisch genutzter Grundstücke anwendbar.
Erwirbt ein Steuerpflichtiger, der als Miterbe in ungeteilter Erbengemeinschaft an einem gärtnerischen Betrieb beteiligt ist, ein gärtnerisch genutztes Grundstück als Alleineigentümer von einem Dritten, so ist dieses Grundstück nicht zu einem ihm gehörigen Betrieb hinzuerworben.
Baden-Württembergisches Gesetz über Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der inneren Verkehrslage land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 6. Februar 1956 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1956 S. 8, BStBl 1956 II S. 46) in der Fassung des änderungsgesetzes vom 21. Juli 1958 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1958 S. 190,
Normenkette
GrEStLandGBW 1/1/2
Tatbestand
I.
Durch notariellen Kaufvertrag vom 31. Januar 1961 erwarb der Bf. ein 59,78 Ar großes gärtnerisch genutztes Grundstück. Er beantragte Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 des baden-württembergischen Gesetzes über Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der inneren Verkehrslage land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 6. Februar 1956 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1956 S. 8, BStBl 1956 II S. 46) in der Fassung des änderungsgesetzes vom 21. Juli 1958 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1958 S. 190, BStBl 1958 II S. 169) - im folgenden: Gesetz 1956/58 -, da er mit 3/8 Anteil neben seiner Mutter und seiner Schwester in ungeteilter Erbengemeinschaft an einem 77,01 Ar großen Gärtnereibetrieb beteiligt sei.
Das Finanzamt lehnte die Steuerbefreiung ab, da der Erwerber keinen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschafte.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Der Bf. begründete seine Rechtsmittel im wesentlichen damit, daß er als einziger der Miterben gelernter Gärtner sei und den Betrieb fachlich leite. Als Gesamthandseigentümer sei er gemäß § 11 Ziff. 5 StAnpG wie ein Bruchteilseigentümer zu behandeln. Nach Volljährigkeit sei er ab 1. Januar 1961 in die als BGB-Gesellschaft betriebene Gärtnerei - zwar ohne schriftlichen Gesellschaftsvertrag, aber - als vorberechtigter Gesellschafter eingetreten.
Wie das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung kam auch das Finanzgericht zu dem Ergebnis, daß der Bf. im Zeitpunkt des Erwerbs keinen ihm gehörigen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet habe, da der Betrieb noch zum ungeteilten Nachlaß seines Vaters gehört, also im Gesamthandseigentum der aus Mutter, Schwester und Bf. gebildeten Erbengemeinschaft gestanden habe. Die Verteilung und Zurechnung des Wertes der einer Gesamthand gehörigen wirtschaftlichen Einheit auf die Beteiligten gemäß § 3 BewG, § 11 Ziff. 5 StAnpG ändere nichts daran, daß nur eine wirtschaftliche Einheit dieser Gesamthand selbst im Sinne des § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 BewG vorliege. Der Bf. habe das Grundstück also auch nicht zu einem schon bestehenden eigenen Betrieb hinzuerwerben können. Auf diese bewertungsrechtliche Beurteilung seien die vom Finanzamt nicht bestrittene Gründung einer BGB-Gesellschaft und die etwaige einkommensteuerrechtliche Mitunternehmereigenschaft des Bf. ohne Einfluß.
Mit der RB. macht der Bf. ergänzend im wesentlichen geltend, nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen habe er auf Grund seines Anteils am Betrieb als Mitunternehmer einen eigenen Betrieb. Die Auslegung des Finanzgerichts sei wirtschaftsfremd und verstoße gegen den sich aus der überschrift ergebenden Sinn des Gesetzes 1956/58 und damit gegen § 1 Abs. 2, 3 StAnpG.
Entscheidungsgründe
II. -
Auch der Rb. muß der Erfolg versagt werden. Die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 des Gesetzes 1956/58 setzt, soweit es im Streitfall erheblich ist, zu ihrer Anwendung voraus, daß der Erwerber bereits einen ihm (oder seinem Ehegatten oder den Ehegatten gemeinsam) gehörigen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, zu dem ein Grundstück hinzuerworben werden kann.
Der Begriff des landwirtschaftlichen Betriebs ist im Gesetz 1956/58 selbst nicht bestimmt. Beider sich aus § 1 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. c des Gesetzes 1956/58 durch ausdrückliche Verweisung auf § 5 Ziff. 2 BewDV ergebenden unmittelbaren Anlehnung an das Bewertungsrecht muß nach Auffassung des Senats davon ausgegangen werden, daß nach Wortlaut und Willen des Gesetzes 1956/1958 als landwirtschaftlicher Betrieb im allgemeinen (dem Grundsatz nach) die dauernd einem landwirtschaftlichen Zweck dienende wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechts (ß 29 in Verbindung mit § 2 BewG) zu gelten hat, soweit sich nicht aus dem Gesetz 1956/58 selbst Abweichungen ergeben. Zwar verwendet das Gesetz 1956/58 mehrfach die Begriffe "land- oder forstwirtschaftlich", auch nur "landwirtschaftlicher Betrieb" und "Landwirt". Nach dem Sinn und Zweck dieses Gesetzes, die sich auch in der überschrift ("land- und forstwirtschaftliche Betriebe") zeigen, bestehen jedoch keine Bedenken, in die Vergünstigung auch die anderen Unterarten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (vgl. § 28 BewG) einzubeziehen: Danach ist das Gesetz 1956/58 - wie im Streitfall - auch auf den Erwerb gärtnerisch genutzter Grundstücke (vgl. § 48 BewG) anwendbar.
Der Begriff "ihm gehörig" deckt sich mit dem des § 11 Ziff. 4 StAnpG und dem des § 2 Abs. 2 BewG; er bedeutet, daß der Erwerber selbst (oder sein Ehegatte) im Regelfall bürgerlich-rechtlicher Eigentümer, zumindest aber (als wirtschaftlicher Eigentümer) Eigenbesitzer eines schon bestehenden Betriebs sein muß.
Bei der Prüfung der Frage, ob der Bf. im Zeitpunkt des Erwerbs bereits selbst Eigentümer eines gärtnerischen Betriebs war, ist das Finanzgericht also zutreffend davon ausgegangen, daß der unstreitig zum ungeteilten Nachlaß des Vaters gehörige Betrieb zwar der aus mehreren Personen bestehenden Erbengemeinschaft als Gesamthandseigentum zusteht, gleichwohl aber nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 2, § 3 BewG als eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechts zu betrachten ist.
Die weitere, sich hieran anknüpfende Frage, ob diese wirtschaftliche Einheit des Betriebs gemäß § 3 Satz 2 BewG für steuerliche Zwecke auf die Beteiligten zu verteilen bzw. gemäß § 11 Ziff. 5 StAnpG nach fiktiven Bruchteilen zuzurechnen ist, beantwortet sich, wie aus dem letzten Halbsatz des § 3 Satz 2 BewG bzw. aus dem Einleitungssatz von § 11 Ziff. 5 StAnpG ("soweit nichts anderes bestimmt ist") hervorgeht, danach, ob nach dem einzelnen Steuergesetz die Beteiligten steuerpflichtig sind oder ob es die Gemeinschaft selbst ist. Der Reichsfinanzhof und der erkennende Senat haben in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Gesamthandsgemeinschaft der Miterben für die Grunderwerbsteuer - anders als im bürgerlichen Recht, wo die Erbengemeinschaft keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt - als selbständige Rechtsträgerin anzusehen ist (Entscheidung des Reichsfinanzhofs II A 409/33 vom 18. Mai 1934, RStBl 1934 S. 957, Slg. Bd. 36 S. 151; Entscheidung des Bundesfinanzhofs II 227/59 U vom 22. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 213, Slg. Bd. 72 S. 583/584 mit weiteren Nachweisen; ferner Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 7. Auflage, 1963, § 1 Tz. 9), so daß insoweit auf dem Gebiet der Grunderwerbsteuer die Zurechnungsvorschrift des § 11 Ziff. 5 StAnpG nicht anwendbar ist (Entscheidung des Bundesfinanzhofs II 294/55 U vom 25. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 285, Slg. Bd. 63 S. 229/230). Zwar handelt es sich im Streitfall nicht um einen Erwerbsvorgang, der die Erbengemeinschaft unmittelbar (als Erwerber oder Veräußerer) berührt, da der Bf. das Grundstück als Alleineigentümer erwarb; ebensowenig ist der gärtnerische Betrieb selbst unmittelbarer Gegenstand eines Erwerbsvorgangs. Deshalb stellt sich im Grunde nicht die Frage, ob der gärtnerische Betrieb selbst nach den Regeln des § 3 Satz 2 BewG, § 11 Ziff. 5 StAnpG für unmittelbare Zwecke der Grunderwerbsteuer aufzuteilen bzw. zuzurechnen ist, sondern die Frage, ob der Bf. grunderwerbsteuerrechtlich als Betriebseigentümer schon deshalb angesehen werden kann, weil er an diesem Betrieb als Gesamthänder in ungeteilter Erbengemeinschaft beteiligt ist. Der Senat ist aber der Auffassung, daß der Grundsatz der grunderwerbsteuerlichen Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft aus den folgenden Erwägungen auch im Streitfall Platz greifen muß. Im Gegensatz zum Miteigentum nach Bruchteilen, das bürgerlich-rechtlich und dementsprechend auch grunderwerbsteuerrechtlich als Volleigentum wie Alleineigentum behandelt wird, steht jedem Teilnehmer an der Erbengemeinschaft nur ein Anteil an dem gemeinschaftlichen Vermögen, nicht an der einzelnen Sache zu. Der Nachlaß gehört allen Gesamthändern gemeinschaftlich. Jeder Miterbe ist zugleich durch das Eigentum der übrigen Gesamthänder beschränkt. Die dingliche Bindung des Gesamthandsvermögens zeigt sich u. a. darin, daß nur alle Gesamthandseigentümer gemeinschaftlich über den Nachlaß verfügen können, der einzelne Miterbe über seinen Anteil am Nachlaß nur auf Grund der Ausnahmevorschrift des § 2033 Abs. 1 BGB und nur unter erschwerten Voraussetzungen verfügen kann, über seinen Anteil an einzelnen Gegenständen des Nachlasses gemäß § 2033 Abs. 2 BGB aber überhaupt nicht (Kregel im Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, 11. Auflage, § 2032 Anm. 4; Ehard-Eder in Soergel-Siebert, Kommentar zum BGB, 9. Auflage, Vorbem. 2 vor § 2032; Palandt, Kommentar zum BGB 22. Auflage, überblick vor § 903 Anm. 5; § 2032 Anm. 1 a, 4). Bei der grunderwerbsteuerrechtlich verselbständigten Erbengemeinschaft mit dem zu einer wirtschaftlichen Einheit verselbständigten Gesamthandsvermögen stehen sich also die einzelnen Miterben und die in der Erbengemeinschaft zusammengefaßte Gesamthand aller Miterben grunderwerbsteuerrechtlich in der Weise als verschiedene eigene Rechtspersönlichkeiten gegenüber, daß (Allein-) Eigentümer des erworbenen Grundstücks nur der Bf. persönlich, grunderwerbsteuerrechtlicher Eigentümer des Betriebs aber die Erbengemeinschaft ist.
Daran ändert sich auch nichts, wenn man davon ausgeht, daß der Betrieb am 1. Januar 1961 als BGB-Gesellschaft betrieben wird. Denn auch bei der BGB-Gesellschaft handelt es sich um ein Gesamthandsverhältnis, an dessen rechtlich verselbständigten Gesamthandsvermögen der einzelne Gesellschafter nur eine gesamthänderische Mitberechtigung hat, jedoch gegenüber der Erbengemeinschaft noch mit der Erschwerung, daß er auch über seinen Anteil am gesamten Gesellschaftsvermögen nicht verfügen darf (§§ 718, 719 BGB).
Bei dieser eigenen grunderwerbsteuerrechtlichen Beurteilung kommt es auf die sich nach ertragsteuerrechtlichen Gesichtspunkten richtende Würdigung der einkommensteuerrechtlichen Mitunternehmerschaft nicht an; dies schon deshalb nicht, weil es sich im Einkommensteuerrecht insoweit nur um die Zuordnung der Einkünfte zu einer der Einkunftsarten und bei Beteiligung mehrerer an einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung um die Aufteilung der Einkünfte auf die einzelnen Personen handelt, da im Einkommensteuerrecht nicht diese Personenvereinigung selbst, sondern nur die einzelne natürliche Person steuerpflichtig ist.
Das Finanzgericht hat also im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Bf. im Erwerbszeitpunkt keinen eigenen Betrieb bewirtschaftet hat und daß das Grundstück auch demgemäß nicht zu einem solchen eigenen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. c des Gesetzes 1956/58 hinzuerworben werden konnte.
Dieses Ergebnis kann auch nicht, wie der Bf. meint, als wirtschaftsfremd und Verstoß gegen die Auslegungsregeln des § 1 Abs. 2, 3 StAnpG bezeichnet werden. Bei der Anwendung eines Gesetzes ist grundsätzlich von dessen Wortlaut auszugehen. Der Wille des Gesetzgebers kann unterstützend und zur Behebung von Zweifeln nur dann berücksichtigt werden, wenn er im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs II 196/61 U vom 26. Juni 1963, BStBl 1963 III S. 402, 403 linke Spalte II a. A. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Der Gesetzgeber hat aber bei der Neufassung des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 durch das änderungsgesetz 1958 die Steuervergünstigung ausdrücklich davon abhängig gemacht, daß der Erwerber einen eigenen oder einen Betrieb seines Ehegatten oder einen den Ehegatten gemeinsam gehörigen Betrieb bewirtschaften muß. Bei der Beratung des änderungsgesetzes 1958 bestanden bereits gegen diese Ausdehnung des Personenkreises Bedenken, die nur wegen des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau zurückgestellt worden sind (vgl. Verhandlungen des Landtages von Baden-Württemberg zum Entwurf des änderungsgesetzes 1958; 2. Wahlperiode, 32. Sitzung, S. 1518 linke Spalte erster Absatz). Angesichts dieser Sach- und Rechtslage erscheint eine erweiternde Auslegung der Befreiungsvorschrift auf landwirtschaftliche Betriebe, die grunderwerbsteuerrechtlich einer nicht nur aus Ehegatten bestehenden Erbengemeinschaft zuzurechnen sind, nicht angängig.
Fundstellen
Haufe-Index 411122 |
BStBl III 1964, 160 |
BFHE 1964, 413 |
BFHE 78, 413 |