Leitsatz (amtlich)
1. § 2 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder (ErfVO) vom 30. Mai 1951 (BGBl I 1951, 387, BStBl I 1951, 181) trifft hinsichtlich der Einordnung der Einkünfte keine vom EStG abweichenden Bestimmungen.
2. Ist die Erfindertätigkeit eines Gewerbetreibenden untrennbar mit der gewerblichen Tätigkeit verbunden, so bleibt die Gesamttätigkeit, auch wenn die Einkünfte aus der Vergabe von Lizenzen die sonstigen gewerblichen Einkünfte überwiegen, im allgemeinen gewerblicher Natur.
Normenkette
ErfVO § 2; GewStG §§ 2, 7
Gründe
Aus den Gründen:
1. Dem FG ist zunächst insofern ein Rechtsfehler unterlaufen, als die ErfVO nicht die einkommensteuerliche Behandlung der Erfinder insgesamt regelt, sondern nur (in ihren §§ 4 und 5) den Erfindern Vergünstigungen gewährt. Es war nicht die Absicht des Verordnungsgebers, das Einkommensteuerrecht insofern zu ändern, als es auch für die Einordnung der Einkünfte aus der erfinderischen Tätigkeit in die verschiedenen Einkunftsarten des EStG besondere Regeln aufstellen wollte. Aus der Wortfassung, gewerbliche Einkünfte seien solche, die "im Rahmen eines Gewerbebetriebes anfallen", kann kein derartiger Schluß gezogen werden, daß durch § 2 ErfVO § 2 EStG abgeändert worden sei, kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil für die Begünstigung zwar die Frage eine Rolle spielt, ob eine "Tätigkeit" vorliegt (vgl. hierzu das Urteil in der Parallelsache IV 304/65 vom 11. September 1969, BStBl II 1970, 306), es dagegen unerheblich ist, wie die Einkünfte aus selbständiger Arbeit von denjenigen aus gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieben abzugrenzen sind, für die die Vergünstigungen gleichermaßen gewährt werden. Der gegenteiligen Ansicht des Niedersächsischen FG (EFG 1961, 400), das wegen § 2 ErfVO sogar dann Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb annimmt, wenn die Erfindertätigkeit im Rahmen einer Liebhaberei entfaltet wurde, kann nicht gefolgt werden.
2. Dem FG kann auch darin nicht zugestimmt werden, daß die einkommensteuerliche Behandlung, sofern es sich um die Einordnung unter die Einkunftsarten handelt, von der gewerbesteuerlichen Behandlung abweichen könne. Was sich einkommensteuerrechtlich als gewerblicher Gewinn (§ 15 EStG) erweist, ist nach § 7 GewStG in der Regel auch Gewerbeertrag. Daß das Einkommensteuerrecht grundsätzlich für den Begriff der gewerblichen Einkünfte maßgebend sein soll, ergibt sich auch aus § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG, nach denen ein der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinn des EStG ist. Es ist nichts erkennbar, was hier ein Abgehen von der Regel rechtfertigen könnte. Das FG hat nicht berücksichtigt, daß zwar für eine einkommensteuerliche Tarifbegünstigung nach der ErfVO sowohl Einkünfte aus selbständiger Arbeit als auch solche aus Gewerbebetrieb in Frage kommen können, daß aber wenn es sich um tarifbegünstigte gewerbliche Einkünfte handelt, gerade weil die ErfVO nur die einkommensteuerliche Begünstigung beabsichtigt, diese der Gewerbesteuer unterliegen.
3. Es kommt also allein darauf an, ob die Tätigkeit des im übrigen unstreitig gewerblich tätigen Steuerpflichtigen, soweit sie mit der Erfindung in Verbindung steht, als getrennte, selbständige Arbeit angesehen werden kann. Das ist nicht der Fall.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Steuerpflichtige eine so weitgehende erfinderische Tätigkeit entwikkelt hat, daß Einkünfte nach § 18 EStG vorliegen könnten, was der Senat in der Parallelsache IV 304/65 hinsichtlich der Anwendung der ErfVO bejahte, und ob diese Tätigkeit für sich betrachtet die Merkmale einer "freiberuflichen" Tätigkeit aufweist, wie das FG annimmt. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob das Patent hier notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen des gewerblichen Betriebs war und die Einkünfte daraus schon deshalb als gewerblich angesehen werden müssen. Denn schon die Tätigkeit des Steuerpflichtigen ist gewerblicher Natur.
Das FG weist allerdings mit Recht auf die neuere Rechtsprechung des BFH hin (Urteile I 116/55 U vom 23. Oktober 1956, BFH 64, 46, BStBl III 1957, 17; IV 390/55 U vom 28. März 1957, BFH 64, 490, BStBl III 1957, 182; IV 308/58 vom 2. März 1961, HFR 1961, 130, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 134; IV 235/60 U vom 16. Februar 1961, BFH 72, 574, BStBl III 1961, 210; IV 270/60 U vom 18. Januar 1962, BFH 74, 344, BStBl III 1962, 131; IV 318/59 U vom 16. März 1962, BFH 75, 89, BStBl III 1962, 302; IV 394/58 U vom 30. August 1962, BFH 76, 116, BStBl III 1963, 42; IV 153/64 U vom 12. November 1964, BFH 81, 246, BStBl III 1965, 90), nach der bei sogenannten gemischten Tätigkeiten, d. h. gleichzeitiger Ausübung einer selbständigen Berufstätigkeit und einer gewerblichen Tätigkeit, die Einkünfte getrennt behandelt werden müssen, wenn die Tätigkeiten trennbar sind. Diese Rechtsprechung dient in erster Linie dem Bestreben, die eigentlichen selbständig Tätigen, d. h. die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgezählten Träger freier Berufe, so weit als möglich als solche anzuerkennen, auch wenn ihre Tätigkeit zum Teil, eventuell sogar zum überwiegenden Teil, eine gewerbliche ist oder im Zuge des Ausbaus des freien Berufs eine solche geworden ist. Alle genannten Entscheidungen, mit Ausnahme des einen Verwalter (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) behandelnden Urteils IV 235/60 U, betreffen solche Berufe (Architekt, beratender Ingenieur, Fahrlehrer, Schriftsteller, Gartenarchitekt, Helfer in Steuersachen, Arzt). Die Entwicklung zur Einbeziehung immer weiterer gewerblicher Tätigkeiten in die freie Berufsausübung ist durch die fortschreitende Rationalisierung und Mechanisierung und das damit zusammenhängende Zurücktreten der schöpferischen Persönlichkeit historisch bedingt. Solange der Gesetzgeber an der Unterscheidung zwischen Gewerbetreibenden und Freiberuflern festhält, muß dem auch steuerlich Rechnung getragen werden und rechtfertigt es sich, den noch verbleibenden freiberuflichen Rest als solchen zu behandeln, wenn er aussonderbar ist. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich in der Gesetzgebung selbst, die der fortschreitenden Ersetzung der eigenen durch die fremde Arbeitskraft auch im freien Beruf durch die Milderung der sogenannten Vervielfältigungstheorie Rechnung trägt.
Diese Rechtsprechung findet indessen dort ihre Grenze, wo sich die beiden Tätigkeiten gegenseitig bedingen und derart miteinander verflochten sind, daß der gesamte Betrieb nach der Verkehrsauffassung als einheitlich angesehen werden muß (BFH-Urteile IV 390/55 U; IV 308/58; IV 235/60 U; IV 270/60 U; IV 153/64 U), wo sich die freiberufliche Tätigkeit lediglich als Ausfluß einer gewerblichen Betätigung darstellt (BFH-Urteile IV 390/55 U; IV 308/58) oder wo ein einheitlicher Erfolg geschuldet und in der dafür erforderlichen gewerblichen Tätigkeit auch freiberufliche Leistungen enthalten sind (BFH-Urteile IV 390/55 U; IV 318/59 U; IV 394/58 U; IV 153/64 U). Die Rechtsprechung hat daher z. B. (Urteil IV 394/58 U) bei einem Helfer in Steuersachen (jetzt Steuerbevollmächtigten), der als steuerlicher Berater freiberuflich tätig war und, soweit er die Bücher für seine Mandanten führte, als Gewerbetreibender anzusehen war, eine gewerbliche Tätigkeit auch insoweit angenommen, als er bei Ausübung der zweiten Art der Tätigkeit (Bücherführung) auch steuerlich beriet, und zwar mit der Begründung, die Bücherführung sei für die Kunden so wichtig gewesen, daß sie der Tätigkeit des Steuerpflichtigen den Stempel des Gewerblichen aufgeprägt habe. Diese auf das Berufsbild und die Verkehrsauffassung abstellende Betrachtungsweise führt naturgemäß bei Steuerpflichtigen, die von Hause aus Gwerbetreibende sind, noch eher zu der Annahme, daß bei einem Zusammenhang der Tätigkeit mit dem ausgeübten Gewerbebetrieb die Tätigkeit zu diesem Betrieb gehört, auch wenn sie ihrer Art nach eine freiberufliche sein könnte.
Im vorliegenden Falle ist die erfinderische Tätigkeit des Steuerpflichtigen von seiner gewerblichen Tätigkeit nicht abtrennbar. Das FG geht selbst davon aus, daß der Steuerpflichtige kaum auf den Gedanken gekommen wäre, sich mit der Verbesserung des von ihm zu vertreibenden Artikels zu beschäftigen, wenn er nicht den gewerblichen Betrieb übernommen gehabt hätte und gerade dabei gewesen wäre, das Geschäft wieder aufzunehmen, daß ihm die Erfinderidee anläßlich eines geschäftlich bedingten Besuches kam und daß auch die weitere Ausgestaltung der Idee im Interesse seines gewerblichen Betriebes gelegen habe, in dem er den Gegenstand in seiner verbesserten Form zum Verkauf benötigt habe.
Auch die Art der Nutzung des Patents durch den Steuerpflichtigen (Vergabe der Linzenz, Erwerb und Verkauf der vom Lizenznehmer hergestellten Gegenstände unter gleichzeitiger Verabredung eines begrenzten Alleinverkaufsrechts) kommt einer Verwertung der Erfindung im eigenen Betrieb sehr nahe, bei der das Vorliegen gewerblicher Einkünfte nicht fraglich sein könnte. Bei Berücksichtigung aller Umstände zeigt sich bei dem Steuerpflichtigen nicht das Bild eines Erfinders und Gewerbetreibenden, sondern eines Gewerbetreibenden, der sich eine dabei empfangene Idee für seine gewerbliche Tätigkeit zunutze macht. Aus diesen Erwägungen ergibt sich weiter, daß die gesamte - wie ausgeführt, unzerlegbare - Tätigkeit des Steuerpflichtigen auch dann nicht als eine freiberufliche angesehen werden könnte, falls seine aus der Lizenzvergabe fließenden Einkünfte die übrigen Einkünfte überwögen.
Der BFH, insbesondere auch der erkennende Senat, hat allerdings in den Fällen, in denen keine trennbaren Tätigkeiten, sondern eine einheitliche, aber mehrere Tätigkeitstypen als Komponenten enthaltende Tätigkeit angenommen werden mußte, die Ansicht vertreten, für die Frage, zu welcher Art von Einkünften diese Tätigkeit führe, komme es darauf an, in welchem Verhältnis die Einnahmen aus ihnen zueinander stünden. So ging der Senat (noch unter der Herrschaft der sogenannten Einheitstheorie) in dem Urteil IV 200/51 U vom 12. September 1951 (BFH 55, 487, BStBl III 1951, 197) davon aus, daß ein Freiberufler zum Gewerbetreibenden werde, wenn der Umsatz aus der gewerblichen Tätigkeit mehr als 1/3 des Gesamtumsatzes betrage. Dem schloß sich der I. Senat in dem Urteil I 116/55 U, in dem die Einheitstheorie aufgegeben war, für den Fall an, daß wegen der Untrennbarkeit der Tätigkeit eine einheitliche Behandlung nach wie vor erforderlich bleibe. Der erkennende Senat äußerte hiergegen Bedenken in dem Urteil IV 390/55 U; er deutete an, daß es vielleicht besser sei, statt auf feste Umsatzgrenzen auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, wie das auch bei der Frage geschehe, ob Land- und Forstwirte durch erhebliche Zukäufe Gewerbetreibende würden (Hinweis auf das BFH-Urteil IV 250/50 U vom 2. Februar 1951, BFH 55, 171, BStBl III 1951, 65). In dem Urteil IV 318/59 U ist gesagt, bei Überwiegen der gewerblichen Einnahmen sei insgesamt eine gewerbliche Tätigkeit anzunehmen.
Die hier aufgeworfenen Fragen sind, soweit ersichtlich, noch nicht endgültig beantwortet worden. Keinesfalls darf aber aus den bezeichneten Entscheidungen entnommen werden, daß ein seinem Berufsbild nach gewerblich Tätiger, der innerhalb seiner unstreitigen gewerblichen Betätigung eine damit verbundene, untrennbare Tätigkeit entfaltet, die für sich betrachtet freiberuflichen Charakter haben könnte, deshalb den Charakter des Gewerbetreibenden verlieren könnte. So ist in der bereits erwähnten Entscheidung des Senats IV 394/58 U nicht mehr auf das Überwiegen von Einnahmen abgestellt, sondern darauf, daß die Bücher führende Tätigkeit eines Helfers in Steuersachen (jetzt Steuerbevollmächtigten) nicht dadurch den gewerblichen Charakter verliert, daß mit ihr untrennbar verbunden eine beratende Tätigkeit entfaltet wird.
Fundstellen
Haufe-Index 68931 |
BStBl II 1970, 319 |
BFHE 1970, 176 |