Leitsatz (amtlich)
Die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten bewirkt keine Gewinnrealisierung, wenn die Kapitalgesellschaft die Buchwerte der eingebrachten Wirtschaftsgüter fortführt. Die Gewinnverwirklichung tritt als nachträglicher Gewinn aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG erst dann in Erscheinung, wenn die Anteile mit Gewinn oder Verlust veräußert werden.
Normenkette
EStG § 16
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) erbte von ihrem am 23. Juli 1956 verstorbenen Vater Geschäftsanteile an einer GmbH, die Stammeinlagen in Höhe von 12 250 DM entsprachen; das Stammkapital hatte 50 000 DM betragen. Die GmbH war am 1. März 1949 unter Einbringung einer als Einzelunternehmen betriebenen Uhrenfabrik errichtet worden. Am 1. März 1963 hat die Klägerin - so stellte das FG fest - ihre Anteile um 101 033 DM veräußert.
Aus Anlaß der Einkommensteuerveranlagung für 1963 ermittelte das FA einen Veräußerungsgewinn in Höhe des Unterschiedes zwischen den Nennwerten der Geschäftsanteile und dem Veräußerungserlös. Der Einspruch ist erfolglos geblieben. Auf die Klage hat das FG die Einkommensteuerfestsetzung zugunsten der Klägerin geändert. Das Urteil des FG beruht auf der Erwägung, daß für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns allein auf den Tag der Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH, den 1. März 1949, abzustellen sei; die infolge Fortführung der Buchwerte nicht verwirklichten stillen Reserven seien nach der Veräußerung der GmbH-Anteile zu erfassen. Die in der Zeit vom 1. März 1949 bis zur Veräußerung der Anteile am 1. März 1963 entstandene Wertsteigerung der GmbH-Anteile müsse außer Betracht bleiben, weil die Beteiligung keine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG gewesen sei.
Mit der Revision beantragt das beklagte FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des beklagten FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils; die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
1. Das FG ist von der auf der Rechtsprechung des RFH (vgl. Urteil VI A 434/30 vom 9. Mai 1933, RFH 33, 276, RStBl 1933, 999) beruhenden Auffassung ausgegangen, die sich der BFH (vgl. Urteile IV 27/59 U vom 28. Juli 1960, BFH 71, 411, BStBl III 1960, 403; I 167/59 U vom 13. Juli 1965, BFH 83, 390, BStBl III 1965, 640) zu eigen gemacht hat. Danach bewirkt die Einbringung eines Einzelunternehmens oder des von einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an dieser Gesellschaft keine Gewinnverwirklichung, wenn die Kapitalgesellschaft die Buchwerte der eingebrachten Wirtschaftsgüter fortführt, die sich aus der für die Einkommensteuer maßgebenden Schlußbilanz des untergegangenen Unternehmens ergeben, und wenn der Einbringende auch nach der Einbringung im wesentlichen Herr des Betriebs bleibt. Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß der oder die bisherigen Betriebsinhaber in einem solchen Falle mit der weiteren Fortentwicklung des nunmehr durch die Kapitalgesellschaft betriebenen Unternehmens durch seine bzw. ihre Beteiligung verknüpft bleiben, das durch den bisherigen Betrieb eingegangene Engagement in einer anderen Form fortgeführt wird. Nach dieser Rechtsprechung tritt die Gewinnverwirklichung unter der erwähnten Voraussetzung als nachträglicher Gewinn aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG erst dann in Erscheinung, wenn die Anteile an der Kapitalgesellschaft mit Gewinn oder Verlust veräußert werden. Bei Erwerb durch Erbgang oder Schenkung tritt eine Gewinnrealisierung nicht ein (BFH-Urteil I 167/59 U, a. a. O., BFH 83, 396 ff.).
2. Das FG ist dieser Rechtsprechung im Ausgangspunkt gefolgt und hat als Anschaffungskosten der Klägerin die für ihren verstorbenen Vater, den Erblasser, maßgebenden Werte angesehen. Hinsichtlich des Veräußerungserlöses ist das FG - insoweit der Stellungnahme des BdF in der Rechtssache I 167/59 U (a. a. O., BFH 83, 393) folgend - davon ausgegangen, daß für die Ermittlung des Veräußerungsgewinnes der Tag der Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH (1. März 1949) und nicht der am Tag der Veräußerung der Anteile erzielte Erlös maßgebend sei. Ein Fall des § 17 EStG liege nicht vor.
Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Geht man entsprechend der oben erwähnten Rechtsprechung davon aus, daß das durch den eingebrachten Betrieb eingegangene Engagement nach der Einbringung in die Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten nur in anderer Form fortgeführt wird, kommt es für die Frage, ob und in welcher Höhe ein Veräußerungsgewinn (-verlust) im Sinne des § 16 EStG entstanden ist, nicht auf den Zeitpunkt des Einbringens in die Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten an (vgl. BFH-Urteil IV 27/59 U, a. a. O.). Maßgebend ist danach der Zeitpunkt, in dem die Beteiligung (entgeltlich) veräußert, in dem das in anderer Form (vermittels der Anteile an der Kapitalgesellschaft) fortgeführte Engagement aufgegeben wird. Diese Lösung kann sich auch zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken. Wertminderungen der Anteile an der Kapitalgesellschaft, die vom Zeitpunkt der Gründung bis zur Veräußerung der Anteile entstanden sind, wirken sich (anders als im Falle des § 17 StÄndG 1965 - Art. 1 Nr. 8 - vom 14. Mai 1965, BGBl I, 377, BStBl I, 217) aus.
3. Das Urteil des FG, das mit der hier vertretenen Rechtsauffassung zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns nicht vereinbar ist, wird aufgehoben. Veräußerungsgewinn ist der Unterschied zwischen den Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers der Klägerin einschließlich etwaiger Kosten der Veräußerung und dem Erlös aus der Veräußerung der Anteile. Da das FG von dieser Rechtsauffassung aus die Anwendung des § 34 EStG noch nicht geprüft hat, muß die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die von der Klägerin ins Feld geführte geistige Erkrankung, die zu ihrer Entmündigung geführt hat, kann für die Ermittlung der gemäß § 34 EStG (in der Fassung vor Art. 1 Nr. 13 in Verbindung mit Nr. 20 Abs. 1 StÄndG 1965) festzusetzenden Einkommensteuer erheblich sein. Insofern ist es denkbar, daß eine Ausnahme im Sinne des Urteils IV 106/64 U vom 22. Oktober 1964 (BFH 81, 121, BStBl III 1965, 44) in Betracht kommt, nach dem für Veräußerungsgewinne im Sinne des § 34 EStG in der Regel die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes maßgebend ist.
Fundstellen
Haufe-Index 413199 |
BStBl II 1972, 537 |
BFHE 1972, 271 |