Leitsatz (amtlich)
Betreibt ein Unverheirateter außerhalb des Ortes seiner bisher einzigen Wohnung einen Gewerbebetrieb und mietet er - unter Beibehaltung seiner ersten Wohnung - eine weitere Wohnung am Beschäftigungsort, so sind die Aufwendungen für diese Wohnung und für die (Wochenend-)Heimfahrten zu der ersten Wohnung außerhalb des Betriebsortes grundsätzlich keine Betriebsausgaben.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4-5, § 9 Abs. 1 Nr. 5
Tatbestand
Streitig ist für das Jahr 1968, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine selbständig tätige Apothekerin, die Miete für eine Wohnung am Beschäftigungsort und Aufwendungen für Fahrten von und zu einer Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes als Betriebsausgaben abziehen kann.
Die ledige Klägerin hatte vom 1. Juli 1967 bis 31. Dezember 1972 eine Apotheke in O gepachtet. Seit der Übernahme des Betriebs bewohnte sie eine gemietete möblierte Dreizimmerwohnung in O. Gleichzeitig behielt sie ihre Wohnung in einem Zweifamilienhaus in N bei, das ihr und ihrer Schwester je zur Hälfte gehörte.
Die Klägerin macht geltend, sich an jedem Wochenende und auch sonst, wenn es ihre Freizeit erlaubt habe, in der Wohnung in N aufgehalten zu haben. Sie habe die möblierte Wohnung in O nur gemietet, weil es ihr aus betrieblichen Gründen nicht möglich gewesen sei, täglich zwischen N und O hin- und zurückzufahren. Ihr Haushalt in N sei durch eine Putzfrau weitergeführt worden, die die Wohnung betreut und die Heizung bedient habe. Die Aufgabe dieser Wohnung sei ihr nicht zumutbar gewesen, da ihre Tätigkeit in O wegen der vorläufigen Begrenzung der Laufzeit des Pachtvertrags über die Apotheke bis zum 31. Dezember 1972 nur vorübergehend gewesen sei.
Die Klägerin machte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1968 Aufwendungen für die Wohnung in O, für Fahrten zwischen O und N und für Verpflegung am Beschäftigungsort (Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung) als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte dies im Einkommensteuerbescheid 1968 ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das FG führte unter Hinweis auf die Urteile des BFH vom 19. November 1971 VI R 132/69 (BFHE 103, 533, BStBl II 1972, 155) und vom 9. November 1971 VI R 285/70 (BFHE 103, 498, BStBl II 1972, 148) aus, die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung i. S. der §§ 4 Abs. 5 Satz 3, 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG seien nicht gegeben, da die Klägerin als Ledige nicht zwei Haushalte gleichzeitig führen könne. Die Beschäftigung der Putzfrau zur Betreuung der Wohnung in N könne Dort ein hauswirtschaftliches Leben während der Abwesenheit der Klägerin nicht begründen. Auch der Hilfsantrag, mit dem die Klägerin die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Wohnung in O und die Fahrten nach N als Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG begehre, könne Keinen Erfolg haben, da es sich um Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) handle. Der einzige Haushalt der Klägerin habe sich in der Wohnung in O befunden. Es möge durchaus zutreffen, daß die Klägerin die Wohnung in N auch nach der Übernahme der Apotheke in O als den Mittelpunkt ihres Lebens angesehen habe, weil sie dort über eine nach ihren Vorstellungen eingerichtete Wohnung in einem eigenen Haus verfügt und dort auch die engsten persönlichen Verbindungen besessen habe. Gleichwohl habe sich der Mittelpunkt ihres Lebens in O befunden, da sie dort ihr berufliches Leben ausschließlich und ihr privates Leben ganz überwiegend geführt habe. Dabei sei es unerheblich, ob auch die überwiegende private Lebensführung in O den Wünschen der Klägerin entsprochen habe. Die Klägerin könne sich ferner nicht darauf berufen, daß ihre Tätigkeit in O von vornherein nur vorübergehend gewesen sei. Bei der Pachtdauer von 5 1/2 Jahren könne von einer nur vorübergehenden Tätigkeit nicht gesprochen werden.
Mit der Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten sowie unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 4 EStG. Zwar sei zweifelhaft, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung gegeben seien, jedoch seien die Ausführungen des FG zum Hilfsantrag, die Aufwendungen für die Wohnung und die Fahrten nach § 4 Abs. 4 EStG als Betriebsausgaben anzuerkennen, unzutreffend. Das FG beziehe sich in dieser Frage zu Unrecht auf die Ausführungen zur doppelten Haushaltsführung. Es sei unrichtig, wenn das FG unterstelle, sie habe einen einzigen Haushalt in O gehabt. Die dort gemieteten Räume ohne Kücheneinrichtung seien - wie im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 1972 ausgeführt - keine abgeschlossene Wohnung gewesen und hätten nur als Schlafstelle gedient. Die Wohnung habe sie deshalb gemietet, weil sie sich wegen der Führung des Betriebs in O habe aufhalten müssen und tägliche Heimfahrten nach N nicht möglich gewesen seien. Daran ändere auch nichts, daß sie die Apotheke für die Dauer von 5 1/2 Jahren gepachtet habe.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1968 unter Berücksichtigung der Fahrtkosten von 712,24 DM und der Mietaufwendungen von 1 790 DM als Betriebsausgaben festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach § 4 Abs. 4 EStG 1967 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Diese Vorschrift erfährt einige Einschränkungen durch § 4 Abs. 5 EStG, nach dem bestimmte Aufwendungen bei der Gewinnermittlung ausscheiden. Wenn § 4 Abs. 5 Satz 3 EStG vorschreibt, daß für den Abzug von Betriebsausgaben u. a. § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG (doppelte Haushaltsführung) entsprechend gelten soll, so bedeutet dies, daß Mehraufwendungen, wie sie die Klägerin im Streitfall geltend macht, grundsätzlich nur dann als Betriebsausgaben berücksichtigt werden können, wenn die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG gegeben sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das FG für den Streitfall zu Recht verneint.
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn ein Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer, der am Beschäftigungsort wohnt, außerhalb dieses Ortes einen eigenen Hausstand unterhält, vertritt der BFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand unterhält, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl finanziell als auch durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligt. Ein Lediger, der in einem möblierten Zimmer am Beschäftigungsort wohnt, unterhält in der Regel dort seinen Haushalt. Besitzt er eine Wohnung mit eigenen Möbeln an einem anderen Ort, so hat er dort nicht einen zweiten Haushalt, da er sich nicht gleichzeitig an zwei Orten aufhalten kann. In einem solchen Falle ruht der verlassene Haushalt in der Zeit, in der sich der Ledige am Beschäftigungsort aufhält, Der BFH hat daher bei einem Unverheirateten die Möglichkeit einer doppelten Haushaltsführung nur dann anerkannt, wenn der ledige Steuerpflichtige in einem außerhalb des Beschäftigungsortes befindlichen Haushalt einen von ihm finanziell abhängigen Angehörigen aufgenommen hat, da in einem solchen Fall auch während seiner Abwesenheit in der Wohnung hauswirtschaftliches Leben herrscht (vgl. zuletzt Urteil vom 20. Juni 1975 VI R 72/74, BFHE 116, 41, BStBl II 1975, 649).
Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des erkennenden Senats auch für Gewerbetreibende. Es bestehen keine Gründe, den Begriff des eigenen Hausstandes bei diesen anders auszulegen als bei den Arbeitnehmern. Die Klägerin könnte somit Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung mit Erfolg nur dann geltend machen, wenn sich während ihres Aufenthalts in O eine zu ihrem Haushalt gehörende Person in der Wohnung in N aufgehalten und dort hauswirtschaftliches Leben geherrscht hätte, an dem sich die Klägerin finanziell und durch persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligt hätte. Nach den Feststellungen des FG, an die das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, ist dies zu verneinen. Die Betreuung der Wohnung in N durch eine Putzfrau begründet dort noch kein hauswirtschaftliches Leben.
2. Scheidet der Betriebsausgabenabzug nach §§ 4 Abs. 5 Satz 3, 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG somit aus, so kann eine Berücksichtigung der Aufwendungen der Klägerin nach der allgemeinen Vorschrift des § 4 Abs. 4 EStG nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen in Betracht kommen. Das FG hat das Vorliegen solcher Umstände im Streitfall rechtlich zutreffend verneint.
Nach der Rechtsprechung des BFH zu § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG können Aufwendungen, die einem ledigen Arbeitnehmer durch eine vorübergehende Beschäftigung an einem anderen Ort als dem Wohnort entstehen, auch dann Werbungskosten sein, wenn ein doppelter Haushalt nicht geführt wird (Urteile vom 16. November 1971 VI R 347/69, BFHE 103, 520, BStBl II 1972, 152 und VI R 132/69). Dementsprechend könnten auch bei der Klägerin die geltend gemachten Aufwendungen betrieblich veranlaßt sein, wenn sie den Betrieb in O nur vorübergehend geführt hätte. Indessen kann bei der vertraglich vorgesehenen Pachtzeit von 5 1/2 Jahren von einer nur vorübergehenden Tätigkeit der Klägerin in O nicht gesprochen werden.
Auch die übrigen von der Klägerin angeführten Umstände lassen nicht auf eine ausnahmsweise betriebliche Veranlassung der Wohnungs- und Fahrtkosten schließen. Aufwendungen für eine Wohnung sind grundsätzlich nichtabzugsfähige Lebenshaltungskosten. Der Umstand, daß die Klägerin eine Wohnung am Beschäftigungsort gemietet hat, weil eine tägliche Heimfahrt nach N wegen der Entfernung zum Betrieb für sie ungünstig erschien, macht die Aufwendungen für die Wohnung am Beschäftigungsort und für die Fahrten nach N nicht zu Betriebsausgaben. Daß die Klägerin, wenn sie täglich zwischen N und O hin- und hergefahren wäre, möglicherweise höhere Kosten gehabt hätte, die sie als Betriebsausgaben hätte geltend machen können, ist unerheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 71904 |
BStBl II 1976, 558 |
BFHE 1977, 51 |