Leitsatz (amtlich)
Vorschußweise geleistete Honorare sind auch dann zugeflossen, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung feststeht, daß sie teilweise zurückzuzahlen sind (Änderung der Rechtsprechung zu BFHE 77, 586, BStBl III 1963, 534).
Normenkette
EStG § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Schlagersängerin. Sie schloß mit einer Schallplattenfirma (im folgenden mit A bezeichnet) einen Vertrag, in dem sie sich verpflichtete, der A zu Schallplattenaufnahmen als Sängerin gegen eine einmalige Honorarzahlung von 500 000 DM und gegen eine Umsatzbeteiligung von 10 v. H. zur Verfügung zu stehen.
Die Klägerin bezog im Jahr 1969 das Einmalhonorar in Höhe von 500 000 DM und an Vorschüssen auf die Umsatzbeteiligung im Jahre 1970 120 000 DM und im Jahre 1971 200 000 DM. Nach Abrechnung des zweiten Halbjahres 1973 ergab sich ein Saldo zugunsten der A in Höhe von 73 175.93 DM, den die Klägerin zurückzahlen mußte.
Bei den im Anschluß an eine Betriebsprüfung durchgeführten Berichtigungsveranlagungen für die Jahre 1968 bis 1971 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die von der Klägerin beantragte Verteilung des Einmalhonorars in Höhe von 500 000 DM auf mehrere Veranlagungsjahre nicht an.
Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage beantragte die Klägerin, den überzahlten Betrag in Höhe von 73 175,93 DM von den Betriebseinnahmen des Jahres 1970 oder 1971 abzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die Rückzahlungsforderung in Höhe von 73 175,93 DM nicht als Einnahmeminderung im Jahr des Zuflusses anzusehen sei. Zwar seien nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Juni 1963 IV 111/59 U (BFHE 77, 586, BStBl III 1963, 534) Vorschüsse, die mit künftigen Honoraren zu verrechnen und daher als auflösend bedingt geleistet anzusehen seien, insoweit nicht als Einnahmen zu behandeln, als eine Rückzahlungsverpflichtung bereits im Zeitpunkt der Veranlagung festgestanden habe. Die Vorschrift des § 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) sei hier jedoch wegen der in § 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorhandenen Spezialregelung zur Bewertung von Wirtschaftsgütern unanwendbar. Der Rückforderung von Vorschüssen sei einkommensteuerlich erst im Jahre der Rückzahlung Rechnung zu tragen. Da die Klägerin den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt habe, könne in Höhe der Rückzahlungsverpflichtung auch kein gewinnmindernder Schuldposten gebildet werden.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Einkommensteuer 1971 nach einem um 73 175.93 DM geminderten Einkommen festzusetzen. Zur Begründung trägt sie vor, daß die Rückzahlungsverpflichtung nach dem Urteil in BFHE 77, 586, BStBl III 1963, 534 bereits bei der Einkommensteuerveranlagung 1971 berücksichtigt werden müsse. Außerdem habe sie in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt, den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln zu dürfen. Dem hätte das FG folgen und damit die Gewinnminderung zulassen müssen. Die Nichtberücksichtigung dieses Antrags stelle eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs dar.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Einkünfte der Klägerin wegen ihrer Verpflichtung, einen Teil der in den Jahren 1970 und 1971 an sie geleisteten Vorschüsse zurückzuzahlen, weder im Veranlagungszeitraum 1970 noch im Veranlagungszeitraum 1971 zu kürzen sind.
1. Die Klägerin hat aufgrund ihres Vertrags mit der A Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezogen. Da sie diese Einkünfte nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, sind die Einnahmen nach § 11 Abs. 1 EStG in dem Veranlagungszeitraum einkommensteuerlich zu erfassen, in dem sie ihr zugeflossen sind. Ein Zufluß liegt vor, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat (BFH-Urteil vom 30. Januar 1975 IV R 190/71, BFHE 115, 559, BStBl II 1975, 776). Einnahmen sind danach auch in den Fällen zugeflossen, in denen noch nicht zweifelsfrei feststeht, ob die Einnahmen dem Empfänger endgültig verbleiben; stellt sich später heraus, daß der Empfänger den ihm zunächst zugegangenen Wert nicht endgültig behalten darf, sondern in einem späteren Veranlagungszeitraum zurückgewähren muß, so ist dieser Vorgang einkommensteuerrechtlich nach § 11 EStG erst in dem späteren Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 1. März 1977 VIII R 106/74, BFHE 122, 60, BStBl II 1977, 545; vom 13. Dezember 1963 VI 22/61 S, BFHE 78, 477, BStBl III 1964, 184).
Diese Grundsätze gelten auch, falls ein selbständig Tätiger auf sein Honorar Vorschüsse erhält, die erst später endgültig abgerechnet werden. An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn im Zeitpunkt der Einkommensteuerveranlagung bekannt ist, daß ein Teil der Vorschüsse zurückzuzahlen ist. Zwar hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 77, 586, BStBl III 1963, 534 entschieden, daß Vorschüsse, die mit einer möglicherweise eintretenden Verrechnung für künftige Vergütungen behaftet und daher unter einer auflösenden Bedingung geleistet seien, nicht als Einnahmen i. S. des § 11 EStG zu behandeln seien, sofern der Eintritt der Bedingung im Zeitpunkt der Einkommensteuerveranlagung bereits festgestanden habe. An dieser Auffassung hält der Senat nicht fest. Für die Frage, wann Einnahmen einkommensteuerrechtlich zugeflossen sind, ist nicht die Vorschrift des § 5 BewG, nach der ein auflösend bedingter Erwerb wie ein ohne Bedingung erfolgter Erwerb zu behandeln, aber im Falle des Eintritts der auflösenden Bedingung bei nicht laufend veranlagten Steuern auf Antrag eine Berichtigungsveranlagung entsprechend dem tatsächlichen Wert des Erwerbs durchzuführen ist, maßgebend, sondern die Bestimmung des § 11 Abs. 1 EStG. Bei unter einer auflösenden Bedingung geleisteten Vorschüssen richtet sich der Zeitpunkt der einkommensteuerrechtlichen Zurechnung allein nach den Grundsätzen dieser Vorschrift.
Ein Steuerpflichtiger kann über die an ihn vorschußweise geleisteten Geldbeträge auch dann wirtschaftlich verfügen, wenn sich später aufgrund einer endgültigen Abrechnung die Verpflichtung zur Rückzahlung eines Teils des Vorschusses ergibt. Hat ein Steuerpflichtiger einmal die Verfügungsmacht über einen unter einer auflösenden Bedingung erworbenen Geldbetrag erlangt, so geht die Verfügungsmacht auch nicht dadurch rückwirkend verloren, daß die Bedingung eintritt und der Steuerpflichtige deshalb zur Rückzahlung verpflichtet ist. Rückzahlungsverpflichtung und Rückzahlung heben in diesm Fall den Zufluß in einem früheren Veranlagungszeitraum auch dann nicht wieder auf, wenn die Rückzahlungsverpflichtung schon im Zeitpunkt der Einkommensteuerveranlagung feststand. Einkommensteuerrechtlich ist die Rückzahlung nach § 11 Abs. 2 EStG in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem der Steuerpflichtige die Verfügungsmacht über den Rückzahlungsbetrag aufgibt.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß die Klägerin den strittigen Betrag nicht von ihren Einkünften in den Veranlagungszeiträumen 1970 und 1971 absetzen kann. Eine andere rechtliche Beurteilung könnte nur in Betracht kommen, wenn die in den Jahren 1970 und 1971 an die Klägerin geleisteten Beträge keine Vorschüsse, sondern Darlehen gewesen wären. Dies ist aber unstreitig nicht der Fall.
2. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg einwenden, daß das FA nicht ihrem "Antrag" entsprochen habe, den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln zu dürfen.
Selbständig tätige Künstler können in der Regel ohne Zustimmung des FA selbst bestimmen, ob sie den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Das Recht, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG zu wählen, übt der Steuerpflichtige mit der Einrichtung oder Nichteinrichtung der erforderlichen Buchführung aus; an die getroffene Wahl ist er gebunden. Hat er keine Eröffnungsbilanz aufgestellt und keine den Stand des Vermögens bereits während des laufenden Jahres darstellende Buchführung eingerichtet, sondern nur die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgezeichnet, so hat er sich aufgrund der von ihm gewählten Gestaltung für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG entschieden; sein späteres Verlangen, der Besteuerung einen nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermittelnden Gewinn zugrunde zu legen, ist eine unzulässige nachträgliche Änderung der Gewinnermittlungsart (BFH-Urteil vom 2. März 1978 IV R 45/73, BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431).
Die Klägerin hat im Streitfall Aufzeichnungen vorgenommen, die für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausreichen, nicht jedoch für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG. Sie ist deshalb für die Jahre 1970 und 1971 an die von ihr selbst gewählte Gewinnermittlungsart gebunden. Das FG hat daher zu Recht die Besteuerung der Veranlagungszeiträume 1970 und 1971 nach dem nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Gewinn durchgeführt.
3. Auch die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge ist nicht begründet.
Das FG hat die Grundsätze des rechtlichen Gehörs nicht dadurch verletzt, daß es dem Begehren der Klägerin, die Einkommensteuer für die Jahre 1970 und 1971 entsprechend einem nach den Vorschriften des § 4 Abs. 1 EStG zu ermittelnden Gewinn festzusetzen, nicht stattgegeben hat. Die Klägerin hatte ausreichend Gelegenheit, sich zur Sache und Rechtslage zu äußern. Das FG hat in den Urteilsgründen ausgeführt, daß für die Einkommensteuerfestsetzung 1970 und 1971 von einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und nicht nach § 4 Abs. 1 EStG auszugehen sei. Diese rechtliche Würdigung des Streitfalls ist - wie dargestellt - rechtsfehlerfrei. In der Nichtberücksichtigung des Begehrens der Klägerin kann keine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gesehen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 74333 |
BStBl II 1982, 593 |
BFHE 1983, 94 |