Leitsatz (amtlich)
1. Bestimmende Schriftsätze bedürfen zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich der eigenhändigen Unterschrift ihres Verfassers; ein Faksimilestempel erfüllt nicht das Erfordernis der Schriftform.
2. Der Schriftform ist aber ausnahmsweise dann genügt, wenn zwar nicht der bestimmende Schriftsatz selbst, wohl aber ein mit diesem zusammen eingereichtes Schriftstück die eigenhändige Unterschrift des Verfassers des bestimmenden Schriftsatzes trägt und daraus geschlossen werden kann, daß der bestimmende Schriftsatz mit Wissen und Willen des Verfassers eingereicht worden ist.
2. Das Fehlen der eigenhändigen Unterschrift kann nach Ablauf der für den bestimmenden Schriftsatz in Betracht kommenden Frist nicht geheilt werden.
Normenkette
FGO § 64 Abs. 1, §§ 65, 77 Abs. 1, § 155; ZPO § 130 Nr. 6, § 253 Abs. 4
Tatbestand
Durch Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 1966 wies das FA den Einspruch der Steuerpflichtigen (Revisionsklägerin) in ihrer Vermögensteuersache als unbegründet zurück. Am 15. Februar 1966 ging beim FG ein auf einem Kopfbogen des Prozeßbevollmächtigten der Steuerpflichtigen mit Schreibmaschine gefertigtes Schreiben ein, das als Klage der Steuerpflichtigen gegen das FA überschrieben war, als Streitgegenstand die Erhebung von Vermögensteuer aufgrund der näher angeführten Vermögensteuerveranlagungen und die angefochtenen Vermögensteuerbescheide bezeichnete sowie einen bestimmten Klageantrag enthielt. Das Schreiben schloß mit dem Hinweis, daß eine ausführliche Begründung der Klage sowie eine Vollmacht bis zum 20. März 1966 nachgereicht würden. Das Schreiben war unterstempelt mit "Wirtschaftsprüfer Dr. X" und enthielt an Stelle einer eigenhändigen handschriftlich gefertigten Unterschrift den Namenszug des Genannten als Faksimilestempelabdruck. Am 18. März 1966 gingen beim FG die nachzureichenden Unterlagen ein; der Schriftsatz mit dem Datum vom 19. März 1966 war mit dem Bürostempelabdruck und der handschriftlich gefertigten Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten versehen.
Mit Verfügung vom 5. März 1968 wies der Berichterstatter des Senats des FG den Prozeßbevollmächtigten darauf hin, daß die Klageschrift vom 14. Februar 1966 nicht handschriftlich unterschrieben sei; sie trage an Stelle einer Unterschrift nur einen Stempelaufdruck. Die erste handschriftliche Unterzeichnung finde sich auf dem Schriftsatz vom 19. März 1966. In diesem Zeitpunkt dürfte aber die Frist für die Erhebung der Klage abgelaufen sein, so daß sich diese Unterschrift gegebenenfalls nicht mehr heilend auf den Mangel der Schriftform in der Klageschrift auswirken könne, wenn er der Ansicht des Senats nach gegeben sein würde. Dem Prozeßbevollmächtigten werde anheimgegeben, sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu der aufgeworfenen Frage der mangelnden Unterschrift und ihrer Auswirkung auf die Zulässigkeit der Klage zu äußern. Der Prozeßbevollmächtigte erwiderte, die Klageschrift vom 14. Februar 1966 sei wegen seiner Abwesenheit vom Büro von seiner Sekretärin in seinem Auftrag mit dem Faksimilestempel an Stelle einer Unterschrift versehen worden. Aus der Klageschrift ergebe sich aber eindeutig die Bezeichnung des Klägers, die Bezeichnung des inländischen Beauftragten und Prozeßbevollmächtigten und die genaue Bezeichnung des Rechtsmittels. Die Begründung des Rechtsmittels, die am 19. März 1966 nachgereicht worden sei, sei von ihm dann persönlich unterschrieben worden. Daraus ergebe sich, daß die Klage ernstlich gewollt gewesen sei. Seiner Meinung nach sei die Klage fristgerecht und ordnungsgemäß erhoben worden.
Das FG verwarf - durch Vorbescheid - die Klage als unzulässig. Nach eingehender Darstellung und Würdigung der Rechtsprechung der anderen Gerichtsbarkeiten, insbesondere der Zivilgerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit, zur Frage der Notwendigkeit einer eigenhändigen und handschriftlichen Unterschrift bei einer Klage und nach Auseinandersetzung mit dem Schrifttum kam das FG über § 155 FGO zu dem Ergebnis, daß die Vorschriften der §§ 253 Abs. 4 und 130 Nr. 6 ZPO auch für die Klage im finanzgerichtlichen Verfahren zu gelten hätten. Hiernach sei es ein zwingendes Formerfordernis, daß die Klageschrift handschriftlich und eigenhändig zu unterschreiben sei. Wenn dies aber der Fall sei, dann könne die Unterschrift nicht nach Ablauf der Klagefrist nachgeholt werden. Das FG folge hierbei den Ausführungen des BVerwG (NJW 1962, 555). Da im Streitfall die Klage nicht eigenhändig und handschriftlich unterschrieben und innerhalb der Frist zur Erhebung der Klage kein Schriftsatz eingegangen sei, der eine eigenhändige und handschriftliche Unterschrift trage, habe die Klage als unzulässig verworfen werden müssen.
Gegen den Vorbescheid ist ohne Antrag auf mündliche Verhandlung unmittelbar Revision eingelegt worden. Die Revisionsklägerin hat beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und festzustellen, daß die Klage wegen der Geltendmachung der Vermögensteuer für das Jahr 1959 erhoben worden sei, das FG also verpflichtet gewesen sei, zur Sache zu entscheiden. Der Prozeßbevollmächtigte der Revisionsklägerin trägt vor, die Klageschrift sei in seinem Auftrag von seiner Sekretärin mit seinem Faksimilestempel versehen worden. Er habe als Wirtschaftsprüfer häufig für längere Zeit bei seinen auswärtigen Mandanten zu tun; die Post, die er auf Diktiergeräte diktiere, werde in der Zeit seiner Abwesenheit geschrieben. Eilige Fälle würden an Stelle seiner handschriftlichen Unterzeichnung mit dem Unterschriftsstempel versehen. Dies sei ein Verfahren, das allgemein anerkannt sei. Sogar im Verkehr mit den Banken gelte die faksimilierte Unterschrift als eigenhändige Unterschrift. Zu der Zeit, als die Klageschrift eingreicht worden sei, habe er sich auf einer beruflichen Reise in Spanien befunden. Durch den Aufdruck seines Unterschriftsstempels sei seine handschriftliche Unterzeichnung ersetzt worden. Nach den bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Vorschriften der AO a. F. habe jede Form der schriftlichen Begründung genügt, wenn daraus erkenntlich gewesen sei, wer die Klage erheben wollte. Es dürfe nicht vergessen werden, daß die FGO am 1. Januar 1966 in Kraft getreten, seine Klage aber bereits am 14. Februar 1966 eingereicht worden sei. Zu dieser Zeit habe ein Kommentar zur FGO noch nicht vorgelegen. Wenn das Gericht Zweifel an der Form gehabt habe, hätte es gerade für die Übergangszeit die notwendigen Schritte unternehmen müssen, um eine formgerechte Klageschrift zu erhalten. Eine Rückfrage bei ihm hätte genügt, und er hätte dann das Fehlende richtiggestellt. Im übrigen vertrete der Prozeßbevollmächtigte die Ansicht, daß aus der Klageschrift und dem Klageantrag eindeutig hervorgehe, wer der Kläger sei und daß er die Klägerin vertrete. Der Faksimilestempel sei verwendet worden, weil er die Fertigstellung des Schriftsatzes nicht mehr habe abwarten können. Im vorliegenden Fall sei die Situation noch besonders erschwert gewesen, weil die Klägerin ihren Sitz in England habe. Der maßgebliche Bearbeiter bei der Klägerin sei sehr viel auf Reisen. Die Anweisung der Klägerin, die Klage durchzuführen, sei zeitlich so knapp bei ihm angekommen, daß er gerade noch vor seiner Abreise Zeit gefunden habe, die Klageschrift zu diktieren.
Das FA (Revisionsbeklagter) hat beantragt, die Revision gegen den Vorbescheid des FG zurückzuweisen. Das FG habe die Klage mit Recht als unzulässig abgewiesen, weil die Klageschrift vom Vertreter der Klägerin nicht eigenhändig unterzeichnet worden sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist im Ergebnis nicht begründet.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 64 Abs. 1 FGO die Klage bei dem Gericht schriftlich zu erheben ist, sofern sie nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben wird, was nur bei Klagen, die beim FG zu erheben sind, zulässig ist. Die schriftliche Erhebung der Klage geschieht durch Einreichung der Klageschrift. Die Klageschrift gehört ebenso wie die Revisionsschrift und die Beschwerdeschrift zu den sogenannten bestimmenden Schriftsätzen, denen gemeinsam ist, daß sie ein gerichtliches Verfahren oder einen besonderen Verfahrensabschnitt einleiten, während die sogenannten vorbereitenden Schriftsätze des § 77 Abs. 1 FGO der Vorbereitung der Verhandlung dienen. Während im Zivilprozeßrecht die vorbereitenden Schriftsätze nur mit der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten bzw. der Partei versehen sein sollen (vgl. § 130 Nr. 6 ZPO), verlangen die zivilprozessuale Praxis und die überwiegende Meinung im Schrifttum, daß trotz § 253 Abs. 4 ZPO die bestimmenden Schriftsätze eigenhändig unterschrieben sein müssen, so daß ein Faksimilestempel dem Erfordernis der Schriftlichkeit nicht genügt. Diese Auffassung geht zurück auf den Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen des Reichsgerichts Gr. S. Z. 2/36 - V 62/35 vom 15. Mai 1936 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 151 S. 82 ff.), den auch der Bundesgerichtshof (BGH) mindestens im Ergebnis für zutreffend hält (vgl. Beschluß des BGH V ZB 31/54 vom 14. Dezember 1954 - zitiert bei Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 518 Abs. 1 ZPO Nr. 3 - sowie dort angeführte Literatur). Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Beschluß des Großen Zivilsenats des Reichsgerichts die eigenhändige Unterschrift unter bestimmenden Schriftsätzen als "Muß"-Erfordernis ausdrücklich nur in Anwaltsprozessen festgelegt hat und auch der Beschluß des BGH vom 14. Dezember 1954, a. a. O., nur von Berufungs- oder Revisionsschriften handelt, die also ebenfalls nur in Anwaltsprozessen in Betracht kommen können. Im Hinblick darauf, daß de lege lata der Steuerprozeß keinen Anwaltszwang kennt, erscheint es bedenklich, über § 155 FGO insoweit die Vorschriften der ZPO (§§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 6) sinngemäß anzuwenden und die gefestigte Rechtsprechung des Reichsgerichts und des BGH über das "Muß"-Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift bei bestimmenden Schriftsätzen im Zivilprozeß uneingeschränkt zu übernehmen. Denn § 155 FGO schreibt die sinngemäße Anwendung der ZPO nur vor, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen. Der Senat vermag der Vorentscheidung auch insoweit nicht zuzustimmen, als in ihr gesagt wird, daß die Klageschrift als solche "als einheitliches und gleichartiges Instrument zur Eröffnung eines Rechtswegs grundsätzlich für alle Gerichtszweige nicht unterschiedlich zu beurteilen" sei; denn gerade in der Frage der eigenhändigen Unterschrift einer Klageschrift weicht die Sozialgerichtsbarkeit mit guten Gründen von der Praxis der Zivilgerichte ab. Das Bundessozialgericht (BSG) hat unter Hinweis auf den Wortlaut des § 92 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), wonach die Klage von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person unterzeichnet sein "soll", gefolgert, daß an die Formerfordernisse einer Klage im Sozialgerichtsverfahren nicht die gleichen Anforderungen zu stellen seien wie an eine Rechtsmittelschrift, bei der auch das BSG eigenhändige Unterschrift fordert (vgl. Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bd. 19 S. 191 ff. [194 f.], BSG-Urteil vom 15. Juli 1965, wiedergegeben in Monatsschrift für Deutsches Recht 1966 S. 90 Nr. 92). Der Senat hält eine einheitliche Beurteilung dieser Frage in allen Gerichtszweigen daher nicht für möglich. Er ist mit dem BVerfG (vgl. Beschluß 1 BvR 610/62 vom 19. Februar 1963, BVerfGE 15, 288 [291 f.]) vielmehr der Meinung, daß allein entscheidend ist, welcher Grad von Formstrenge nach den maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorschriften sinnvoll zu fordern ist. Das BVerfG, a. a. O., interpretierte § 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG, wonach Anträge, die das Verfahren einleiten, schriftlich beim BVerfG einzureichen sind, dahin, die geforderte Schriftlichkeit verlange nur, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. In dem vom BVerfG entschiedenen Fall, der auch keinem Anwaltszwang unterlag, ließ es die Verfassungsbeschwerde zu, obgleich die Verfassungsbeschwerde selbst nicht handschriftlich unterzeichnet war, wohl aber aus dem handschriftlich geschriebenen und unterschriebenen Begleitschreiben hinreichend zuverlässig entnommen werden konnte, wer der Urheber der Verfassungsbeschwerde war. Die handschriftliche Unterzeichnung sei nicht unbedingt notwendig gewesen; der Zusammenhang zwischen dem Begleitschreiben und seiner Anlage habe von Anfang an zweifelsfrei ergeben, von wem die Verfassungsbeschwerde herrührte und welchen gesetzlich geforderten Inhalt sie haben sollte.
Die Rechtsprechung des BVerwG (vgl. BVerwGE 2, 190 und 13, 141) zu § 81 Abs. 1 VwGO, der mit § 64 Abs. 1 FGO wörtlich übereinstimmt, verlangt grundsätzlich, daß ein bestimmender Schriftsatz zu seiner Wirksamkeit der eigenhändigen Unterschrift des den Schriftsatz Einreichenden bedarf. Auch diese Entscheidungen beruhen auf der Erwägung, daß nur so mit hinreichender Sicherheit gewährleistet ist, daß der bestimmende Schriftsatz von dem Kläger oder seinem Prozeßbevollmächtigten stammt, mit seinem Wissen und Willen bei Gericht eingegangen ist und nicht etwa nur einen bloßen Entwurf darstellt. Die Rechtsprechung des BVerwG hat jedoch gewisse Ausnahmen von dem Grundsatz eigenhändiger Unterschrift bei bestimmenden Schriftsätzen zugelassen. Allen diesen Ausnahmen ist gemeinsam, daß der Schluß, der bestimmende Schriftsatz sei mit Wissen und Willen seines Verfassers bei Gericht eingegangen und stelle nicht etwa nur einen Entwurf dar, sich entweder aus dem bestimmenden Schriftsatz selbst oder doch jedenfalls aus anderen dem bestimmenden Schriftsatz beiliegenden Schriftstücken ergab, ein Kriterium, das auch für das BVerfG, a. a. O., im dortigen Fall entscheidend war. Im Beschluß IV B 140/65 vom 14. Februar 1966 (HFR 1966, 331) hat das BVerfG zum Ausdruck gebracht, daß beim Fehlen des besonderen Moments, das die Ausnahmefälle charakterisiert und das ihre Gleichbehandlung mit dem Fall eigenhändiger Unterschrift rechtfertigt, ein bestimmender Schriftsatz nicht als wirksam anerkannt werden kann.
Ein anderer Inhalt kann nach Ansicht des Senats auch dem § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO im Wege der Auslegung nicht gegeben werden, wobei andererseits nicht verkannt werden darf, daß die Neuregelung durch die FGO erheblich von der früheren Regelung in § 249 Abs. 1 AO a. F. abweicht. Das Erfordernis der Schriftform in § 64 Abs. 1 Satz 1 FGO verlangt grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift der Klage durch den Prozeßbevollmächtigten oder den Prozeßbeteiligten selbst. Das Fehlen der eigenhändigen Unterschrift, insbesondere der Abdruck eines Faksimilestempels an Stelle der Unterschrift, macht aber die Klageerhebung dann nicht unwirksam, wenn aus der Klageschrift selbst oder aus dieser beigefügten und eigenhändig unterschriebenen Schriftstücken - wie etwa aus einer gesondert geschriebenen und eigenhändig unterschriebenen, aber mit der Klageschrift zusammen eingereichten Klagebegründung oder aus einem gleichzeitig eingereichten und eigenhändig unterschriebenen Antrag auf Aussetzung gemäß § 69 Abs. 3 FGO - zweifelsfrei geschlossen werden kann, daß die Klageschrift mit Wissen und Willen des Klägers oder dessen Prozeßbevollmächtigten eingereicht worden ist. Diese Zweifelsfreiheit muß sich aber unmittelbar aus den eingereichten Schriftstücken selbst ergeben, um die Klageerhebung wirksam werden zu lassen, denn nur dann kann das Erfordernis der Schriftlichkeit auch bei nicht so enger Auslegung wie im Zivilprozeß als erfüllt angesehen werden. Nachträgliche Erklärungen und nachträgliche Beweisangebote dafür, daß die Klageschrift mit Wissen und Willen seines Verfassers bei Gericht eingereicht worden sei, vermögen die Unwirksamkeit der Klageerhebung wegen fehlender eigenhändiger Unterschrift nicht zu heilen.
Im Streitfall lassen weder die Verwendung eines Kopfbogens des Prozeßbevollmächtigten noch dessen Bürostempel noch dessen Faksimilestempel zweifelsfrei erkennen, daß die Klage wirklich mit Wissen und Willen des Prozeßbevollmächtigten erhoben worden ist. Jedenfalls können Zweifel an der Urheberschaft nicht aus dem Schriftstück selbst ausgeschlossen werden, sondern nur durch entsprechende Rückfragen oder spätere Erläuterungen und Erklärungen, zumal andere Begleitschriftstücke, die eine eigenhändige Unterschrift tragen, nicht gleichzeitig mit der Klageschrift eingereicht wurden. Gerade die nachträglichen Ausführungen des Prozeßbevollmächtigten, er sei beruflich in Spanien gewesen und habe daher die Unterschrift nicht vollziehen können, so daß seine Sekretärin, um die Klagefrist nicht zu versäumen, den Faksimilestempel habe benutzen müssen, lassen die Gefährlichkeit solcher Handhabung für den Rechtsverkehr und insbesondere auch für den Prozeßverkehr erkennen. Denn aus dem eingereichten Schriftsatz läßt sich nicht entnehmen, ob der Faksimilestempel im Auftrag des Prozeßbevollmächtigten benutzt wurde oder nicht; auf diese Weise wäre mißbräuchlicher Benutzung der Stempel durch Unbefugte, auch durch unbefugte Kanzleiangestellte eines Prozeßbevollmächtigten, weitgehend Raum gegeben. Um dies zu vermeiden, verlangt die Rechtsprechung grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift des den Schriftsatz Einreichenden. Die erst nach Ablauf der Klagefrist eingereichte Klagebegründung, die die eigenhändige Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten trägt, konnte die Unwirksamkeit der Klageerhebung nicht mehr heilen. Das FG hat daher im Ergebnis zu Recht die Klage als nichtwirksam erhoben behandelt. Zu der vom Prozeßbevollmächtigten der Revisionsklägerin aufgeworfenen Frage, warum eine telegrafische Klageerhebung allemein als wirksam anerkannt werde, obwohl auch dort meist keine eigenhändige Unterschrift vorliege, ist darauf hinzuweisen, daß die Zulassung telegrafischer Rechtsmitteleinlegung vom BGH seit langem als gewohnheitsrechtliche Fortbildung der einschlägigen Vorschriften der ZPO angesehen wird (vgl. Urteil des BGH VII ZR 223/56 vom 27. Mai 1957, Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Zivilsachen Bd. 24 S. 297 [299 f.]), die auch bereits im steuerlichen Verfahrensrecht Eingang gefunden hat (vgl. § 249 Abs. 1 Satz 3 AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung). Im übrigen braucht zu dieser Frage nicht weiter Stellung genommen zu werden, weil im Streitfall die Klageerhebung nicht telegrafisch erfolgt war.
Daß eine fehlende eigenhändige Unterschrift innerhalb der Klagefrist wirksam nachgeholt werden kann, steht außer Zweifel und wird allgemein anerkannt. Anders dagegen verhält es sich mit der Frage, ob die Unterzeichnung der Klageschrift binnen einer vom Vorsitzenden des Gerichts zu setzenden Frist nachgeholt werden darf. Das BVerwG hat diese Frage verneint (vgl. Beschluß des BVerwG vom 27. Oktober 1961 in BVerwGE 13, 141, und vom 14. Februar 1966 in HFR 1966, 331), weil eine Fristsetzung zur Behebung von Mängeln der Klageschrift (§ 82 Abs. 2 VwGO) nur zur Nachholung der in § 82 Abs. 1 VwGO bezeichneten Angaben in Betracht kommt, die eigenhändige Unterschrift zu den in § 82 Abs. 1 VwGO genannten Erfordernissen jedoch nicht zählt. Das BVerwG hat dies schon aus dem Wortlaut des § 82 Abs. 2 VwGO geschlossen und es mit Rücksicht auf den eindeutigen Wortlaut für unmöglich gehalten, § 82 Abs. 2 VwGO auch auf andere Mängel der Klageschrift, etwa auf Mängel der Schriftform, auszudehnen. § 82 VwGO stimmt im wesentlichen mit § 65 FGO überein. § 65 Abs. 2 FGO sieht die Möglichkeit einer Ergänzung der Klageschrift vor, sofern sie nicht den Anforderungen des § 65 Abs. 1 FGO entspricht; ist dies der Fall, so hat der Gerichtsvorsitzende unter Fristbestimmung zur Ergänzung aufzufordern. Auch nach Ansicht des erkennenden Senats sind die Fälle, in denen der Vorsitzende die Möglichkeit und die Pflicht hat, eine den gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich des Inhalts nicht entsprechende Klageschrift unter Fristsetzung ergänzen zu lassen, auf die in § 65 Abs. 2 FGO angesprochenen Fälle beschränkt; nur wenn die Klageschrift "diesen Anforderungen", das sind die in § 65 Abs. 1 FGO aufgeführten Muß- und Soll-Erfordernisse des Inhalts der Klageschrift, nicht in vollem Umfange entspricht, es sich also um die dort angeführten Angaben handelt, hat der Vorsitzende zur erforderlichen Ergänzung unter Fristsetzung aufzufordern. Das Fehlen der eigenhändigen Unterschrift gehört nicht zu diesen nachträglich, d. h. nach Ablauf der Klagefrist, heilbaren Mängeln des Inhalts der Klageschrift. Durch die eigenhändige Unterschrift bzw. durch eine der oben erörterten ihr ausnahmsweise gleichzuachtenden Ersatzhandlungen wird vielmehr das Schriftstück überhaupt erst zur rechtswirksamen Klageschrift, die geeignet ist, ein gerichtliches Verfahren in Gang zu setzen. Ist dieses Formerfordernis bis zum Ablauf der Klagefrist nicht erfüllt, so ist - wie bereits dargetan - keine rechtswirksame Klage erhoben (vgl. auch v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Rdnr. 3 zu § 64 FGO, und die dort angeführte Literatur). Deshalb kann allenfalls eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht gezogen, nicht aber zur Nachholung der eigenhändigen Unterschrift unter Fristsetzung aufgefordert werden. Der Senat tritt insoweit der Rechtsprechung des BVerwG bei. Kann aber eine Aufforderung des Gerichtsvorsitzenden zur Nachholung der Unterschrift nicht ergehen, dann ist der Umstand, daß auch im Streitfall eine solche Aufforderung des Gerichts nicht ergangen ist, nicht geeignet, Gegenstand einer begründeten Revisionsrüge zu sein. Wollte etwa der Prozeßbevollmächtigte der Revisionsklägerin mit seinen Ausführungen in der Revisionsschrift eine Verfahrensrüge des Inhalts geltend machen, das FG hätte ihm die Notwendigkeit einer eigenhändigen Unterschrift mitteilen und ihn zur Nachholung der Unterschrift veranlassen müssen, dann kann er mit dieser Rüge aus den genannten Gründen nicht gehört werden. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte der Revisionsklägerin nicht gewährt werden, da der Prozeßbevollmächtigte nicht ohne Verschulden verhindert war, innerhalb der Klagefrist rechtswirksam Klage zu erheben. Die Nichtkenntnis oder Nichtbeachtung der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen Vorschriften der FGO geht zu seinen Lasten; ein Irrtum über die Notwendigkeit der eigenhändigen Unterschrift wäre ein Rechtsirrtum, der keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellt. Ebensowenig kann in der beruflich bedingten Spanienreise des Prozeßbevollmächtigten oder in der etwas sehr späten Mandatserteilung ein Wiederseinsetzungsgrund erblickt werden. Jeder Prozeßvertreter muß Vorsorge treffen, daß auch in Fällen seiner Abwesenheit Fristen eingehalten und formbedürftige bestimmende Schriftsätze den gesetzlichen Vorschriften entsprechend gefertigt und eingereicht werden. Das FG hat daher mit Recht die Klage als unzulässig verworfen.
Fundstellen
Haufe-Index 68843 |
BStBl II 1970, 89 |
BFHE 1970, 226 |