Leitsatz (amtlich)
1. Miet- und Pachtzinsen werden dann für die Benutzung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gezahlt, wenn die Wirtschaftsgüter für den Fall, daß sie im Eigentum des Mieters oder Pächters stünden, dessen Anlagevermögen zuzurechnen wären.
2. Der Zuordnung zum Anlagevermögen steht nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige Wirtschaftsgüter fortlaufend kurzfristig mietet und weitervermietet, und diese nach Beendigung der Untervermietung wieder an den Eigentümer zurückgelangen.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 7
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Hinzurechnung von Mietzinsen zum Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 8 Nr. 7 GewStG).
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsbeklagten - einer GmbH - war in den Streitjahren 1964 bis 1966 u. a. die Vermietung von Containern. Die Container wurden zum Zwecke der Verschiffung von inländischen Industrieerzeugnissen, vor allem Personenkraftwagen, nach überseeischen Häfen vermietet, und zwar entweder unmittelbar an die Produzenten oder an Spediteure. Die Klägerin verfügt nicht über einen eigenen Bestand von Containern. Sie mietete die Container in den Streitjahren zunächst (bis Ende 1964) von der Firma X, Liechtenstein, einer Schwesterfirma, und ab 1965 von der Firma N Inc., USA, die sämtliche Geschäftsanteile der Klägerin hält. Die Container wurden jeweils bei Bedarf angemietet. Insgesamt umfaßte der Containerbestand der Vermieterfirmen etwa 16 000 Stück. Davon konnte die Klägerin auf diejenigen Container zurückgreifen, die sich jeweils im europäischen Bereich befanden. Die Mietzeit betrug in jedem einzelnen Fall durchschnittlich etwa einen Monat; für den gleichen Zeitraum wurden die Container jeweils an die Kunden der Klägerin weitervermietet. Da die Klägerin die Container nur anmieten konnte, soweit sie sich in greifbarer Nähe befanden, die Container jedoch ständig in der ganzen Welt umliefen, bekam sie nicht immer dieselben, sondern in der Regel andere Container.
Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) rechnete in den Gewerbesteuerbescheiden für die Streitjahre unter Bezugnahme auf § 8 Nr. 7 GewStG die Hälfte der von der Klägerin gezahlten Mietzinsen den erklärten gewerblichen Gewinnen hinzu.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, die Container seien im Rahmen ihres Unternehmens keine Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, sondern des Umlaufvermögens. Außerdem "benutze" sie die Container nicht, sondern nutze sie nur durch Untervermietung. Eine Hinzurechnung würde im übrigen den wirtschaftlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht gerecht. Die von ihr gezahlten Mietzinsen seien nämlich so kalkuliert, daß für die Vermieterfirmen kein Gewinn verbleibe. Sie erziele daher einen ähnlich hohen Gewerbeertrag wie ein Eigentümer derartiger Container. Bei den Vermieterfirmen würden lediglich die anfallenden Kosten gedeckt. Durch die Hinzurechnung würde sie schlechter gestellt als Konkurrenzunternehmen, die mit eigenen Containern arbeiteten. Die Hinzurechnung führe zu einer gewerbesteuerlichen Doppelbelastung, weil die Steuer einmal auf den Mietertrag, zum anderen auf den ihr an die Vermieterfirmen geleisteten Mietaufwand erhoben werde. Schließlich verstoße § 8 Nr. 7 GewStG gegen Art. 3 GG.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG ging davon aus, daß die angemieteten Container keine Wirtschaftsgüter des Anlage-, sondern solche des Umlaufvermögens seien.
Mit seiner Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 8 Nr. 7 GewStG. Es ist der Ansicht, daß die Container als Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens anzusehen seien.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen oder das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Die Klägerin führt ergänzend aus, dem FA sei bei der Neuberechnung der Gewerbesteuer für 1965 und 1966 ein Fehler unterlaufen. Das FA habe übersehen, daß der einheitliche Steuermeßbetrag jeweils mit verschiedenen Hebesätzen zu multiplizieren sei.
Das FA bantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur Überprüfung der von der Klägerin gegen die Steuerberechnung erhobenen Einwände an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG.
Nach § 8 Nr. 7 GewStG ist dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der Mietzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzuzurechnen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall - abweichend von der Ansicht des FG - erfüllt.
1. Das FG hat zu Recht ausgeführt, daß die von der Klägerin gezahlten Entgelte für die Überlassung der Container als Mietzinsen im Sinne des § 8 Nr. 7 GewStG anzusehen seien. Die Klägerin selbst bestreitet nicht, daß ihr die Container im Streitfall bürgerlich-rechtlich aufgrund eines Mietvertrags überlassen worden seien. Ihr Einwand, daß sie gleichwohl wirtschaftlich als Generalagentin oder Kommissionärin der Vermieterunternehmen gehandelt habe, da diese die Bedingungen, zu denen sie die Wirtschaftsgüter erhalten und weitergegeben habe, bestimmt hätten, geht fehl. Denn nach der Rechtsprechung des BFH sind die in § 8 Nr. 7 GewStG verwendeten Begriffe Miete und Pacht im Sinne des bürgerlichen Rechts auszulegen (vgl. z. B. BFH-Urteil I 174/60 S vom 17. Februar 1965, BFH 81, 641, BStBl III 1965, 230).
2. Das FG hat seine Ansicht, die Container gehörten zum Umlaufvermögen, damit begründet, daß diese dem Betrieb nach der Art und Weise des Geschäftsbetriebs jeweils nur für kurze Zeit - nämlich regelmäßig nur auf einen Monat - dienten. Während der übrigen Zeit dienten sie dem Betrieb der Muttergesellschaft bzw. deren Zweigniederlassungen in aller Welt. Das gelte sowohl, wenn man auf den einzelnen Container, als auch, wenn man auf den der Klägerin zur Verfügung stehenden Bestand an Containern abstelle, Ähnlich wie bei Waren, die angekauft und nach kurzer Zeit wieder verkauft würden, sei hier für den einzelnen Container ein Mietverhältnis begründet und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst worden. Hätte die Klägerin mit eigenen Containern in vergleichbarer Weise gearbeitet, hätte sie also die Container zum Zweck einer einmaligen Vermietung angekauft und sogleich nach Ende der Vermietung wieder veräußert, so wären die Container ebenfalls nicht auf Dauer, sondern nur für einen vorübergehenden einmaligen Zweck dem Betrieb der Klägerin zu dienen bestimmt und dem Umlaufvermögen zuzurechnen gewesen.
Dieser Beurteilung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Grundlage für die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG ist die Vermietung oder die Verpachtung von Wirtschaftsgütern, die "im Eigentum eines anderen" stehen. Wenn das Gesetz von "Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens" spricht, so kann dies - bezogen auf den Mieter oder Pächter - nur im übertragenen Sinne verstanden werden. Denn bei wörtlichem Bezug auf den Betrieb des Mieters oder Pächters ergäbe sich, daß die Wirtschaftsgüter, da sie einem anderen gehören, regelmäßig nicht zum Vermögen und daher auch nicht zum Anlagevermögen des Mieters oder Pächters zu rechnen wären. Es ist daher bei der Anwendung des § 8 Nr. 7 GewStG - entsprechend dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer - zu fragen, ob das Wirtschaftsgut zum Anlagevermögen gehören würde, wenn der Steuerpflichtige nicht Mieter oder Pächter, sondern Eigentümer dieser Wirtschaftsgüter wäre. Diese Fiktion muß sich jedoch soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren. Sie darf nicht weiter reichen, als es die Vorstellung eines das Mietoder Pachtverhältnis ersetzenden Eigentums gebietet.
Wenn das FG die Klägerin mit einem Eigentümer vergleicht, der Container lediglich zur Vermietung ankauft und nach Ablauf des Mietverhältnisses wieder verkauft, so trifft dieser Vergleich nicht den Kern der Sache. Die Steuerpflichtige betreibt die Vermietung von Containern. Diese Tätigkeit läßt sich, das Eigentum der Klägerin an den Containern unterstellt, wirtschaftlich sinnvoll nur ausüben, wenn das Eigentum an den Containern langfristig erworben und durch weltweite Auslandsbeziehungen sichergestellt wird, daß die Container wieder an den Eigentümer zurückgelangen, ähnlich wie auch im vorliegenden Fall das Eigentum an den Containern durch deren Bewegung in und außerhalb Europas nicht verlorengegangen, sondern in den Händen der mit der Klägerin verbundenen Gesellschafter erhalten geblieben ist. Dem Vorstellungsbild des FG von einem Eigentümer, der kurzfristig Container ankauft und wieder verkauft, liegt eine Sachverhaltsfiktion zugrunde, die in den betrieblichen Verhältnissen der das Vermietergeschäft betreibenden Klägerin keine Stütze findet und durch § 8 Nr. 7 GewStG nicht gedeckt ist.
Bei dieser Betrachtungsweise sind die Container als Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens anzusehen. Was als Anlagevermögen im Sinne des § 8 Nr. 7 GewStG gilt, ist nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts zu bestimmen (vgl. Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 8 Ziff. 7 Anm. 5). Das EStG bestimmt zwar, soweit es die Begriffe Anlage- und Umlaufvermögen verwendet (insbesondere vgl. § 4 Abs. 1., § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 und Abs. 2 EStG), nicht, was diese inhaltlich bedeuten. Dagegen sind nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AktG 1965 - übereinstimmend mit § 131 Abs. 4 Satz 1 AktG 1937 - beim Anlagevermögen nur diejenigen Gegenstände auszuweisen, die am Abschlußstichtag bestimmt sind, dauernd dem Betrieb zu dienen. Für den Inhalt des im Gesetz nirgends erläuterten Umlaufvermögens ergibt sich daraus umgekehrt, daß zum Umlaufvermögen im wesentlichen diejenigen Vermögensgegenstände gehören, die zum Verbrauch und zur Weiterveräußerung bestimmt sind. Diese Abgrenzung gilt auch für das Einkommensteuerrecht (Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 14. Aufl., § 4 Anm. 24; vgl. zu § 30 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - Mehrwertsteuer - 1967 Urteil des BFH V R 49/70 vom 1. Oktober 1970, BFH 100, 272, BStBl II 1971, 34; vgl. ferner BFH-Urteil V R 47/71 vom 13. Januar 1972, BFH 106, 142, BStBl II 1972, 744). Aus diesen Kriterien ergibt sich im Streitfall die Zuordnung der Container zum Anlagevermögen.
3. Der Senat vermag der Klägerin nicht darin zu folgen, daß sie den Mietzins nicht für die "Benutzung" der angemieteten Gegenstände gezahlt habe. Die Klägerin geht bei dieser Rechtsansicht von § 100 BGB aus, wo innerhalb des Oberbegriffs "Nutzungen" zwischen den Früchten einer Sache oder eines Rechts einerseits und den Vorteilen, die der Gebrauch einer Sache gewährt, andererseits unterschieden wird. Benutzung im Sinne des § 8 Nr. 7 GewStG, so meint die Klägerin, umfasse nur den Gebrauch einer Sache. Dabei übersieht die Klägerin einmal, daß die Begriffe "Gebrauch" (§ 100 BGB) und "Benutzung" (§ 8 Nr. 7 GewStG) nicht identisch sind, und zum anderen, daß § 8 Nr. 7 GewStG ausdrücklich von Miet- und Pachtzinsen spricht, die Pacht (§ 581 BGB) aber im Gegensatz zur Miete (§ 535 BGB) nicht nur den Gebrauch, sondern auch die Nutzung eines Gegenstandes umfaßt. Für eine Beschränkung der Hinzurechnung auf die Fälle des bloßen Gebrauchs einer Sache wären auch einleuchtende Gründe nicht zu erkennen.
4. Sind die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 7 GewStG erfüllt, so braucht nicht weiter untersucht zu werden, ob im einzelnen Fall der durch diese Vorschrift u. a. erstrebte Belastungsausgleich zwischen mehreren Gemeinden erreicht werden kann. Dieser Zweck ist nicht Bestandteil des gesetzlichen Tatbestandes. Ebenfalls braucht nicht entschieden zu werden, ob - gemessen an der Kalkulation des Miet- oder Pachtzinses im einzelnen Fall - die Hinzurechnung gerade der Hälfte der Miet- oder Pachtzinsen gerechtfertigt ist.
5. Schließlich ist § 8 Nr. 7 GewStG auch nicht verfassungswidrig. Der Senat hat zur Verfassungsmäßigkeit des § 8 Nr. 7 GewStG bereits im Urteil I R 175/68 vom 8. September 1971 (BFH 103, 207, BStBl II 1972, 22) Stellung genommen und die Übereinstimmung der Vorschrift mit dem GG, insbesondere mit Art. 3, bejaht. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Die in den Entscheidungen des BVerfG 1 BvR 25/65 vom 13. Mai 1969 (HFR 1969, 341, BStBl II 1969, 424) und 1 BvR 333/70 vom 3. Juni 1970 (HFR 1970, 401) dargestellten Grundsätze für die Hinzurechnung von Dauerschulden gelten auch für die Vorschrift des § 8 Nr. 7 GewStG. Diese Regelung ist nicht willkürlich im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG und verletzt daher den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) nicht. Durch die Hinzurechnung soll - dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer entsprechend - derjenige, der in seinem Betrieb fremde Vermögensgegenstände nutzt, dem gleichgestellt werden, der Eigentümer dieser Gegenstände ist. Es soll der volle Reinertrag aus dem Anlagevermögen erfaßt werden, ohne daß es auf die bürgerlich-rechtliche Zugehörigkeit der einzelnen Teile des Anlagevermögens ankommt (siehe dazu Begründung zum GewStG 1936, RStBl 1937, 693 [696]). Wenn das Gesetz vorschreibt, daß die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen hinzuzurechnen ist, so sind dafür sachgerechte Gründe zu erkennen. Was dem Verpächter oder Vermieter nach Abzug der Unkosten noch an Reinertrag verbleibt, ist im Einzelfall verschieden. Es richtet sich jeweils nach der Kalkulation des Miet- oder Pachtzinses. Auf die individuellen Besonderheiten dieser Kalkulation brauchte der Gesetzgeber nicht einzugehen. Es kann daher nicht beanstandet werden, wenn der Gesetzgeber sich für einen einfach zu handhabenden Satz entschieden hat. Bei dieser Rechtslage kommt eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht.
6. Die Klägerin hat in tatsächlicher Hinsicht gegen die dem ursprünglichen Revisionsantrag des FA zugrunde liegende Steuerberechnung (Hebesätze) Einwände erhoben, die auch das FA in der mündlichen Verhandlung nicht ausräumen konnte. Diese Einwände müssen noch überprüft werden. Die Sache ist daher nicht spruchreif. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 70278 |
BStBl II 1972, 148 |
BFHE 1973, 468 |