Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Arbeitgeber gezahlte Mietentschädigung nicht nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei
Leitsatz (amtlich)
1. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Erstattung nur solcher Aufwendungen von der Steuer befreit ist, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Eine vom Arbeitgeber für die berufliche Nutzung von Wohnraum gezahlte Aufwandsentschädigung (§ 17 BBesG) ist nur steuerfrei, wenn die Voraussetzungen für einen Werbungskostenabzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gegeben sind.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 12 S. 2, § 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, § 19 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist, ob eine vom Arbeitgeber gezahlte Mietentschädigung gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist als Außendienstmitarbeiterin im Prüfungsdienst einer Versicherungsanstalt (Arbeitgeber) beschäftigt. Im Anschluss an ihre Abordnung nach Hessen im Herbst 1998 bezog sie eine Zweizimmerwohnung in N. Mit Schreiben vom 7. Januar 1999 bestimmte der Arbeitgeber diese Wohnung zu ihrem dienstlichen Wohnsitz und gewährte dafür eine pauschale Aufwandsentschädigung (Mietentschädigung) in Höhe von monatlich 213 DM gemäß § 17 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). Der Arbeitgeber behandelte die Mietentschädigung als gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei.
Nach einer beim Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) fest, dass die Klägerin in ihrer Wohnung über keinen abgeschlossenen Raum als Arbeitszimmer verfügte. Das FA sah deshalb die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Mietentschädigung nicht als gegeben an und erhöhte in den geänderten Bescheiden für die Jahre 1999 und 2000 (Streitjahre) die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im Wesentlichen aus: Finanzbehörden und Finanzgerichte hätten zu prüfen, ob Aufwandsentschädigungen i.S. von § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG dem Empfänger erwachsende Aufwendungen nicht offenbar überstiegen. Bei den Aufwendungen, die durch die Erstattung nicht offenbar überschritten werden dürften, müsse es sich um Werbungskosten handeln. Allerdings solle sich diese Prüfung nicht darauf erstrecken, welche Aufwendungen dem einzelnen Steuerpflichtigen erwachsen seien, sondern darauf, ob Personen in gleicher dienstlicher Stellung im Durchschnitt der Jahre Aufwendungen etwa in Höhe der Aufwandsentschädigungen erwüchsen. Im Streitfall sei davon auszugehen, dass der Mehrheit der Betriebsprüfer des Arbeitgebers tatsächlich Aufwendungen in Höhe der Entschädigung für das Vorhalten eines Dienstzimmers erwüchsen und es deshalb auf die tatsächlichen Verhältnisse der Klägerin nicht ankomme.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
§ 3 Nr. 12 Satz 2 EStG komme nicht zur Anwendung, da Bezüge nur dann als steuerfreie Aufwandsentschädigung anzuerkennen seien, wenn die gezahlten Bezüge dazu bestimmt seien, Aufwendungen abzugelten, die steuerlich als Werbungskosten abziehbar wären. Davon könne im Streitfall nicht ausgegangen werden. Auch wenn die Mietaufwendungen der Klägerin zum Teil dienstlich veranlasst gewesen seien, hätten sie nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Der Abzug von Werbungskosten für ein häusliches Arbeitszimmer setze die räumliche Trennung zwischen Wohnbereich und häuslichem Arbeitszimmer voraus.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Mietentschädigung ist steuerpflichtiger Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG kommt nicht zur Anwendung.
1. Zum Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Danach bezog die Klägerin auch in Höhe der Aufwandsentschädigung gemäß § 17 BBesG (Mietentschädigung) Arbeitslohn. Die Mietentschädigung ist nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt worden (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. März 2006 IX R 76/01, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 1081).
2. Die Mietentschädigung ist nicht nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei.
Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen gezahlt werden, steuerfrei, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Der BFH hat die Vorschrift verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass die Erstattung nur solcher Aufwendungen von der Steuer befreit ist, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind (BFH-Urteile vom 9. Juli 1992 IV R 7/91, BFHE 169, 144, BStBl II 1993, 50; vom 8. Oktober 1993 VI R 9/93, BFH/NV 1994, 312; vom 27. Mai 1994 VI R 67/92, BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17). Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Er sieht sich darin durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. November 1998 2 BvL 10/95 (BStBl II 1999, 502) zu § 12 Satz 1 EStG bestärkt (vgl. dazu auch Senatsentscheidung vom 21. Oktober 1994 VI R 15/94, BFHE 175, 368, BStBl II 1995, 142). Nach diesen Grundsätzen kommt hier § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nicht zur Anwendung, denn die Mietaufwendungen sind nicht als Werbungskosten abziehbar.
a) Seit dem Veranlagungszeitraum 1996 sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht mehr als Werbungskosten abziehbar (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG). Ein auf höchstens 2 400 DM (in den Streitjahren) beschränkter Abzug ist nach Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 der letztgenannten Vorschrift dann möglich, wenn die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Beschränkung der Höhe nach gilt dann nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift). § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG setzen jedoch voraus, dass das Arbeitszimmer so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird (Blümich/Wacker, § 4 EStG Rz. 285k; Blümich/Lindberg, § 12 EStG Rz. 69). Das ist nicht der Fall, wenn, wie hier, zwischen dem privaten Wohnbereich und dem Arbeitszimmer keine klare Abgrenzung gegeben ist (BFH-Entscheidungen vom 6. Dezember 1991 VI R 101/87, BFHE 166, 285, BStBl II 1992, 304; vom 19. Mai 1995 VI R 3/95, BFH/NV 1995, 880; vom 16. August 2005 VI B 8/05, BFH/NV 2005, 2006).
b) Die angefochtene Entscheidung wird der zitierten Rechtsprechung des BFH nicht gerecht. Denn danach beschränkt sich die in § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG enthaltene Besserstellung der Empfänger von Bezügen aus öffentlichen Kassen gegenüber anderen Steuerpflichtigen darauf, dass bei der Nachprüfung, ob die Erstattungen Werbungskosten abdecken, nicht kleinlich verfahren und dem Empfänger ein ins Einzelne gehender Nachweis nicht zugemutet werden soll. Diese Privilegierung durch ein "eingeschränktes" Nachprüfungsrecht (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3 Rdnr. B 12/30) ist jedoch von der vorrangig zu beantwortenden Frage zu trennen, ob die Aufwendungen dem Grunde nach als Werbungskosten abziehbar sind. Steht, wie im Streitfall, fest, dass ein Werbungskostenabzug grundsätzlich ausgeschlossen ist, bedarf es der Klärung, ob und in welcher Höhe dem Steuerpflichtigen Aufwendungen entstanden sind, nicht. Die vom FG vertretene Auffassung führt entgegen der vom BFH vorgenommenen, verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung tragenden Auslegung von § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG dazu, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von der Einkommensteuer frei bleiben, ohne dass die damit verbundene steuerliche Entlastung durch den Tatbestand abziehbarer Erwerbsaufwendungen gerechtfertigt wäre. Dies bedeutet ein gleichheitswidriges Steuerprivileg (BVerfG in BStBl II 1999, 502).
3. Die Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) orientieren sich entgegen der Auffassung der Klägerin an der Rechtsprechung des BFH (von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Rdnr. B 12/102). Denn nach Abschn. 13 Abs. 3 Satz 1 LStR 1999 bzw. R 13 Abs. 2 Satz 1 LStR 2000 ist Voraussetzung für die Anerkennung als steuerfreie Aufwandsentschädigung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG, dass die gezahlten Beträge dazu bestimmt sind, Aufwendungen abzugelten, die steuerlich als Werbungskosten abziehbar wären. Soweit in Abschn. 13 Abs. 4 LStR 1999 bzw. R 13 Abs. 3 LStR 2000 Anweisungen "zur Erleichterung der Feststellung, inwieweit es sich in den Fällen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG um eine steuerfreie Aufwandsentschädigung handelt", getroffen werden, geht der Senat davon aus, dass diese erst zur Anwendung kommen, wenn der Werbungskostenabzug dem Grunde nach gegeben ist. Sollten die Anweisungen anders zu verstehen sein, fehlte es an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. zu den Folgen BFH-Urteile vom 9. Dezember 1999 III R 74/97, BFHE 191, 125, BStBl II 2001, 311; vom 4. April 1986 III R 245/83, BFHE 147, 231, BStBl II 1986, 852; vom 17. Januar 1984 VI R 24/81, BFHE 140, 261, BStBl II 1984, 522; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 4 AO Rz. 93).
Fundstellen
Haufe-Index 1644804 |
BFH/NV 2007, 340 |
BStBl II 2007, 308 |
BFHE 2008, 163 |
BB 2007, 137 |
BB 2007, 91 |
DB 2007, 204 |
DStR 2007, 63 |
DStRE 2007, 187 |
DStZ 2007, 88 |
HFR 2007, 215 |