Leitsatz (amtlich)
1. Fehlt die gemäß § 17 Abs. 4 VwZG erforderliche Beurkundung, kann über den Tag der Aufgabe eines einfachen Briefes zur Post nicht freier Beweis erhoben werden.
2. Die Schenkungsteuer ist aus dem Verkaufserlös und nicht aus dem Einheitswert des Grundstücks zu erheben, wenn das Versprechen der Schenkung des Grundstücks unwirksam war, und die Zuwendung erst dadurch wirksam wurde, daß der Beschenkte den Erlös des von ihm im Namen des Schenkers verkauften Grundstücks behalten durfte.
Normenkette
ErbStG 1951 § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 23 Abs. 2; VwZG § 17 Abs. 1-2
Tatbestand
An die Mutter des Klägers war anläßlich einer Erbauseinandersetzung am 28. September 1953 Grundbesitz in einer Größe von etwa 9,19 ha aufgelassen worden. Die Eintragung im Grundbuch folgte am 8. Januar 1954; der Einheitswert des Grundbesitzes wurde auf den 1. Januar 1954 auf 12 400 DM festgestellt.
Dem Kläger erteilte seine Mutter am 28. September 1953 folgende Vollmacht: "Ich erteile meinem Sohn, ..., Vollmacht, meinen in H belegenen Grundbesitz ganz oder teilweise für mich zu veräußern, auch die Auflassungen zu erklären und den Kaufpreis in Empfang zu nehmen. Er ist von der Beschränkung des § 181 BGB befreit..."
Kraft dieser Vollmacht hat der Kläger am 2. Juli 1954 ein Teilstück des Grundstücks zu einem Kaufpreis von 49 800 DM an A verkauft (Eintragung im Grundbuch am 16. September 1954). Ein weiteres Teilstück hat er am 5. August 1954 zu einem Kaufpreis von 46 008 DM an B verkauft (Eintragung im Grundbuch am 6. Dezember 1954).
Die Beträge von insgesamt 95 808 DM (49 800 DM + 46 008 DM) wurden an den Kläger gezahlt, der sie für sich verwandt hat.
In einem notariellen Vertrag vom 10. Mai 1955 übertrug die Mutter ihrem Sohn, dem Kläger, schenkungsweise ihren gesamten noch für sie eingetragenen Grundbesitz. In der Vertragsurkunde heißt es: "Im Grundbuch von H waren früher weiterhin die Parzellen ... des Bestandsverzeichnisses eingetragen. Die Schenkung aller jetzt im Grundbuch von H und der früher dort aufgeführten, vorgenannten Parzellen ist durch mündlichen Vertrag vom 2. September 1954 (Geburtstag des Sohnes ...) erfolgt und ist aus Unkenntnis der Formvorschriften nicht notariell aufgenommen worden und wird heute nachträglich vollzogen.
...
Die Übergabe ist am 2. September 1954 erfolgt ... Der Einheitswert der gesamten landwirtschaftlichen Grundstücke einschließlich der nicht mehr im Grundbuch eingetragenen Parzellen ist am 1. Januar 1954 auf 12 400 DM neu festgestellt worden. Dieser Wert ist der Schenkung zugrunde zu legen ..."
Der Schenkungsteuerberechnung hat das FA die Schenkung von Kaufpreiserlösen in Höhe von 95 808 DM und von Grundbesitz mit einem verbliebenen Einheitswert von 5 800 DM zugrunde gelegt. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision macht der Kläger geltend: Die nach dem Glauben der Handelnden in Wirklichkeit 1953 durchgeführte Schenkung sei formgerecht mit dem notariellen Vertrag vom 10. Mai 1955 nachgeholt worden. In diesem Vertrage sei festgestellt, daß er den gesamten Grundbesitz erlangt habe. Somit seien ihm nicht die später erzielten Verkaufserlöse geschenkt worden. Mit der Vollmacht im Jahr 1953 habe er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den gesamten Grundbesitz erhalten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist zulässig.
Die Zustellung des angefochtenen Urteils (§ 282 AO a. F.) ist gemäß § 17 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) durch Zusendung eines einfachen Briefs ersetzt worden. Die Absendestelle hat auf der bei den Akten verbleibenden Urschrift des angefochtenen Urteils nicht den gemäß § 17 Abs. 4 VwZG gebotenen Vermerk angebracht, an welchem Tage der Brief zur Post gegeben worden ist. Die übereinstimmenden Vermerke in der Rechtsmittelliste des FG und auf der dem FA zugesandten Ausfertigung, wonach die für den Kläger bestimmte Ausfertigung am 7. Januar 1964 zur Post gegeben worden sei, könne die gemäß § 17 Abs. 4 erforderliche Beurkundung nicht ersetzen. Die durch § 17 VwZG bereits gelockerte Formenstrenge des Zustellungsrechts (vgl. z. B. § 191 ZPO) erlaubt - unbeschadet des § 17 Abs. 2 VwZG - nicht, über den Tag der Aufgabe zur Post freien Beweis zu erheben (§ 9 Abs. 2 VwZG). Die vom 10. Februar 1964 datierte Rechtsbeschwerde war daher rechtzeitig, wobei dahingestellt bleiben kann, ob sie, wie der Eingangsstempel ausweist, am 11. Februar 1964, oder, wie nach dem Poststempel auf dem Briefumschlag anzunehmen ist, am 12. Februar 1964 beim FG eingegangen ist.
Die Revision ist unbegründet.
Streitig ist, ob die beiden Grundstücke mit ihrem Einheitswert (§ 23 Abs. 2 ErbStG) oder deren Erlöse der Berechnung der Schenkungsteuer zugrunde zu legen sind. Das hängt davon ab, ob bereits diese Grundstücke oder erst deren Erlöse wirksam geschenkt worden sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ErbStG). Weder der festgestellte Sachverhalt noch das Revisionsvorbringen lassen es zu, die Frage im zweitgenannten Sinne zu beantworten.
Eine Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist gegeben bei einer Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, wenn beide Teile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt (§ 516 Abs. 1 BGB). Abgestellt ist somit auf die Zuwendung selbst und nicht auf das Versprechen der Zuwendung (vgl. § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB), wie auch § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden der Steuer unterwirft, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist dagegen die gerichtliche oder notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. § 125 Satz 1 BGB). Der Mangel der Form wird erst durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt (§ 518 Abs. 2 BGB). Die Steuerpflicht entsteht in jedem Falle erst mit der Ausführung der Zuwendung (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, daß ihm seine Mutter die beiden Grundstücke schenkweise versprochen hatte. Die dingliche Zuwendung selbst kann nicht die Einigung über die Unentgeltlichkeit beinhalten. Diese folgt, wenn keine Handschenkung (§ 516 Abs. 1 BGB) vorliegt, aus dem Schenkungsversprechen (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unbestritten war aber die Form des § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gewahrt. Das Schenkungsversprechen war somit zu keinem Zeitpunkt wirksam, da der Kläger niemals die beiden Grundstücke selbst erhalten hat (§ 518 BGB). Daran ändert auch die Vollmacht vom 28. September 1953 nichts, durch die der Kläger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurde. Selbst wenn man entgegen deren Wortlaut annehmen wollte, daß darin eine Bestätigung des Schenkungswillens zum Ausdruck käme und daß sie dem Kläger im Sinne des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes ermöglicht hätte, die beiden Grundstücke auf eigene Rechnung zu verwerten, wäre dadurch die versprochene Leistung noch nicht im Sinne des § 518 Abs. 2 BGB bewirkt und der Mangel der Form nicht geheilt. Er blieb - zumindest nach Maßgabe der §§ 812, 818 BGB (unbeschadet des weitergehenden § 667 BGB) - zur Herausgabe des Erlöses der verkauften Grundstücke verpflichtet; die angebliche Schenkung der beiden Grundstücke selbst kann somit zu keinem Zeitpunkt wirksam geworden sein.
Demzufolge ist es unerheblich, ob ursprünglich der Parteiwille auf Zuwendung des gesamten Grundbesitzes ging. Da indessen unstreitig der Kläger den Erlös der beiden Grundstücke für sich behalten durfte, muß sich zwangsläufig die wirksame und ausgeführte Schenkung auf diese Beträge bezogen haben, wobei es unerheblich ist, ob das - wie das FG annimmt - den ursprünglichen Absichten der Parteien entsprach oder ob man einen neuen Willensentschluß der Beteiligten annimmt. Die vorweggenommene Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe des Erlöses bzw. der Bereicherung oder der nachträgliche Verzicht darauf war formlos möglich und hat den schenkungsteuerpflichtigen Tatbestand erfüllt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
Fundstellen
Haufe-Index 67967 |
BStBl II 1968, 371 |
BFHE 1968, 431 |