Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Auszahlung einer Bausparsumme vor Ablauf der Sperrfrist ist steuerlich nur unschädlich, wenn der Bausparer selbst als Bauherr oder Mitbauherr oder als Anspruchsberechtigter auf eine Mietwohnung die empfangenen Beträge unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet.
Gibt der Bausparer die vor Ablauf der Sperrfrist erhaltenen Mittel als Darlehen an eine andere Person, die damit den Bau ihres Eigenheims finanziert, so liegt darin keine unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau für den Bausparer.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 2 Ziff. 2; EStDV § 31
Tatbestand
Der Bf. schloß am 20. November 1956 einen Bausparvertrag über 15.000 DM. Im Jahre 1959 erhielt er von seiner Bausparkasse einen Zwischenkredit; im April 1960 wurde ihm die Bausparsumme zugeteilt. Den Zwischenkredit und die Bausparsumme gab der Bf. als zinsloses Darlehen an seinen Sohn weiter, um damit den Bau eines Einfamilienhauses zu finanzieren.
Der Bf. zahlte auf den Bausparvertrag im Jahre 1958 4.105,95 DM und im Jahre 1959 3.301,59 DM ein, die als Sonderausgaben behandelt wurden. Weil das Finanzamt in der überlassung des Zwischenkredits und der Bausparsumme an den Sohn keine unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau sah, forderte es im Wege der Nachversteuerung gemäß § 31 EStDV 1958 1.236 DM an Lohnsteuer vom Bf. nach. Der Einspruch und die Berufung blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht führte aus, der Bf. habe die Bausparsumme nicht selbst als Bauherr zum Wohnungsbau verwendet, zumal er im Einfamilienhaus des Sohnes keine eigene Wohnung erstrebt habe. Die Weitergabe der Bausparsumme an den Sohn sei nur eine mittelbare Verwendung zum Wohnungsbau.
Der Bf. rügt unrichtige Rechtsanwendung. Er führt aus, der Rechtsauslegung im Urteil des BFH VI 125/60 U vom 17. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 176, Slg. Bd. 72 S. 484), daß der Bausparer selbst den Wohnungsbau zum Zwecke der Erlangung einer eigenen Wohnung finanzieren müsse, sei nicht beizutreten. Wenn § 10 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 EStG 1958 eine vorzeitige Auszahlung oder vorzeitige Beleihung als unschädlich nur bezeichne, wenn der Steuerpflichtige die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwende, so habe das Gesetz lediglich eine andere auch nur vorübergehende Verwendung des Geldes als zum Wohnungsbau ausschließen wollen. Entgegen dem Urteil VI 125/60 U (a. a. O.) sei den Gesetzesmaterialien kein entscheidender Wert beizumessen, zumal andere Gesetzesmaterialien für seine Auffassung sprächen. Weder aus dem Wortlaut des WoPG noch aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Ziff. 2 EStG lasse sich entnehmen, daß die unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau zur Schaffung von Wohnraum für den Bausparer führen müsse. Für den Abzug als Sonderausgaben sei es nicht schädlich, wenn ein Bausparvertrag zugunsten Dritter abgeschlossen werde. Der Steuerpflichtige müsse auf den Wortlaut des Gesetzes vertrauen dürfen. Gegen eine zu enge Auslegung sprächen auch andere steuerliche Bestimmungen. So wäre z. B. unter bestimmten Voraussetzungen nach § 7 c EStG jeder Geldgeber begünstigt. Nach § 7 b EStG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes genüge es bei Eigenheimen, wenn von zwei Wohnungen eine für den Eigentümer oder seine Familienangehörigen bestimmt sei. Eine Abtretung von Bausparverträgen sei unschädlich, wenn der Erwerber die Bausparsumme unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau für den Abtretenden oder dessen Angehörige verwende.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet. Bei Bausparverträgen, die nach dem 31. Dezember 1954 abgeschlossen werden, ist eine Nachversteuerung vorzunehmen, wenn vor Ablauf von fünf Jahren seit Vertragsabschluß die Bausparsumme ganz oder zum Teil ausgezahlt wird (§§ 10 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1955 bis 1958 und §§ 52 Abs. 6 EStG 1955 bis 1957). Die vorzeitige Auszahlung ist nur unschädlich, wenn "der Steuerpflichtige" die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet. "Steuerpflichtiger" ist dabei der Bausparer, der die Beiträge als steuerbegünstigte Sonderausgaben abgezogen hat und bei vorzeitiger Auszahlung im Wege der Nachversteuerung herangezogen werden kann. Er muß also als Bauherr oder Mitbauherr oder als Anspruchsberechtigter auf eine Wohnung die empfangenen Beträge unmittelbar zum Wohnungsbau verwenden. Der Senat hat in den Entscheidungen VI 55/63 S vom 27. November 1964 (BStBl 1965 III S. 214) und VI 274/63 U vom 19. Februar 1965 (BStBl 1965 III S. 371) ausgeführt, wann eine unverzügliche und unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau anzunehmen ist. Es genügt nicht, daß der Bausparer lediglich als Kreditgeber auftritt, der die bei der heutigen Kapitalmarktlage billigen Baugelder, die er von der Bausparkasse erhält, an einen anderen Bauherrn weiter verleiht. Es ist dabei unerheblich, ob der Bausparer die Baugelder zu einem niedrigen Zins oder zinslos an einen Familienangehörigen weitergibt.
Dem Wortlaut des Gesetzes ist - entgegen der Auffassung des Bf. - nicht zu entnehmen, daß der Bausparer, ohne selbst am Wohnungsbau - und sei es nur als Mieter einer zu erbauenden Wohnung - beteiligt zu sein, steuerlich unschädlich als Kreditgeber auftreten kann.
Eine Ausnahme gilt nur bei der Verwertung des Bausparvertrages durch Abtretung. In diesem Falle liegt eine unschädliche Verwendung vor, wenn der Erwerber (Abtretungsempfänger) die empfangenen Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau für den Abtretenden oder dessen Angehörige verwendet (§ 10 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 EStG 1958). Wenn der Erwerber, also derjenige, an den der Bausparvertrag abgetreten ist, ohne Angehöriger zu sein, für sich selbst baut, ist die vorzeitige Auszahlung für den Abtretenden steuerschädlich. Daß der Bf., wenn er den Weg der Abtretung gewählt hätte, die Steuervergünstigung behalten hätte, berechtigt nicht dazu, die vom Bf. gewählte Finanzierung ebenfalls zu begünstigen.
Fundstellen
Haufe-Index 411638 |
BStBl III 1966, 533 |
BFHE 86, 507 |