Leitsatz (amtlich)
Hat eine GmbH von einem Gesellschafter Anteile erworben und bei der Körperschaftsteuerveranlagung für das Jahr des Erwerbs durchgesetzt, daß der dafür gezahlte Preis durch rechtskräftigen Bescheid als angemessen anerkannt und als Anschaffungskosten aktiviert worden ist, von der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung aber abgesehen wurde, so kann sie, wenn nicht neue Tatsachen bekanntgeworden sind, nach Treu und Glauben bei der Veranlagung des nächsten Jahres nicht geltend machen, der Anschaffungspreis sei von vornherein zu hoch gewesen und daher eine Herabsetzung auf den niedrigeren Teilwert erforderlich.
Normenkette
StAnpG § 1 Abs. 3; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2; KStG § 6 Abs. 1; FGO §§ 68, 123 S. 2
Tatbestand
1. In den Vorinstanzen war streitig, ob die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, auf den Kaufpreis eigener Anteile eine Teilwertabschreibung vornehmen kann. Die Steuerpflichtige wurde im Jahre 1947 gegründet. Von einem Stammkapital von 20 000 DM besaß der Gesellschafter B 5 200 DM. Dieser schied am 1. April 1959 aus der Steuerpflichtigen aus und die Gesellschaft erwarb seine Anteile zum Preise von rund 62 000 DM.
Bei der steuerrechtlichen Beurteilung dieses Vorganges nahm der Revisionsbeklagte (FA) zunächst an, der Kaufpreis für die GmbH-Anteile enthalte eine verdeckte Gewinnausschüttung und forderte hierfür mit Haftungsbescheid vom 1. Juli 1959 Kapitalertragsteuer bei der Steuerpflichtigen an. Der Prozeßbevollmächtigte der Steuerpflichtigen und ein noch zugezogener Steuerberater widersprachen in mehreren Schriftsätzen dieser Ansicht des FA, wobei der Prozeßbevollmächtigte den "inneren Wert" der Anteile selbst mit rd. 48 000 DM ermittelte. Nach mehrmaligen Verhandlungen nahm das FA dann den Haftungsbescheid wieder zurück, nachdem der Prozeßbevollmächtigte in der abschließenden Verhandlung vom 15. Januar 1962 den Kaufpreis von rd. 62 000 DM als angemessen bezeichnet, die Aktivierung der erworbenen Anteile bei der Steuerpflichtigen in dieser Höhe zugesagt und auf eine Abschreibung auf die Anteile zu Lasten des Gewinns verzichtet hatte. Das FA aktivierte die erworbenen Anteile bei der Veranlagung der Steuerpflichtigen zur Körperschaftsteuer 1959 mit dem vollen Kaufpreis von rd. 62 000 DM. Die Steuerpflichtige erhob hiergegen keine Einwendungen, beantragte aber dann in ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 1960 eine Teilwertabschreibung von rd. 43 000 DM auf den Kaufpreis der Anteile, die das FA jedoch nicht anerkannte.
Die Steuerpflichtige machte geltend, der Aushandlung des Kaufpreises sei die völlig falsche Wertberechnung eines Treuhänders zugrunde gelegt worden und außerdem habe der ausgeschiedene Gesellschafter mit einer Anzeige bei Ablehnung des überhöhten Kaufpreises gedroht.
Ihre Berater hätten für die Besteuerung des Jahres 1959 zur Frage der Angemessenheit des Kaufpreises nicht Stellung genommen, sondern lediglich dargetan, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht vorliege. Die Verhältnisse zum damaligen Zeitpunkt seien unklar gewesen. Die Erklärung sei nur abgegeben worden, um die Rücknahme des Haftungsbescheids zu erreichen, da die Vereinbarung mit dem ausscheidenden Gesellschafter sonst hinfällig geworden wäre.
Der Kaufpreis von rd. 62 000 DM sei vom FA dann bei der Veranlagung 1959 aktiviert worden. Hiergegen habe sie - die Steuerpflichtige - keine Einwendungen erheben können, weil durch eine im Dezember 1959 beginnende Fahndungsprüfung erhebliche Unsicherheit in die Bewertungsfrage hineingetragen worden sei. Tatsächlich habe sie dann auch im Ergebnis rund 28 000 DM nachzahlen müssen. Damit sei bewiesen, daß der auf dem Gutachten des Treuhänders beruhende Kaufpreis der Anteile weit überhöht gewesen sei. Der Wert der einzelnen Anteile müsse daher zum 31. Dezember 1960 nach den für die Ermittlung des gemeinen Werts von nichtnotierten Aktien und Anteilen geltenden Grundsätzen (Abschn. 76 ff. VStR 1960) ermittelt werden.
Bei dem Gesellschafter B habe es sich um einen lästigen Gesellschafter gehandelt, der zur Erlangung eines möglichst hohen Kaufpreises nicht vor Drohungen mit strafund zivilrechtlichen Anzeigen gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer der Steuerpflichtigen zurückgeschreckt sei, obwohl er sich selbst der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig gemacht habe. Der Gesellschafter-Geschäftsführer habe dagegen seine steuerlichen Verfehlungen durch tätige Reue bereinigen wollen.
Das FG hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Der gemeine Wert der Anteile könne im vorliegenden Fall nicht nach Abschn. 76 ff. VStR 1960 ermittelt werden. Der für die erworbenen GmbH-Anteile angenommene Wert entspreche der ursprünglichen Ansicht der Steuerpflichtigen, die sie in der Körperschaftsteuersache 1959 und in der Kapitalertragsteuersache mit Erfolg vertreten habe. Hierbei habe ihr Prozeßbevollmächtigter ausgeführt, daß der Kauf der Anteile ein "echter Austausch von Werten" gewesen sei. Der zu den Verhandlungen mit dem FA zugezogene Steuerberater habe bestätigt, daß der Kaufpreis für die Anteile in voller Höhe aktiviert werde. Er habe weiter dargetan, daß der Gesellschafter B "aussteigen" und "seine Einlage zurückhaben wollte". Diese habe er einschließlich der "aufgespeicherten Gewinne" im Kaufpreis für die Anteile zurückerhalten. Es handle sich bei diesem Sachverhalt um eine "echte Kapitalrückzahlung".
Mit der als Revision zu behandelnden Rb. rügt die Steuerpflichtige unrichtige Rechtsanwendung und beantragt, die Teilwertabschreibung anzuerkennen. Ihr könne eine Abschreibung auf den Teilwert der eigenen Anteile nicht versagt werden, wenn der Wert der Anteile niedriger sei als die Anschaffungskosten. Ein gedachter Käufer hätte zu dem Reinvermögen der Steuerpflichtigen laut Steuerbilanz vom 31. Dezember 1960 den Wert der stillen Reserven und einen eventuellen Firmenwert hinzugezählt und 26/74 aus der so erhaltenen Summe als Kaufpreis für die eigenen Anteile ermittelt. Danach ergebe sich ein Wert von höchstens rund 49 000 DM, wenn der innere Wert des Unternehmens 66 000 DM betragen hätte; ein solcher innerer Wert habe aber nicht bestanden, so daß nur rund 32 000 DM übrigblieben. Aber auch diesen Betrag hätte ein Käufer nicht erlegt, da die Gesellschaft keine Gewinne ausgeschüttet habe.
2. Das FA hat im Verlaufe des Revisionsverfahrens den angefochtenen Bescheid nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigt, da durch eine Betriebsprüfung Gehaltszahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen wurden. Die Steuerpflichtige hat den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und beantragt, diesen Bescheid aufzuheben und die Vergütung an den Gesellschafter-Geschäftsführer als Betriebsausgaben anzuerkennen. Sie habe am 10. August 1960 dem Gesellschafter-Geschäftsführer für das Jahr 1960 eine angemessene Gehaltsnachzahlung zugesagt, deren Höhe jedoch erst zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung festgelegt werden sollte. Die Gehaltsnachzahlungen beruhten auf klaren und wirksamen Zusagen. Ihre rechtliche Grundlage sei in dem bürgerlichrechtlich wirksamen Anstellungsverhältnis des Gesellschafters-Geschäftsführers gegeben. Es handele sich dabei um Bezüge, die wegen der an und für sich zu geringen Gehälter durchaus angemessen und als Sondervergütungen anzusehen seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Zu 1. Der Vorentscheidung ist darin beizutreten, daß eine Teilwertabschreibung für die GmbH-Anteile nicht gerechtfertigt ist. Die von dem ausgeschiedenen Gesellschafter erworbenen eigenen Anteile sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit den Anschaffungskosten oder dem niedrigeren Teilwert anzusetzen. Erwirbt die GmbH die Anteile zu einem angemessenen Preis, so liegt eine Betriebsvermögensumschichtung vor, da die Anteile zu den Anschaffungskosten aktiviert werden. Das FA war im Jahre des Erwerbs der Ansicht, daß der Preis unangemessen hoch sei. Wäre das der Fall, so läge insofern eine verdeckte Gewinnausschüttung an den veräußernden Gesellschafter vor (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 743/38 vom 1. Februar 1939, RStBl 1939, 556). Dieser Annahme hat die Steuerpflichtige in dem Verfahren gegen den Haftungsbescheid mit Erfolg widersprochen und dargetan, daß der Kaufpreis angemessen und die Aktivierung gerechtfertigt sei. Der damalige Rechtsstreit wurde in diesem Sinne durch die Vereinbarung vom 15. Januar 1962 erledigt und der Haftungsbescheid aufgehoben. Die Erklärungen und Beurteilungen der Steuerpflichtigen sind der rechtskräftigen Veranlagung 1959 zugrunde gelegt worden.
In diesem Falle verstößt es nach Auffassung des Senats gegen Treu und Glauben, wenn die Steuerpflichtige die Beurteilung des Preises, die sie mit einer für sie günstigen Folge im Vorjahr durchgesetzt hat, bei der Veranlagung des nächsten Jahres in der Weise ändert, daß sie erklärt, der Anschaffungspreis sei von vornherein zu hoch gewesen und mit dieser Begründung eine Herabsetzung des Wertes der Anteile auf den geringeren Teilwert verlangt (vgl. für einen anderen Einzelfall Entscheidung des BFH VI 163/60 U vom 3. März 1961, BFH 72, 525, BStBl III 1961, 191). Bei dieser Sachlage kann es nicht anerkannt werden, wenn ein Steuerpflichtiger sich mit seiner früheren auf Grund seiner Argumente auch vom FA übernommenen Beurteilung eines Sachverhalts - nicht einer Rechtsfrage -, hier der Angemessenheit des gezahlten Preises, die einer rechtskräftigen Veranlagung zugrunde gelegt ist, im nächsten Veranlagungszeitraum in Widerspruch setzt. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn etwa neue wertmindernde Umstände nach Durchführung der Veranlagung 1959 aufgetaucht oder bekanntgeworden und geltend gemacht worden wären oder, wenn sich Umstände ergeben hätten, aus denen sich eine Wertminderung der Anteile im Laufe des Jahres 1960 ergeben hätte.
Beides ist jedoch nicht der Fall. Die Steuerpflichtige hat eine Wertminderung im Jahre 1960 nicht geltend gemacht. Sie hat aber in dem Rechtsstreit für das Jahr 1960 auch nichts vorgetragen, was nicht bei der Bilanzierung für das Jahr 1959 - nämlich im Jahre 1962 - bekanntgewesen wäre. Zu dieser Zeit waren die nunmehr betonte Höhe der Steuernachzahlungen auf Grund der Fahndungsprüfung und alle anderen den Wert beeinflussenden Tatsachen bekannt. Auch der Vortrag, in einer halbstündigen Verhandlung habe man die Probleme nicht überblicken können, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen; denn die Verhandlung war der Abschluß eines langen Verfahrens, in der der Vorsteher des FA den vom Steuerpflichtigen erkämpften Standpunkt billigte und sich den wohlüberlegten Ausführungen in den vorliegenden Schriftsätzen und Gutachten anschloß. Nicht verständlich ist darum der Vorwurf der Steuerpflichtigen, der Vorsteher des FA habe bei der Verhandlung einen unzulässigen Druck ausgeübt.
Zu 2. Der Antrag der Steuerpflichtigen, den berichtigten Körperschaftsteuerbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, ist nach §§ 68, 123 Satz 2 FGO zulässig. Der geänderte Verwaltungsakt führt aber bezüglich der Gehaltsnachzahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer zu einem neuen Tatbestand, der vom BFH nicht berücksichtigt werden kann, weil er an die Tatsachenfeststellung des FG gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Der Senat kann darum insoweit auf die Sache selbst nicht eingehen, muß vielmehr das angefochtene Urteil aufheben und die Sache an das FG zurückverweisen. Die Zurückverweisung wird allein dadurch erforderlich, daß in bezug auf den neuen Verfahrensgegenstand die für die Entscheidung des Revisionsverfahrens erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nicht vorliegen (so auch BFH-Urteil II 113/65 vom 30. Januar 1968, BFH 91, 27, BStBl II 1968, 210).
Anmerkung:
Die DM-Zahlen entsprechen nicht den tatsächlichen Zahlen.
Fundstellen
Haufe-Index 68170 |
BStBl II 1968, 729 |
BFHE 1968, 49 |