Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei der Beurteilung einer Hühnerfarm als landwirtschaftlicher oder gewerblicher Betrieb können auch die Richtlinien verwendet werden, die in dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 8. August 1935 S 3300 - 530 III unter Teil I Ziff. 7 (RStBl. 1935 S. 1076) für die Berechnung des eigenerzeugten Futters aufgestellt worden sind.
Normenkette
UStG § 4/19, § 24/2/2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) betreibt seit einer Reihe von Jahren eine Hühnerfarm. Im zweiten Halbjahr 1948 und 1949 bewirtschaftete er 1,25 ja Weide- und 0,57 ha Ackerland und hielt rund 200 Leghühner und 30 Hähne, ferner 1 Kuh, 1 Kalb, 1 Schwein und 5 Gänse. Für die Zeit vom 30. September 1948 bis 1. Oktober 1949 wurden für rund 11.000 DM Futtermittel zugekauft. Das Finanzamt kam für das zweite Halbjahr 1948 und für das Jahr 1949 auf Grund einer Betriebsprüfung zu der Auffassung, daß der Betrieb des Bf. gewerblich sei, weil der Futterbedarf der Hühner überwiegend durch Zukauf gedeckt werde. Einspruch und Berufung blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Geflügelfarm als landwirtschaftlicher oder gewerblicher Betrieb anzuerkennen sei, kommt es allein darauf an, welchem Verhältnis die zugekaufte Futtermittel zu den Eigenerzeugnissen, die für die Fütterung der Hühner verwendet werden, stehen. Wird mehr als die Hälfte des verbrauchten Futters im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb erzeugt, so ist der Betrieb als landwirtschaftlich anzusprechen (ß 50 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz 1938).
Bei der Ermittlung des eigenerzeugten Futters ist nicht nur das aus der Hand gereichte, sondern auch das Futter zu berücksichtigen, das die Tiere selbst auf der Weide finden. Mit Rücksicht auf die Schwierigkeit bei der Ermittlung des selbsterzeugten Futters hat der Reichsminister der Finanzen in dem vom Bf. angezogenen Erlaß vom 8. August 1935 unter Teil I Ziff. 7 (Reichssteuerblatt 1935 S. 1076) auf Grund von Sachverständigengutachten Richtlinien aufgestellt, die auf der Feststellung beruhen, welche landwirtschaftliche Fläche unter Berücksichtigung der Bodengüte ein ausgewachsenes Huhn zu seiner Ernährung benötigt. Auf die Anwendung dieser Richtlinien hat der Steuerpflichtige an sich keinen Anspruch, sie binden auch die Finanzgerichte nicht, sie sind vielmehr nur ein Richtsatz und Hilfsmittel für die Schätzung der Eigenerzeugung einer Hühnerfarm, die jedoch bei Vorhandensein zuverlässiger Grundlagen auch in anderer Weise vorgenommen werden kann.
Im Streitfall hat das Finanzgericht den Futterwert aus der den Hühnern zur Verfügung stehenden Weide mit 2.000 bis 3.000 DM und den aus der sonstigen Eigenerzeugung mit 2.000 DM geschätzt. Auf Grund welcher Unterlagen es zu diesen Beträgen gekommen ist, kann nicht ersehen werden. Auch bei einer griffweisen Schätzung können jedoch nicht willkürlich Beträge angesetzt werden, vielmehr sind auch hier die irgendwie zu Gebote stehenden Anhaltspunkte zu ermitteln und zu würdigen (ß 217 Abs. 1 Satz 2 der Reichsabgabenordnung; Da die Vorinstanz weder Ermittlungen in dieser Hinsicht vorgenommen noch ihre Schätzung ausreichend begründet hat, liegt mangelnde Sachaufklärung und daraus sich ergebender möglicher Rechtsirrtum bei ihrer Entscheidung vor. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben und die Sache, da sie nicht spruchreif ist, an die Vorinstanz zur Vornahme der entsprechenden Ermittlungen und zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Hierbei hat diese zu beachten, daß es für die Frage, ob der Betrieb des Bf. landwirtschaftlich oder gewerblich ist, nicht allein auf die Verhältnisse innerhalb eines Veranlagungszeitraums ankommt, sondern daß für die Beurteilung ein Zeitraum von etwa drei oder vier Jahren herangezogen werden muß. Es ist ferner unter Mithilfe des Bf. der Marktwert der in den Hühnerhof gegebenen eigenen Feldfrüchte zu ermitteln, wobei unter anderem Art und Umfang der Ernte des Bf. in dem zu prüfenden Zeitraum und ferner der Umfang, in dem Ernte im Hühnerhof und für das übrige Vieh verwertet wurde, festzustellen ist. Bei den bei diesen Feststellungen voraussichtlich vorzunehmenden Schätzungen wird das Finanzgericht zu erwägen haben, ob es nicht einen Sachverständigen zuzieht. Auch wird bei der Feststellungen des Marktwerts des von den Hühnern gefundenen Futters zweckmäßig ein Sachverständiger herangezogen werden. Das Finanzgericht kann sich aber auch einer anderen Schätzungsmethode bedienen, z. B. zunächst den durchschnittlichen Futterbedarf (Marktwert) eines Huhns feststellen und sodann ermitteln, inwieweit beim Bf. der Futterbedarf der durchschnittlichen Hühnerzahl durch Zukauf gedeckt wurde. Auch bei diesen Ermittlungen wird es nicht zu umgehen sei, einen Sachverständigen zu hören. Erscheinen die vorerwähnten Schätzungen nicht einigermaßen zuverlässig oder begegnen sie zu großen Schwierigkeiten, kann das Finanzgericht auch in Erwägung ziehen, ob es nicht den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 8. August 1935 als Schätzungsgrundlage anwenden will (vgl. zu diesen Ausführungen Urteil des Bundesfinanzhofs IV 9/54 U vom 5. August 1954 - Bundessteuerblatt 1954 Teil III Nr. 24 S. 259 -). Hierbei wird darauf hingewiesen, daß das in der neuen Umsatzsteuerkartei enthaltene Stichwortverzeichnis (alt) unter "Hühnerfarmen" auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 132/41 vom 23. April 1941 (Reichssteuerblatt 1941 S. 799) verweist, das den Schätzungsweg des genannten Erlasses des Reichsministers der Finanzen für die Entscheidung der Frage, ob eine Hühnerfarm ein landwirtschaftlicher oder gewerblicher Betrieb ist, anerkannt hat. Auch der erkennende Senat würde keine Bedenken tragen, die in dem genannten Erlaß vorgesehene und besonders zweckmäßig erscheinende Berechnungsart des Futterbedarfs für Hühner zur Schätzungsgrundlage zu machen.
Fundstellen
Haufe-Index 408030 |
BStBl III 1954, 355 |
BFHE 1955, 376 |
BFHE 59, 376 |