Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Produktionsvertrag zwischen Filmhersteller und dessen ausländischem Auftraggeber über einen Lehrfilm, dessen gesamtes Negativ- und Positivmaterial vertragsmäßig zur endgültigen Verfügung des Auftraggebers in das Ausland versandt worden ist, als steuerfreie Ausfuhrlieferung beurteilt werden kann.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 3/1, § 3/8; UStDB § 7/1; UStG § 4 Ziff. 3, § 4/1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) stellte im Auftrag eines ausländischen Auftraggebers in London einen Lehrfilm "Arbeitsfluß" in englischer Sprache her. Nach dem bei den Akten befindlichen Schriftwechsel zwischen den Vertragsteilen sollte als vereinbart gelten, daß "die Rechte für alle im Film verwandte Musik auf die Auftraggeberin übergehen und die Zahlungen für alle Lizenzen jedweder Art für die Weltaufführung in Theatern, auch in Nicht-Theatern, abgegolten sein müssen". Die gesamten Herstellungskosten einschließlich eines Betrages für die erwähnten Rechte wurden nach dem Kostenvoranschlag der Stpfl. von der Auftraggeberin übernommen. Das gesamte Negativ- und Positivmaterial wurde vereinbarungsgemäß in drei Paketen ins Ausland versandt. Während die Stpfl. für ihr vereinnahmtes Entgelt Steuerfreiheit als Ausfuhrlieferung nach § 4 Ziff. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) begehrte, nahm das Finanzamt eine im Inland bewirkte sonstige Leistung an und unterwarf das Entgelt dem Steuergesetz des § 7 Abs. 1 UStG.
Die Vorinstanz nahm zwar gleichfalls eine sonstige Leistung an, hielt den Umsatz jedoch für nicht steuerbar, weil Gegenstand der Verträge eine Duldung der Rechtsausübung im Ausland sei.
Entscheidungsgründe
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts; sie ist aus anderen Erwägungen als denen der Vorinstanz nicht begründet.
Der erkennende Senat hat in den Urteilen V 245/56 S und V 226/55 S BStBl 1957 III S. 119 vom gleichen Tage den wesentlichen Inhalt eines Filmverleihvertrages als auf eine sonstige Leistung gerichtet angesehen, während er bei der Auftragsproduktion eines Lehr- und Werbefilms eine Lieferung angenommen hat. Der Streitfall zeigt deutliche ähnlichkeit mit dem zweiten Tatbestand. Auch im Streitfalle sind die vollen Herstellungskosten vom Auftraggeber übernommen worden, so daß sich ein Risiko für den Produzenten nicht ergab; auch hier erfolgte eine starke Einflußnahme auf die Gestaltung des Filmes seitens des Auftraggebers. Nicht zu verkennen ist allerdings, daß im Streitfalle der übertragung der Urheberrechte, z. B. an der ausdrücklich erwähnten, für den Film verwandten Musik und der sonstigen am fertigen Film entstandenen Aufführungs- und Auswertungsrechte größere Bedeutung zukommt als im Urteilsfall V 226/55 S. Darüber sind sich die Vertragsteile auch im klaren gewesen; denn die Beschwerdegegnerin (Bgin.) hatte wegen der Urheberrechte angefragt, welches "finanzielle Arrangement geprüft werden könne" und hierbei betont, daß sie bisher auf diese Weise noch keine Filme hergestellt habe. In der Antwort schlägt der Auftraggeber vor, in den Kostenvoranschlag einen Betrag einzuschließen, den die Bgin. auf Grund ihrer Erfahrungen zu schätzen habe. Nach Auffassung des Auftraggebers dürfte dies der Gewinnbetrag sein, den die Bgin. erzielen würde, wenn eine vertretbare Anzahl Kopien bezogen würde; es sei dabei aber zu berücksichtigen, daß die Bgin. "kein Risiko trage, wenn dieser Betrag in unseren Herstellungsbetrag aufgenommen" sei, und daß die Zahlung hierfür bereits bei Herstellung geleistet werde. Hieraus geht einerseits hervor, daß das Entgelt auch einen, nach Sachlage geringeren Betrag für die sonstige Leistung der übertragung von Rechten und Befugnissen umfaßt, anderseits, daß sich das Umsatzgeschäft deutlich von der normalen Auswertung eines Spielfilmes durch einen Filmverleihvertrag unterscheidet. Bei diesem erfolgt, wie im Urteil des Reichsfinanzhofs V 53/43 vom 6. Juli 1944 (Slg. Bd. 54 S. 114, Reichssteuerblatt 1944 S. 614), das im Urteil des erkennenden Senats V 245/56 S bestätigt worden ist, die Preisfestsetzung nur oder doch überwiegend für die übertragung des ausschließlichen Auswertungsrechts. Da der Senat in ständiger Rechtsprechung an der einheitlichen Beurteilung derartiger Verträge festgehalten hat und hier nach den Umständen des Falles der überwiegende Teil des Entgelts für die Herstellungskosten, deren Substrat das übersandte Filmmaterial ist, gezahlt ist, kommt der Senat zur Annahme einer Werklieferung.
Die Rb. kann sich demgegenüber nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 272/55 S vom 12. Januar 1956 (Slg. Bd. 62 S. 163, Bundessteuerblatt 1956 III S. 62) berufen, denn in jenem Streitfalle hatte der Senat nicht die besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse der Filmproduktion zu beurteilen, auch ist dort dem Auftraggeber durch die überlassung des Negativs lediglich die Möglichkeit und das Recht verschafft worden, seinerseits in Zeitschriften die Aufnahmen verwerten zu können, während im Streitfall als Lieferungsobjekt das gesamte Positiv- und Negativmaterial in Betracht kommt, in dem sich die ausschlaggebend ins Gewicht fallenden Produktionskosten verkörpern. Der Schriftwechsel zeigt deutlich, daß bei Lehrfilmen das wirtschaftliche Schwergewicht nicht in der kommerziellen Auswertung einer größtmöglichen Anzahl von Kopien liegt, sondern in der Deckung der Produktionskosten, während Spielfilme regelmäßig durch Filmverleihverträge kommerziell ausgewertet werden, wobei Produzent und Verleiher erst durch langdauernde Aufführung des Filmes Produktionskosten und Gewinn realisieren können. Aus diesem Grunde kommt beim Filmverleihvertrag nach dem Urteil V 245/56 S der übertragung der Verwertungsbefugnisse die überwiegende Bedeutung zu.
Da die Rb. die sonstigen Voraussetzungen des § 4 Ziff. 3 UStG nicht bezweifelt, war der Vorentscheidung im Ergebnis beizutreten und die Rb. des Vorstehers des Finanzamts mit der Kostenfolge des § 309 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408682 |
BStBl III 1957, 121 |
BFHE 1957, 322 |
BFHE 64, 322 |