Leitsatz (amtlich)

1. Zum Begriff "Wiederaufbau" im Sinne des § 104 LAG.

2. Wurden auf einem Grundstück an Stelle von kriegszerstörten Holzschuppen, die an einer Seite offen waren und nur der Lagerung von Holz dienten, zwei massive Wohngebäude errichtet, so kommt eine Herabsetzung der HGA nach § 104 LAG nicht in Frage.

 

Normenkette

LAG § 104

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung der Wiederaufbauvergünstigung gemäß § 104 LAG.

Eigentümer des Grundstücks war am 21. Juni 1948 eine Erbengemeinschaft. Auf dem Grundstück befanden sich früher zwei größere Holzschuppen, die zur Lagerung von Nutzhölzern dienten und die durch Kriegseinwirkung völlig zerstört wurden. Im Jahre 1951 erwarb der Abgabeschuldner das Grundstück und errichtete hierauf je ein massives Wohngebäude. Zwischenzeitlich waren, und zwar schon vor dem Jahre 1951, von dritter Seite aufgrund vorläufiger Baugenehmigungen kleinere betrieblich genutzte Gebäude errichtet worden, die aber später wieder abgerissen werden mußten, da sie dem Bebauungsplan nicht entsprachen.

Auf dem Grundstück lastet HGA, die durch Bescheid vom 2. Oktober 1957 unanfechtbar festgesetzt ist. Bereits am 20. Dezember 1956 stellte der Kläger den Antrag, die HGA gemäß § 104 LAG ohne Wirtschaftlichkeitsberechnung auf 0 DM herabzusetzen, weil die beiden Wohngebäude durch zinsverbilligte öffentliche Mittel finanziert worden seien. Das FA lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, daß es sich nicht um den Wiederaufbau eines kriegszerstörten Gebäudes, sondern um einen Neubau auf einem ehemals unbebauten Grundstück gehandelt habe.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Berufung machte der Kläger geltend, daß die beiden Schuppen eine Größe von rd. 117 bzw. 406 qm gehabt hätten und durch Fundamente mit dem Boden fest verbunden gewesen seien. Es habe sich somit um ein bebautes Grundstück gehandelt, was auch aus der Bezeichnung im Grundbuch "Platz mit Gebäuden" hervorgehe. Die Feuerkassenwerte hätten für die beiden Holzbauten 5 300 RM bzw. 2 500 RM betragen. Dieser Wert beweise, daß es sich nicht um Gebäude von untergeordneter Bedeutung gehandelt habe. Im übrigen fordere die Vorschrift des § 104 LAG nicht die Errichtung eines Ersatzbaues, der dem zerstörten Gebäude entsprechen müsse.

Das FA trat dieser Auffassung entgegen.

Die Berufung führte zur Herabsetzung der HGA-Schuld auf 0 DM. Das FG hält die Voraussetzungen des § 104 LAG für gegeben. Nach seinen Feststellungen handelt es sich bei den früheren Holzschuppen um Bauwerke, die auf Stützen ruhten, ca. 80 cm tief in die Erde eingelassen waren und die auch im übrigen die Voraussetzungen des Gebäudebegriffs im Sinne der Richtlinien für die Abgrenzung der Betriebsvorrichtungen vom Grundvermögen (BStBl II 1960, 93 Nr. 5) entsprachen. Die Gebäude hätten bis zur Zerstörung auch mehr als eineinhalb Jahrzehnte bestanden. Entgegen der im Schrifttum und insbesondere in Tz. 29,30 des Erlasses des BdF vom 29. Juni 1957 (BStBl I 1957, 365, LA-Kartei § 104 LAG K. 11) vertretenen Auffassung, daß nur geringfügige Abweichungen in Gestaltung und Zweckbestimmung in der Verwertung der Neubauten gegenüber den früheren Gebäuden bestehen dürften, vertritt das FG die Auffassung, daß es sich bei den neuen Gebäuden nicht um einen Ersatz im Sinne einer Wiederherstellung des früheren Zustandes zu handeln brauche. Es sei daher für die Anwendung des § 104 LAG unschädlich, wenn das frühere Gebäude ohne Fundament, aus Holz, ebenerdig, nicht allseits umschlossen und nur mit Pappdach errichtet worden sei, das neue Gebäude dagegen mit Fundament, massiv und mehrstöckig, allseits umschlossen und mit Ziegeldach gebaut worden sei. Es sei auch unschädlich, daß das frühere Gebäude zur Lagerung von Holz gedient hätte, das neue Gebäude aber ein Wohnhaus sei. Diese Auslegung entspreche auch dem Gesetzeszweck. Hätte der Kläger nämlich anstatt der Wohnhäuser zwei den früheren Schuppen entsprechende Gebäude errichtet, so würde er - die übrigen Erfordernisse des § 104 LAG vorausgesetzt - die Vergünstigung für sich in Anspruch nehmen können. Tatsächlich habe der Kläger aber viel mehr getan. Er habe Wohngebäude errichtet, deren volkswirtschaftliche, sozialpolitische und wohnwirtschaftliche Bedeutung ungleich größer sei als die eines einem Holzschuppen ähnlichen Gebäudes. Der Beitrag des Klägers zum Wiederaufbau sei somit wesentlich größer und bedeutungsvoller als in dem anderen Falle, in dem ihm die Vergünstigung zugesprochen werden müßte.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des FA, die seit dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist.

Das FA rügt unrichtige Rechtsanwendung der Begriffe "Gebäude", "Wiederaufbau", "Gestaltung und Zweckbestimmung", sowie "Abweichen". Die Vorschrift des § 104 LAG sei als Förderungsmaßnahme anzusehen, die einerseits dem Schadensausgleich des Eigentümers dienen solle und zum anderen den Wiederaufbau zerstörter Gebäude anstrebe, wie dies der BFH im Urteil III 25/58 U vom 15. Januar 1960 BFH 70, 381, BStBl III 1960, 143) ausgesprochen habe. Das bedeute aber keineswegs eine ganz allgemeine Förderung des Wohnungsbaus; diese obliege vielmehr ausschließlich der Wohnungsbaugesetzgebung. Wie sich aus der Entscheidung des BFH III 118/63 S vom 23. August 1963 (BFH 77, 690, BStBl III 1963, 572) ergebe, liege ein Wiederaufbau oder eine Wiederherstellung im Sinne des LAG nur dann vor, wenn das von Kriegsschäden betroffene Gebäude seine Dauerbaueigenschaft verloren habe und diese durch die Wiederaufbaumaßnahmen neu gewonnen werde. Die zerstörten Schuppen könnten aber überhaupt nicht als Gebäude mit Dauerbaueigenschaft angesehen werden, da die Nutzung als Holzlagerplatz keine endgültige Bebauung eines Grundstücks in dieser Lage darstelle. Aus diesem Grunde sei nach Auffassung des FA eine Dauerbaueigenschaft eines Gebäudes überhaupt nicht verloren gegangen, die durch Wiederaufbaumaßnahmen hätte neu gewonnen werden können. Nach der Währungsreform seien von dritter Seite Gebäude nur auf Grund befristeter Baugenehmigung errichtet worden, so daß auch für diese Gebäude die Dauerbaueigenschaft fehle. Für die Anwendung des § 104 LAG komme somit nur das von einem Zwischenerwerber begonnene und dann von dem Kläger vollendete Mietwohnhaus in Betracht. Hierbei handele es sich aber nicht um einen "Ersatzbau" im Sinne des LAG. Das fünfgeschossige Wohnhaus könne nicht als "Wiederaufbau" und somit als Ersatz der zerstörten Schuppen angesehen werden. Eine Auslegung des Begriffes Dauerbau, wie sie das FG vorgenommen habe, widerspreche dem Wortlaut des Gesetzes. Es treffe auch nicht zu, daß eine Wiedererrichtung der früher zerstörten Holzschuppen automatisch zu einer Herabsetzung der HGA nach § 104 LAG geführt hätte. Bei einer geschätzten Jahrespacht von ... DM und bei Berücksichtigung der nach § 104 LAG abzugsfähigen Grundstücksaufwendungen von schätzungsweise ... DM würde ein ausreichender Grundstücksüberschuß verblieben sein, aus dem die jährlichen HGA-Leistungen hätten erbracht werden können.

Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, daß eine einengende Auslegung des Begriffes Wiederaufbau nicht zulässig sei. Das FG sei zutreffend davon ausgegangen, daß zwischen den früheren Gebäuden und den wiederaufgebauten Gebäuden hinsichtlich ihrer Nutzung und Zweckbestimmung keine Identität zu bestehen brauche. Im übrigen bestreitet die Klägerin die Ausführungen des FA hinsichtlich der Dauerbaueigenschaft der früheren zerstörten beiden Schuppen. Diese hätten den Begriff des Gebäudes im Sinne des Bewertungsrechtes erfüllt. Daß sie auch den Begriff der Standfestigkeit im Sinne dieser Begriffsbestimmung erfüllt hätten, ergebe sich schon allein aus der Tatsache, daß sie mindestens 16 Jahre gestanden hätten. Es könne nicht Sinn und Zweck des § 104 Abs. 1 LAG sein, den Grundstückseigentümer zu veranlassen, bei der Bebauung eines kriegszerstörten Grundstücks wieder an die Verhältnisse anzuknüpfen, die vor der Zerstörung bestanden hätten, da sonst die Tendenz des Gesetzgebers, den Wiederaufbau auch im Interesse der Allgemeinheit anzuspornen, nicht hätte realisiert werden können. Auch die Frage, ob eine Wiederherstellung der ursprünglichen Schuppen eine Bedienung der HGA-Leistungen zugelassen hätte oder nicht, sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet.

Nach § 104 Abs. 1 LAG kann eine Abgabeschuld herabgesetzt werden, wenn ein zerstörtes Gebäude bei Vorliegen der dort genannten weiteren Voraussetzungen als Dauerbau wiederaufgebaut worden ist. Die Herabsetzung der Abgabeschuld ist auch zulässig, wenn das wiederaufgebaute Gebäude in Gestaltung oder Zweckbestimmung von dem früheren Gebäude abweicht (§ 104 Abs. 1 Satz 2 LAG). Da die hier neu errichteten Wohngebäude öffentlich geförderte Wohnungsbauten sind, die unstreitig mit zinsverbilligten Mitteln erstellt wurden, könnte die Abgabeschuld auch ohne Durchführung einer besonderen Wirtschaftlichkeitsberechnung auf 0 DM herabgesetzt werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 der 18. AbgabenDV-LA), wenn die übrigen Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 LAG erfüllt wären. Der Kläger sieht diese Voraussetzungen als gegeben an. Auch die Vorentscheidung legt den Begriff Wiederaufbau in seinem Sinne aus. Der erkennende Senat hält diese Begriffsauslegung jedoch für rechtsirrig.

Der Begriff des Wiederaufbaus ist wie auch der in § 104 LAG verwendete Begriff der Wiederherstellung seinem Inhalt nach ein bautechnischer Begriff. Wird ein kriegszerstörtes Gebäude wiederaufgebaut, so besagt dies zunächst nur, daß der Zustand wiederhergestellt werden soll, der vor der Zerstörung bestanden hat. Geschieht dies, so ist das Gebäude als Wiederaufbau anzusehen. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß die Herabsetzung der Abgabeschuld nach § 104 LAG auf diejenigen Wiederaufbaukosten zu begrenzen wären, die für das Gebäude aufgewandt wurden, um es in den Zustand zu versetzen, den es vor der Zerstörung gehabt hat. Eine solche Begrenzung würde dem Willen des Gesetzgebers nicht entsprechen, da nach § 104 Abs. 1 Satz 2 LAG die Herabsetzung der Abgabeschuld auch zulässig ist, wenn das wiederaufgebaute (wiederhergestellte) Gebäude in Gestaltung und Zweckbestimmung von dem früheren Gebäude abweicht. Hieraus ist zu entnehmen, daß nicht eine vollständige Identität des wiederaufgebauten Gebäudes mit dem Gebäude vor der Zerstörung gefordert wird (siehe BFH-Entscheidung III 257/63 vom 4. März 1966, BFH 85, 482, BStBl III 1966, 429, 431). Auch der BdF hat in Tz. 29/30 des Erlasses vom 29. Juni 1957 (a. a. O.) ausgeführt, auf dem kriegsbeschädigten Grundstück wieder errichtete Gebäude könnten von den früher vorhandenen Gebäuden durch eine größere oder geringere Höhe abweichen. Entsprechendes habe zu gelten, wenn auf dem Grundstück Gebäude über die Zahl der früher vorhandenen Gebäude hinaus errichtet würden. Der erkennende Senat hat diese Auffassung ausdrücklich gebilligt und entschieden, daß dieser Erlaß dem Wortlaut des § 104 Abs. 1 Satz 2 LAG entspreche und den Sinn dieser Vorschrift berücksichtige. Der Senat vermag sich nicht der Auslegung anzuschließen, die der Abgabeschuldner den Begriffen "Gestaltung" und "Zweckbestimmung" in § 104 Abs. 1 Satz 2 LAG unterstellen möchte, indem er jede Art von Wiederbebauung eines Grundstücks, auf dem sich ein total zerstörtes Bauwerk befand, das nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen den Begriff eines Gebäudes zu erfüllen geeignet sein kann, durch einen Neubau als ausreichend ansieht, auch wenn es sich bei dem Neubau um ein in keiner Weise mit dem früheren vergleichbares Bauwerk handelt.

Bei dem Tatbestandsmerkmal des Wiederaufbaus (Wiederherstellung) eines Gebäudes ist zu berücksichtigen, daß eine zu weit ausdehnende Auslegung selbst bei Berücksichtigung der Zweckbestimmung des § 104 LAG, den Wiederaufbau und die Wiederherstellung kriegszerstörter und kriegsbeschädigter Gebäude weitgehend zu fördern, den Rahmen dieser Zweckbestimmung unter Berücksichtigung der Zielsetzung des LAG sprengen würde und dem Willen des Gesetzgebers nicht unterstellt werden kann. Wenn es in § 104 Abs. 1 Satz 2 LAG heißt, daß das wiederaufgebaute (wiederhergestellte) Gebäude in Gestaltung oder Zweckbestimmung von dem früheren Gebäude abweichen könne, so hat der Gesetzgeber damit zu erkennen gegeben, daß er nur "Abweichungen" von den früheren kriegszerstörten (kriegsbeschädigten) Gebäuden als unschädlich behandelt wissen will, nicht aber die Errichtung eines in jeder Hinsicht neu- und andersartigen Bauwerks, das - ggf. auch unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung - nicht mehr als ein "Wiederaufbau" des zerstörten Gebäudes gewertet werden kann. Denn das Wort "abweichen" bringt zum Ausdruck, daß eine gewisse Beziehung des neuen zum zerstörten Gebäude gegeben sein soll. Wann dies zutrifft, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Wenn im Streitfall an Stelle von zwei Holzschuppen, die zudem noch an einer Seite offen waren und ausschließlich der Lagerung von Holz dienten, zwei massive Wohngebäude errichtet wurden, so handelt es sich nicht mehr um einen Wiederaufbau eines kriegszerstörten Gebäudes im Sinne des § 104 Abs. 1 LAG.

Im Streitfall kommt noch hinzu, daß das Streitgrundstück als unbebautes Grundstück bewertet war. Offensichtlich hat die Bewertungsstelle - das ergibt sich auch aus einem bei den Akten befindlichen Aktenvermerk - die beiden Schuppen, wenn überhaupt, dann als Gebäude von untergeordneter Bedeutung angesehen (§ 45 BewDV in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung). Die Einwendungen des Abgabeschuldners hiergegen, daß es sich nicht um Gebäude von untergeordneter Bedeutung gehandelt habe, ergebe sich schon aus der Höhe der Feuerversicherungswerte, sind nicht geeignet, diese Beurteilung zu widerlegen. Es darf nicht übersehen werden, daß bei der Feuerversicherung die erhöhte Brandgefahr eine große Rolle spielt und daß die Schätzung des Gebäudewertes hierbei nicht nach bewertungsrechtlichen Grundsätzen erfolgt.

Nach alledem kann im Streitfall eine Herabsetzung der HGA nach § 104 Abs. 1 LAG nicht in Betracht kommen.

Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausging, war somit aufzuheben und die Berufung (Klage) als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68592

BStBl II 1969, 533

BFHE 1969, 124

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