Leitsatz (amtlich)
Wird ein Grundstück in der Weise auf eine Personengesellschaft übertragen, daß der Veräußerer mit anderen Personen die Gesellschaft gründet, das Grundstück einbringt und anschließend seinen Gesellschaftsanteil an einen Dritten "veräußert", so kann dies ein Mißbrauch von bürgerlich-rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten sein. Die Steuervergünstigung nach § 18 Abs. 2 des Rheinland-Pfälzischen GrEStG vom 1. Juni 1970 (= § 5 Abs. 2 GrEStG 1940) und § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Rheinland-Pfälzischen GrEStUmwG vom 22. April 1970 kann dann nicht gewährt werden.
Normenkette
StAnpG § 6; Rheinland-Pfälzisches GrEStG 1970 § 18 Abs. 2; GrEStG 1940 § 5 Abs. 2; Rheinland- Pfälzisches GrEStUmwG 1970 § 1 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
I. 1. Die A GmbH & Co. KG - deren Konkursverwalter der Kläger ist - ging aus einer KG hervor, die durch notariell beurkundeten Vertrag vom 6. Juli 1972 (URNr. ... des Notars Dr. X) von dem Kaufmann B und der Rechtsanwältin C gegründet worden war (Vertrag I). Herr B war Komplementär mit einem Anteil von 98/100 und Frau C. Kommanditistin mit einem Anteil von 2/100. Frau C hielt ihre Beteiligung "treuhänderisch" für Herrn B. In dem Vertrag heißt es u. a. : "Der Erschienene zu 1" (Herr B) "betreibt ... ein Einzelhandelsgeschäft unter der Firma ...
... Mit dem Eintritt der Erschienenen zu 2" (Frau C) "wird die vorgenannte Einzelhandelsfirma in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt ..."
Das Einzelhandelsgeschäft wurde auf einem Grundstück betrieben, welches Herrn B gehörte.
2. Am 7. Juli 1972 wurden die nachstehenden Verträge durch den Notar Dr. Y beurkundet:
a) Herr B, Frau C und die D-GmbH vereinbarten, daß die D-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin in die KG eintrat und Herr B die Stellung eines Kommanditisten erhielt (Vertrag II, Nrn. 2 und 3). Herrn B Hafteinlage galt nach dem Wortlaut des Vertrages als geleistet (Nr. 3). In dem Vertrag heißt es unter Nr. 1: "Herr B versichert, daß er in die Kommanditgesellschaft sein unter der Firma ... bestehendes Handelsgeschäft mit allen Aktiven und Passiven, wie sie in der von den Herren Wirtschaftsprüfer ... zu erstellenden Bilanz per 15.7.1972 ausgewiesen werden, eingebracht hat ... Herr B verpflichtet sich ferner, in einem gesonderten Vertrag sein Betriebsgrundstück ... in die Kommanditgesellschaft einzubringen." Nr. 7 des Vertrages hat folgenden Wortlaut: "Der vorstehende Vertrag ist nach der ausdrücklichen Erklärung der Beteiligten davon abhängig, daß der zwischen Herrn B und der E-GmbH beabsichtigte Verkauf des Kommanditanteils von Herrn B rechtswirksam zustande kommt."
b) Herr B und die KG, vertreten durch den Geschäftsführer der persönlich haftenden D-GmbH schlossen einen Einbringungsvertrag über das Herrn B gehörende Grundstück (Vertrag III). In dem Vertrag heißt es u. a. : "Herr B bringt in die Kommanditgesellschaft das oben bezeichnete Grundstück ein und verpflichtet sich, das Alleineigentum hieran auf die Kommanditgesellschaft zu nachstehenden Bedingungen zu übertragen: Die Einbringung erfolgt zum Teilwert im Zuge der Umwandlung der Einzelfirma in eine Kommanditgesellschaft. Das Grundstück wird sofort übergeben. Nutzen, Lasten und Gefahr gehen mit dem heutigen Tage auf die Kommanditgesellschaft über ..."
Nach Nr. 9 des Vertrages sollte die Auflassung erfolgen, sobald die Kommanditgesellschaft im Handelsregister eingetragen war.
c) Herr B "verkaufte und übertrug" der E-GmbH seinen Kommanditanteil gegen Zahlung von ... DM.
Mit vorläufigem Bescheid vom 24. November 1972 erhob das beklagte Finanzamt für den Vertrag III 210 000 DM Grunderwerbsteuer gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Rheinland-Pfälzischen Landesgesetzes über die Grunderwerbsteuer vom 1. Juni 1970 - GrEStG Rheinland-Pfalz - (Gesetz- und Verordnungsblatt 1970 S. 166 - GVBl 1970, 166 -). Die beantragte Steuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Rheinland-Pfälzischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Änderung der Unternehmensform vom 22. April 1970 - GrEStUmwG - (GVBl 1970, 144) lehnte es ab. Die Vorschrift setze voraus, daß der Einbringende seine bisherige Stellung als Inhaber des Einzelbetriebes in Form der Beteiligung an der Gesellschaft fortsetze. Diese Voraussetzung liege hier nicht vor. Eine wirkliche Beteiligung des Herrn B an der KG sei nicht gewollt gewesen, sondern ein Verkauf seines Unternehmens. Nur zu diesem Zweck habe er es in die KG eingebracht.
3. Nach erfolglosem Einspruch erhob die KG Klage. Während des Verfahrens vor dem Finanzgericht wurde am 1. Oktober 1973 über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet. Das Finanzamt hat den Rechtsstreit gemäß § 146 Abs. 3 der Konkursordnung (KO) aufgenommen mit dem Antrag, die zur Konkurstabelle angemeldete und im Prüfungstermin vom Kläger bestrittene Steuerforderung zur Konkurstabelle festzustellen.
Das Finanzgericht hat den Steuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung aufgehoben und festgestellt, daß die zur Konkurstabelle angemeldete Steuerforderung nicht bestehe. Der grunderwerbsteuerrechtlich relevante Vorgang sei im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Finanzamts nicht der Einbringungsvertrag vom 7. Juli 1972 (Vertrag III), sondern bereits der Vertrag vom 6. Juli des genannten Jahres (Vertrag I). Die Verpflichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Rheinland-Pfalz (= § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940) ergebe sich aus der Erklärung, daß die Einzelhandelsfirma mit dem Eintritt der Frau C in eine KG "umgewandelt" werde. Die Einbringungsverpflichtung habe auch das streitige Grundstück umfaßt, da es zum Betriebsvermögen der Einzelfirma gehört habe. Daß Herr B seine Kommanditbeteiligung bereits am nächsten Tage auf die E-GmbH übertragen habe, hindere nicht die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG. Diese Vorschrift verlange nicht, daß der Einbringende einige Zeit lang Gesellschafter der aufnehmenden Personengesellschaft bleibe. Zwar sei nicht zu verkennen, daß das GrEStUmwG nur die Änderung von Unternehmensformen, nicht aber Unternehmensverkäufe begünstigen wolle und daß dieser Zweck verfehlt sein könne, wenn die Änderung der Unternehmensform nur der Durchführung eines solchen Unternehmensverkaufes diene. Der Wortlaut des Gesetzes verbiete aber eine solche restriktive Auslegung.
Es liege auch keine Steuerumgehung vor, d. h. ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken der an den Verträgen vom 6. und 7. Juli 1972 beteiligten Personen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß bei Gründung der KG am 6. Juli 1972 nicht festgestanden habe, ob die E-GmbH den Kommanditanteil übernehmen werde.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Finanzamts ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Steueranspruch ergibt sich dem Grunde nach aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG Rheinland-Pfalz (= § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940). Der Senat geht mit dem Finanzgericht und dem Kläger davon aus, daß der Anspruch der KG auf Übereignung des Grundstücks bereits durch den Vertrag I begründet wurde. (Freilich wäre das Entscheidungsergebnis nicht anders, wenn erst der Vertrag III diesen Anspruch begründet hatte.)
a) Unschädlich ist, daß der angefochtene Steuerbescheid den Vertrag III und nicht den Vertrag I als Erwerbsvorgang nennt. Das Finanzamt hat mit seinem Steuerbescheid erkennbar die Tatsache erfaßt, daß sich Herr B gegenüber der KG u. a. zur Übereignung des Grundstücks verpflichtet hatte. Nur auf diesen Vorgang erstreckt sich auch das Urteil des Finanzgerichts. Der hier maßgebende der Besteuerung zugrunde liegende Lebenssachverhalt, dessen Teilausschnitte die Verträge I und III darstellen, wird dadurch nicht ausgewechselt; vielmehr wird nur der zugrunde liegende Sachverhalt rechtlich anders gewürdigt (vgl. die Urteile vom 6. Mai 1969 II 131/64, BFHE 96, 201, BStBl II 1969, 595, und vom 28. April 1970 II 144/64, BFHE 99, 320, BStBl II 1970, 674).
b) § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG und § 18 Abs. 2 GrEStG Rheinland-Pfalz (= § 5 Abs, 2 GrEStG 1940) sind hier nicht anwendbar; denn der Vertrag I ist so zu besteuern, als habe Herr B das Grundstück an die KG verkauft, ohne an dieser beteiligt gewesen zu sein (§ 6 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -).
Gemäß § 6 Abs. 1 StAnpG kann durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Steuerpflicht nicht umgangen oder gemindert werden. Die vertragliche Gestaltung, welche im vorliegenden Fall gewählt wurde, ist eine solche Umgehung.
Das Rechtsinstitut der Personengesellschaft soll den Zusammenschluß mehrerer Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes ermöglichen (§ 705 BGB). Die KG wurde hier jedoch nicht zu dem Zweck gegründet, daß Herr B und Frau C, die zudem seine Treuhänderin war, als gemeinsamen Zweck das bisherige Einzelunternehmen des Herrn B in dieser Gesellschaftsform auf die Dauer fortführten. Auf die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks auf die KG ging Herr B nicht mit dieser Zielrichtung ein. Vielmehr war geplant, daß er sobald wie möglich wieder aus der Gesellschaft ausschied und ein anderer seinen Gesellschaftsanteil übernahm. Diese beabsichtigte Gestaltung wurde verwirklicht; der Gesellschafterwechsel fand einen Tag später statt. Auf diese Weise wurde die Gesellschafterstellung des Herrn B und damit die Rechtsform der Personengesellschaft zu einem Zweck verwendet, für den sie nach dem Sinn des Gesetzes, wie er sich aus dem Wortlaut des § 705 BGB ergibt, nicht gedacht ist. Sie wurde für einen Verkauf des Einzelunternehmens und damit des Grundstückes durch Herrn B an die KG mißbraucht.
Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts kommt es nicht darauf an, daß bei Gründung der KG noch nicht endgültig feststand, ob die E-GmbH den Kommanditanteil übernehmen würde. Es genügt, daß die Gesellschaft in der Absicht gegründet wurde, sobald wie möglich an Stelle des Herrn B einen Interessenten in die KG aufzunehmen, und daß sich diese Erwartung erfüllt hat. Daß die Käuferseite an dem Vertrag I nicht mitgewirkt hat, hindert die Annahme einer Steuerumgehung entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht. Für die Annahme einer Steuerumgehung reicht es aus, daß die Käuferseite sich an dem folgenden Tage auf den Boden der Gesellschaftsgründung vom Vortage stellte, den geschlossenen Gesellschaftsvertrag verdeutlichte, umgestaltete und den von vornherein beabsichtigten Verkauf des Unternehmens dadurch herbeiführte, daß mit dem Kaufmann B ein Vertrag über die Abtretung seines Anteils am Gesellschaftsvermögen geschlossen wurde.
Beachtliche außersteuerrechtliche Gründe für die gewählte bürgerlich-rechtliche Gestaltung würden die Anwendung des § 6 StAnpG zwar ausschließen (vgl. zuletzt das Urteil vom 27. Januar 1977 IV R 46/76, BFHE 122, 445, BStBl II 1977, 754). Solche Gründe kann der Kläger jedoch nicht in Anspruch nehmen.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ist offengeblieben, ob Herr B die KG vornehmlich in der Absicht gründete, das Unternehmen steuergünstiger verkaufen zu können (Seite 11 der Urteilsausfertigung); Anlaß der Gesellschaftsgründung war für Herrn B "in erster Linie" der Umstand, daß die in Frage kommenden Kaufinteressenten es vorzogen, das Unternehmen in dieser Rechtsform zu übernehmen (S. 9 der Urteilsausfertigung). Das ist jedoch unerheblich. Wenn die Erwerber die Haftungsbeschränkung durch die Rechtsform der GmbH & Co. KG wünschten, dann brauchte Herr B nicht vorübergehend Mitglied einer solchen Gesellschaft zu werden.
Gemäß § 6 Abs. 2 StAnpG ist die Steuer so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wäre. Ist demnach der Vorgang so zu besteuern, als habe Herr B das Grundstück an die KG verkauft, ohne daß der Umweg über seine vorübergehende Beteiligung an der Gesellschaft gewählt wurde, so können § 18 Abs. 2 GrEStG Rheinland-Pfalz (= § 5 Abs. 2 GrEStG 1940) und § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStUmwG nicht angewendet werden. Die erstgenannte Vorschrift setzt eine Beteiligung des Veräußernden an der Personengesellschaft im Zeitpunkt des Veräußerungsvorganges voraus, die Letztgenannte die Gewährung einer solchen Beteiligung als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstückes. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor, weil gemäß § 6 Abs. 2 StAnpG die Steuer so zu erheben ist, als sei Herr B nicht an der KG beteiligt gewesen.
2. Das Finanzgericht hat bisher - aus seiner Sicht zu Recht - keine Tatsachen festgestellt, die eine Berechnung der Gegenleistung im Sinne des § 24 GrEStG Rheinland-Pfalz (= § 11 GrEStG 1940) und damit der Steuer ermöglichen. Deshalb muß die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen werden.
Zwar hatte das Finanzamt die Höhe der Gegenleistung vorerst nicht ermitteln können und den Steuerbescheid für vorläufig erklärt. Unter solchen Umständen ist in der Regel eine Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht nicht notwendig, weil die abschließende Prüfung der endgültigen Veranlagung überlassen bleibt (Urteil vom 8. März 1972 II R 45-46/71, BFHE 105, 444, BStBl II 1972, 628). Im vorliegenden Fall ist jedoch inzwischen das Konkursverfahren über das Vermögen der KG eröffnet worden. Die Konkursordnung kennt keine dem § 100 der Reichsabgabenordnung vergleichbare vorläufige Feststellung zur Konkurstabelle (§ 146 KO, vgl. Geist, Insolvenzen und Steuern Rdnr. 15).
Fundstellen
Haufe-Index 72836 |
BStBl II 1978, 577 |
BFHE 1979, 390 |