Leitsatz (amtlich)
Die Nachzahlung einer Altersrente aus der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ist keine "Entschädigung" im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG und stellt auch keine "Entlohnung für eine Tätigkeit" im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG dar.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger erhielt im Jahre 1964 neben seinen laufenden Bezügen aus einer Altersrente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Nachzahlung, weil die Rente falsch berechnet worden war. Das FA lehnte es ab, die Einkommensteuer wegen dieser Nachzahlung nach § 24 Nr. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG zu ermäßigen. Die deshalb erhobene Klage wies das FG mit der Begründung ab, die Nachzahlung sei keine "Entschädigung" im Sinne des § 24 Abs. 1 EStG; die Ermäßigungsvorschrift des § 34 Abs. 3 EStG sei schon deshalb nicht anwendbar, weil Bezüge in Gestalt einer Altersrente keine Entlohnung für eine Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift seien.
Die vom FG zugelassene Revision gegen das in EFG 1968, 573 veröffentlichte Urteil begründet der Kläger wie folgt: Das FG habe den § 24 Nr. 1a EStG zu eng ausgelegt. Tipke habe in seiner Stellungnahme zum Urteil des BFH IV 223/58 S vom 17. Dezember 1959 (BFH 70, 195, BStBl III 1960, 72) bei Loepelmann (Besprechungen von Urteilen, Beschlüssen und Gutachten des BFH XII 60 - III - 1) erklärt, § 24 Nr. 1a EStG ziele auf eine Milderung der Tarifprogression ab. Ähnlich habe sich Grass zum BFH-Urteil IV 115/63 U vom 22. Juli 1965 (BFH 83, 149, BStBl III 1965, 555) bei Loepelmann, a. a. O., (IV) 1, geäußert. Die dem § 24 Nr. 1a EStG zugrunde liegende Billigkeitserwägung müsse allen Steuerpflichtigen zugute kommen. Soweit der Wortlaut des Gesetzes dieser Forderung nicht entspreche und daher eine Gesetzeslücke vorliege, müsse das Gericht ihr im Wege der Gesetzesauslegung Geltung verschaffen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Nachzahlung einer Altersrente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte keine "Entschädigung" im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG ist und auch keine "Entlohnung für eine Tätigkeit" im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG darstellt.
Die Auffassung des Klägers, das FG habe den § 24 Nr. 1a EStG zu eng ausgelegt, vermag der Senat nicht zu teilen. Eine Rechtsvorschrift ist nach ihrem Wortlaut und nach dem Sinnzusammenhang auszulegen, in den sie hineingestellt ist (vgl. das BFH-Urteil IV 90/63 S vom 27. Februar 1964, BFH 79, 175, BStBl III 1964, 296). Seinem Wortlaut zufolge erfaßt der § 24 Nr. 1a EStG nur Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind. Mit dem Begriff "Entschädigungen" können nur solche Leistungen gemeint sein, die zum Ausgleich eines Schadens bestimmt sind. Dafür spricht insbesondere, daß die Entschädigungen "als Ersatz" geleistet sein müssen. Zu solchen Ersatzleistungen kann die Rentennachzahlung nicht gerechnet werden, weil, wie das FG zutreffend hervorhebt, sie nur diejenige Leistung darstellt, die dem Kläger aus dem Versicherungsverhältnis zustand. Sie ist lediglich verspätet erbracht worden und gleicht nicht einmal den in der Verspätung liegenden Nachteil aus. Dem Kläger ist daher auch keine der Nachzahlung entsprechende Einnahme "entgangen"; er hat diese Einnahme lediglich verspätet erzielt. Aus dem Sinnzusammenhang der Nr. 1a mit der Nr. 1b des § 24 EStG kann gegen dieses Ergebnis nichts hergeleitet werden. Denn auch die Nr. 1b erfaßt nur solche Fälle, in denen der Steuerpflichtige etwas anderes erhält als das, was er ursprünglich zu beanspruchen hatte. Eine Erweiterung des Begriffs "Entschädigungen" läßt sich auch aus der Vorschrift des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht rechtfertigen, wonach als außerordentliche Einkünfte, die nach Abs. 1 tarifbegünstigt sind, auch die Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 in Betracht kommen. Denn der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift eindeutig den Willen bekundet, den Begriff der "Entschädigungen" nur in dem Sinne gelten zu lassen, wie er sich aus § 24 Nr. 1 EStG ergibt. Die Bedeutung des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG beschränkt sich demnach darauf, die Tarifbegünstigung des Abs. 1 auch für diese Entschädigungen in Betracht zu ziehen.
Auch die vom Kläger erwähnten Ausführungen von Tipke und von Grass können der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Das von Tipke besprochene BFH-Urteil befaßt sich mit einer unstreitig unter § 24 Nr. 1a EStG fallenden Entschädigung für entgangene Einnahmen aus Gemüseanbau. Streitig war nur, ob an der ständigen Rechtsprechung des RFH festzuhalten sei, daß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf solche Entschädigungen nicht angewandt werden könne, die im Rahmen gewerblicher oder land- und forstwirtschaftlicher Betriebe angefallen sind. Tipke hat der Aufgabe dieser den § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG einschränkenden Rechtsprechung durch den BFH zugestimmt. Wenn er in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, daß der Sinn und der Zweck des § 34 Abs. 2 EStG auf eine Milderung der Tarifprogression abziele und die der Vorschrift zugrunde liegende Billigkeitserwägung allen Steuerpflichtigen ohne Rücksicht auf die Art der von ihnen bezogenen Einkünfte zugute kommen müsse, so ging es ihm allein um die Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf alle Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG, nicht aber auch um eine Ausdehnung des Entschädigungsbegriffs. Tipke weist in seinen weiteren Ausführungen (a. a. O.) im übrigen mit Recht darauf hin, daß nach § 34 Abs. 2 EStG die Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG als tarifbegünstigte außerordentliche Einkünfte lediglich "in Betracht" kommen, also nicht zu tarifbegünstigten außerordentlichen Einkünften erklärt worden sind. Das Urteil des BFH IV 115/63 U (a. a. O.) und seine Besprechung durch Grass (a. a. O.) beschäftigen sich nur mit der Berechnung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG. Daraus kann für den vorliegenden Fall nichts hergeleitet werden.
Das FG hat schließlich auch zutreffend die Anwendbarkeit der Ermäßigungsvorschrift des § 34 Abs. 3 EStG verneint. Nach dieser Vorschrift können Einkünfte, die die Entlohnung für eine sich über mehrere Jahre erstreckende Tätigkeit darstellen, zum Zwecke der Einkommensteuer-Veranlagung auf die Jahre verteilt werden, in deren Verlauf sie erzielt wurden, und als Einkünfte eines jeden dieser Jahre angesehen werden. Der steuersystematische Sinn und Zweck dieser Regelung besteht darin, bei zusammengeballten Entlohnungen für die Tätigkeit mehrerer Jahre die Tarifprogression auszuschalten und die Steuer so zu erheben, als ob die Entlohnungen jeweils im Jahre der Tätigkeit zugeflossen wären. Daraus ergibt sich zwar nach Auffassung des Senats das Gebot, die Vorschrift weitherzig auszulegen (vgl. das Urteil VI 32/56 U vom 8. März 1957, BFH 64, 496, BStBl III 1957, 185; ebenso Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl. 1969, § 34 Anm. 23 mit weiteren Hinweisen) und z. B. auch auf Nachzahlungen anzuwenden, die als Ruhegehalt für eine frühere Arbeitnehmertätigkeit gezahlt werden (vgl. das Urteil VI 155/56 U vom 28. Februar 1958, BFH 66, 435, BStBl III 1958, 169). Der Senat kann sich jedoch wegen seiner Bindung an das Gesetz nicht darüber hinwegsetzen, daß der § 34 Abs. 3 EStG nur solche Einkünfte erfaßt, die die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen. Im vorliegenden Falle wurden jedoch durch die Nachzahlung keine Ansprüche aus der früheren Arbeitnehmertätigkeit, sondern nur solche aus einem Versicherungsverhältnis erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 69138 |
BStBl II 1970, 784 |
BFHE 1971, 42 |