Leitsatz (amtlich)

›Mehrere nicht verselbständigte Teilbeträge derselben Forderung können nicht in einem Eventualverhältnis zueinander zum Gegenstand von Hilfsaufrechnungen gemacht werden.‹

 

Verfahrensgang

LG Bremen

OLG Bremen

 

Gründe

I. Der Kläger ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Bremen vom 16. Juli 1992 verurteilt worden, an die Beklagte 21.546 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Februar 1992 zu zahlen.

Mit der vorliegenden Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO macht er geltend, der titulierte Anspruch sei durch Aufrechnung mit Gegenforderungen, die erst nach Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß entstanden seien, erloschen:

Zum einen sei die Beklagte aus dem Mietvertrag der Parteien verpflichtet gewesen, das Dachgeschoß ihres Hauses so auszubauen, daß darin ein zahntechnisches Labor betrieben werden könne. Er habe die Beklagte unter Vorlage von Planungsunterlagen und einem (nicht näher aufgeschlüsselten) Kostenvoranschlag einer Baufirma für den schlüsselfertigen Ausbau, der sich auf 218.863,48 DM zuzüglich Mehrwertsteuer belaufe, vergeblich aufgefordert, den Ausbau bis zum 31. August 1992 vornehmen zu lassen. Ihm stehe daher zwecks Durchführung einer Ersatzvornahme in entsprechender Anwendung der §§ 538 Abs. 2, 633 Abs. 2 BGB seit dem 1. September 1992 ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses in entsprechender Höhe zu.

Insoweit hatte der Kläger einen nach einzelnen Gewerken aufgeschlüsselten Kostenvoranschlag nachgereicht und in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erklärt, daß er die einzelnen Positionen in der Reihenfolge dieses Voranschlages zur Aufrechnung stelle.

Zum anderen stehe ihm ein Anspruch auf Rückzahlung überzahlter anteiliger Miete für das Dachgeschoß für die Zeit von April 1990 bis Januar 1992 in Höhe von 20.969,30 DM zu, mit dem er am 11. September 1992 hilfsweise aufgerechnet habe und auf den er die Vollstreckungsklage ebenfalls stütze.

Das Landgericht wies die Vollstreckungsgegenklage ab. Die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers blieb erfolglos. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, dem Kläger stehe wegen der trotz Aufforderung nicht erfolgten Vornahme des Dachgeschoßausbaus weder ein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses noch ein Anspruch auf Schadensersatz zu.

Den Wert der Beschwer des Klägers setzte das Oberlandesgericht auf 21.546 DM fest.

Der Kläger hat Revision eingelegt. Er beantragt, seine Beschwer durch das Berufungsurteil auf mehr als 60.000 DM festzusetzen. Dazu trägt er vor:

1. Wegen seines noch nicht beschiedenen Antrags auf Urteilsberichtigung und -ergänzung seien Inhalt und Umfang der - möglichen - Rechtskraft des angefochtenen Urteils ungewiß.

2. Mit seinem Kostenvorschußanspruch habe er jeweils hilfsweise in der Reihenfolge der Positionen des Kostenvoranschlages vom 22. Dezember 1992 aufgerechnet. Da ihm dieser Anspruch insgesamt aberkannt worden sei, beschwere ihn diese Entscheidung mit über 200.000 DM.

3. Weder das Urteil des Landgerichts noch das Berufungsurteil habe sich mit dem weiter hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Rückforderungsanspruch befaßt. Dennoch sei davon auszugehen, daß die Rechtskraft des Berufungsurteils auch diesen Anspruch erfasse. Dies führe zu einer weiteren Beschwer in Höhe von 20.969,30 DM.

4. Eine weitere Beschwer sei darin zu sehen, daß das Berufungsgericht ihm auch einen bisher überhaupt nicht geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aberkannt habe.

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

Die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte rechtfertigen keine Bemessung seiner Beschwer auf einen Wert von mehr als 60.000 DM.

1. Mit seinem Antrag auf Berichtigung des Berufungsurteils beantragt der Kläger unter anderem, die Ausführungen darüber zu streichen, daß ihm ein Schadensersatzanspruch wegen des unterbliebenen Dachgeschoßausbaus nicht zustehe. Dies kann allenfalls zu einem Wegfall der unter 4. geltend gemachten Beschwer führen, nicht aber zu einer weiteren Beschwer, so daß insoweit auf die nachstehenden Ausführungen zu 4. verwiesen werden kann.

Die darüber hinaus verlangten Berichtigungen betreffen tatsächliche Umstände, die sich auf die Höhe der Beschwer nicht auswirken.

Die zugleich beantragte Urteilsergänzung zu dem hilfsweise geltend gemachten Rückforderungsanspruch soll die nach Auffassung des Klägers ohnehin gegebene Beschwer zu 3. ersichtlich machen; insoweit wird auf die nachstehenden Ausführungen zu 3. verwiesen.

2. Die Rechtsmittelbeschwer bemißt sich bei der Vollstreckungsgegenklage grundsätzlich nach dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs.

Wird eine solche Klage aber neben anderen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch vorsorglich auch mit Aufrechnung begründet, so ist der Kläger im Fall der Klageabweisung in Höhe sowohl der titulierten Forderung als auch der Aufrechnungsforderung beschwert, soweit die Entscheidung über die Aufrechnungsforderung in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO der Rechtskraft fähig ist (BGHZ 48, 356, 360).

a) Hier hat der Kläger die Vollstreckungsgegenklage allerdings allein darauf gestützt, daß der titulierte Anspruch nachträglich durch Aufrechnung mit mehreren hilfsweise gestaffelten Gegenforderungen erloschen sei. Hinsichtlich der ersten Gegenforderung - Vorschußanspruch - handelt es sich daher um eine Primäraufrechnung (vgl. Schneider, Streitwert-Kommentar, 10. Aufl. Rdn. 400 m.N.), während die titulierte Forderung im Verhältnis zu allen weiteren Gegenansprüchen als mit dem Einwand der Tilgung durch die Primäraufrechnung bestritten anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluß vom 6. November 1991 - VIII ZR 294/90 - BGHR GKG § 19 Abs. 3 Primäraufrechnung 1).

Hinsichtlich dieser Primäraufrechnung streiten die Parteien wirtschaftlich nur um einen Betrag, der die Höhe der titulierten Forderung nicht übersteigt, so daß die Abweisung der Vollstreckungsgegenklage den Kläger insoweit auch nur in dieser, nicht in der doppelten Höhe beschwert (vgl. BGHZ 57, 301, 303 f.).

b) Entgegen der Ansicht des Klägers stellt sich dessen Aufrechnung mit einem Vorschußanspruch auch nicht teilweise als Hilfsaufrechnung dar.

Zunächst ist zu beachten, daß der Kläger insoweit keine Prozeßaufrechnung erklärt hat, sondern die titulierte Forderung der Beklagten mit dem rechtsvernichtenden Einwand bekämpft, gegen diese Forderung bereits früher, nämlich mit Schreiben vom 1. September 1992, aufgerechnet zu haben (vgl. dazu MünchKomm/von Feldmann, BGB, 3. Aufl. § 387 Rdn. 23), und zwar in Höhe eines Teilbetrages von 21.996,07 DM eines noch nicht nach einzelnen Positionen aufgeschlüsselten Vorschußanspruchs von 218.863,48 DM zuzüglich Mehrwertsteuer.

Die spätere Prozeßerklärung, die einzelnen Positionen des Kostenvoranschlages vom 22. Dezember 1992 in der daraus ersichtlichen Reihenfolge zur Aufrechnung zu stellen, ist nicht geeignet, diese Aufrechnung in eine Primäraufrechnung mit den ersten und eine gestaffelte Hilfsaufrechnung mit den weiteren Positionen aufzuspalten. Diese Positionen stellen nämlich lediglich unselbständige Berechnungsposten eines einheitlichen Vorschußanspruchs dar. Dies ergibt sich bereits aus der Natur des Anspruchs auf Vorschuß für die Mängelbeseitigung, da die Vorschußzahlung lediglich vorläufigen Charakter hat und über sie nach Beseitigung der Mängel abzurechnen ist (vgl. BGHZ 47, 272, 274). Außerdem wird dieser Anspruch auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt gestützt, nämlich die Weigerung der Beklagten, das Dachgeschoß auszubauen; dieser Anspruch könnte beispielsweise Gegenstand eines Grundurteils sein, während dem Betragsverfahren die Prüfung vorbehalten bleiben kann, ob und inwieweit einzelne Schadensposten auf die schadenstiftende Handlung zurückzuführen sind (vgl. BGHZ 108, 256, 259). Auch dies zeigt, daß es sich nicht um mehrere selbständige Ansprüche handelt.

Mehrere nicht verselbständigte Teilbeträge derselben Forderung können aber nicht in einem Eventualverhältnis zueinander zum Gegenstand von Hilfsaufrechnungen gemacht werden; andernfalls hätte der Aufrechnende es in der Hand, seine mögliche Beschwer durch Aufteilung seiner Forderung beliebig zu vervielfachen (vgl. Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. § 322 Anm. H IV b 4; vgl. auch BGH, Beschluß vom 26. April 1991 - V ZR 213/89 - NJW 1992, 317, 318).

Die Befürchtung des Klägers, bei erneuter gerichtlicher Geltendmachung des 21.546 DM übersteigenden Restes des Vorschußanspruchs dem Einwand der Rechtskraft ausgesetzt zu sein, ist daher nicht begründet. Auch wenn das Berufungsurteil den Vorschußanspruch in den Entscheidungsgründen verneint hat, erfaßt die Rechtskraftwirkung der Entscheidung die zur Aufrechnung gestellte Forderung in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 ZPO (vgl. RGZ 49, 403, 404 f.; BGHZ 48, 356, 360) nur bis zur Höhe der titulierten Forderung, der gegenüber die Aufrechnung geltend gemacht wurde. Die Beschwer des Klägers beträgt insoweit, da eine Verdoppelung aus den oben zu a) dargelegten Gründen nicht stattfindet, nur 21.546 DM.

3. Es kann dahinstehen, ob eine weitere Beschwer des Klägers in Höhe von 20.969,30 DM vorliegt, weil das Oberlandesgericht einen hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Rückforderungsanspruch des Klägers bereits aberkannt hat, oder ob eine weitere Beschwer in Höhe dieses Betrages gegeben wäre, wenn seinem Antrag auf Urteilsergänzung stattgegeben würde. Auch bei Hinzurechnung dieser weiteren Beschwer ist der Antrag, die Beschwer auf über 60.000 DM festzusetzen, nicht gerechtfertigt, wenn die Ausführungen des Berufungsurteils zu einem Schadensersatzanspruch wegen des unterbliebenen Dachgeschoßausbaus den Kläger nicht zusätzlich beschweren.

Eine solche zusätzliche Beschwer ist nicht gegeben:

4. Es kann dahinstehen, ob eine Entscheidung über einen im Rechtsstreit nicht erhobenen Anspruch überhaupt in Rechtskraft erwachsen und damit zu einer Beschwer führen kann (zum Meinungsstand vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl. § 322 Rdn. 190). Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht nämlich keinen vom Kläger gar nicht zum Streitgegenstand gemachten Schadensersatzanspruch aberkannt, sondern lediglich pflichtgemäß geprüft, ob der als Vorschußanspruch zur Aufrechnung gestellte Zahlungsanspruch aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts etwa aus anderen Gründen - hier aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung - gerechtfertigt sei. Es handelt sich daher nicht um eine Entscheidung über einen weiteren Streitgegenstand, sondern lediglich um eine zusätzliche Begründung der Entscheidung über den vom Kläger als Vorschußanspruch geltend gemachten und zur Aufrechnung gestellten Gewährleistungsanspruch aus §§ 537, 538 BGB. Darin liegt keine zusätzliche Beschwer des Klägers.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993316

BGHR GKG § 19 Abs. 3 Satz 1 Hilfsaufrechnung 1

BGHR ZPO § 322 Abs. 2 Hilfsaufrechnung 8

NJW-RR 1995, 508

WM 1995, 906

MDR 1995, 407

WuM 1995, 273

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