Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergewaltigung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 12. September 2000 in den Aussprüchen über die im Fall II 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe und über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen Vergewaltigung und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es Anordnungen nach §§ 69, 69 a StGB getroffen.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachbeschwerde führt zur Aufhebung der im Fall II 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe und der Gesamtfreiheitsstrafe; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die im Fall II 2 der Urteilsgründe wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Freiheitsberaubung verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten hat keinen Bestand. Das Landgericht hat bei der Bemessung dieser Einzelstrafe einen zu großen Schuldumfang zugrundegelegt, weil es rechtsfehlerhaft von einer zweimaligen Verwirklichung des Tatbestandes des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB ausgegangen ist.
a) Nach den Feststellungen (UA 9/10) wollte der Angeklagte am Tattage Ina M., die sich endgültig von ihm getrennt hatte, „notfalls mit Gewalt, zu sich zurückholen”. Hierzu wollte er sie auf die Rückbank seines Fahrzeugs locken und durch die aktivierte Kindersicherung am Aussteigen hindern. Versuche des Angeklagten, Ina M. zum Einsteigen in seinen Pkw Mercedes zu bewegen, scheiterten. Der Angeklagte packte Ina M. von hinten und stieß sie zum Fahrzeug. Als Ina M. zu schreien begann und versuchte, sich loszureißen, sprühte ihr der Angeklagte Pfefferspray ins Gesicht, schob sie ins Auto, schloß die Tür und fuhr los. Da sie wegen der Kindersicherung nicht aussteigen konnte, geriet Ina M. in Panik, und trat mit den Füßen die Seitenscheibe hinter dem Beifahrersitz heraus. Sie kletterte mit den Füßen voraus aus dem fahrenden Fahrzeug, „so daß sie sich nur noch mit dem Kopf und einem Teil des Oberkörpers im Fahrzeuginnenraum befand”. Der Angeklagte hielt sie mit einer Hand an der Jacke und an den Haaren fest. „Die Schuhe von Ina M. streiften bereits am Boden, als der Angeklagte die Fahrt fortsetzte und sein Fahrzeug noch beschleunigte, weswegen Ina M. die Beine anzog”. Der Angeklagte forderte sie auf, wieder ins Fahrzeug hineinzuklettern, drohte ihr, sie anderenfalls zu überfahren, und fuhr mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h über mehrere 100 Meter weiter. In einer Sackgasse hielt er sein Fahrzeug an, ließ Ina M. los. Diese fiel zu Boden, stand sofort auf und lief weg. „Da der Angeklagte Ina M. wieder in seine Gewalt bringen wollte, fuhr er rückwärts auf sie zu, wobei er damit rechnete, sie mit dem Fahrzeug zu erfassen; eine mögliche Verletzung von ihr nahm er billigend in Kauf”. Ina M. wurde vom Fahrzeugheck seitlich an der rechten Hüfte angefahren und vom Fahrzeug weggeschleudert. Der Angeklagte verfolgte Ina M., die sofort aufgestanden war und auf dem Gehweg stadteinwärts zu flüchten versuchte, mit dem Mercedes und fuhr schräg auf den Gehweg, um ihr den Weg abzuschneiden. Als ein Mann eingriff und Ina M. über einen Zaun auf ein Privatgrundstück hob, erkannte der Angeklagte, daß er nun „nichts mehr ausrichten konnte”, und fuhr davon.
b) Das Landgericht hat in diesem Verhalten des Angeklagten rechtlich zutreffend eine Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB (vgl. BGH NStZ 1992, 33, 34) und, soweit er das Tatopfer mit seinem Auto angefahren hat, eine mit bedingtem Vorsatz begangene gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gesehen. Da das Tatopfer nach dem Sprühen des Pfeffersprays „Schmerzen in den Augen” hatte (UA 9), ist auch insoweit – worauf das Landgericht allerdings nicht ausdrücklich abgestellt hat – der Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt (vgl. BGH NStZ 1995, 339; Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 223 a Rdn. 6). Auch soweit das Landgericht den Angeklagten wegen eines zu den vorgenannten Delikten in Tateinheit stehenden gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Ermöglichung einer anderen Straftat gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB verurteilt hat, hält der Schuldspruch im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tatbestand des § 315 b StGB zweifach verwirklicht (vgl. UA 23).
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte den Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB nur einmal, nämlich dadurch verwirklicht, daß er mit seinem Mercedes rückwärts auf Ina M. zufuhr, um sie „wieder in seine Gewalt” zu bringen, und dabei eine mögliche Verletzung des Tatopfers billigend in Kauf nahm. Der Angeklagte hat damit sein Fahrzeug im Straßenverkehr zweckwidrig als gefährliches, gewichtig auf einen anderen Verkehrsteilnehmer einwirkendes Nötigungsmittel mißbraucht (vgl. BGHSt 28, 87, 89; BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 4 m.w.N.). Diese Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB führte zur konkreten Gefährdung des Tatopfers, das vom Fahrzeug erfaßt wurde und unter anderem Prellungen am rechten Oberschenkel und der unteren Brustwirbelsäule erlitt. Dabei handelte der Angeklagte in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen (§ 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB), denn er wollte das Tatopfer, nachdem es ihm entkommen war, erneut seiner Freiheit berauben. Der zweckwidrige Einsatz des Kraftfahrzeugs war mithin Mittel, die erneut beabsichtigte Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) zu ermöglichen.
Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe den Tatbestand des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB auch dadurch verwirklicht, daß er zuvor über eine Strecke von mehreren 100 Metern mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h weitergefahren war, obwohl das Tatopfer „sich nur noch mit einer Schulter und dem Kopf im Fahrzeug befand, während die anderen Körperteile bereits aus dem Fahrzeug hingen” (UA 23). Zwar kann eine solche Gewaltanwendung gegen eine Mitfahrerin, die das Fahrzeug verlassen möchte, als anderer, ebenso gefährlicher Eingriff im Sinne dieser Vorschrift aufzufassen sein. Voraussetzung ist jedoch, daß das Fahrzeug dabei zweckwidrig in verkehrsfeindlicher Einstellung eingesetzt, es also nicht seiner Zweckbestimmung entsprechend als Fortbewegungsmittel gebraucht, sondern zweckfremd als Mittel zur Gefährdung oder Verletzung eines Menschen mißbraucht wird (vgl. BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff 2; Eingriff, erheblicher 4). Dies ist jedoch nach den Feststellungen nicht der Fall. Der Angeklagte fuhr vielmehr allein deshalb weiter, um seinen ursprünglichen Tatplan zu verwirklichen, Ina M. „zu sich zurückzuholen”. Zudem hielt er das Tatopfer während der gesamten Fahrtstrecke an der Jacke und an den Haaren fest und ließ es erst nach dem Anhalten in der Sackgasse los (UA 10). Das Weiterfahren erfolgte mithin nicht zweckfremd zur Gefährdung oder Verletzung eines anderen Verkehrsteilnehmers, sondern zweckbestimmt, weil sich der Angeklagtemit dem Tatopfer zu einer anderen Stelle begeben wollte. Dies ist zwar ein gefährliches Verhaltenim Straßenverkehr, stellt aber noch keinen gefährlichen Eingriffin den Straßenverkehr dar (vgl. BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff 2, 4).
2. Die danach gebotene Aufhebung der im Fall II 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe führt zur Aufhebung auch des Gesamtstrafenausspruchs.
Die zugrundeliegenden Feststellungen können jedoch aufrechterhalten werden, da die teilweise Aufhebung des Strafausspruchs nur auf dem aufgezeigten Wertungsfehler beruht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 353 Rdn. 16).
Unterschriften
Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 584845 |
DAR 2001, 369 |
JA 2002, 18 |
NZV 2001, 352 |
VRS 2001, 447 |
VersR 2001, 913 |