Leitsatz (amtlich)
Verstirbt ein sich in einem Rechtsstreit selbst vertretender Rechtsanwalt, tritt eine Unterbrechung des Verfahrens auch dann ein, wenn für ihn ein allgemeiner Vertreter bestellt war, dessen Vertretungsbefugnis mit dem Tod des Rechtsanwalts endet.
Normenkette
ZPO § 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1, § 78 Abs. 4; BRAO § 53
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 29.06.2017; Aktenzeichen 6 U 8/17) |
LG Hannover (Entscheidung vom 29.11.2016; Aktenzeichen 20 O 269/14) |
Tenor
Das Verfahren ist wegen Todes des Klägers unterbrochen (§ 239 Abs. 1 ZPO).
Gründe
I.
Rz. 1
Der klagende Rechtsanwalt nimmt die Beklagten auf Zahlung von Anwaltsvergütung in Anspruch. Im Wege der Widerklage verlangen die Beklagten von dem Kläger Schadensersatz wegen einer vermeintlichen anwaltlichen Fehlberatung. Das Berufungsgericht hat durch Urteil vom 29.6.2017, das dem Kläger am 5.7.2017 zugestellt worden ist, der Klage teilweise stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Rz. 2
Die Rechtsanwaltskammer Braunschweig hat durch Bescheid vom 22.5.2017 Assessor B. für den Zeitraum vom 1.6. bis einschließlich 31.7.2017 als Vertreter für den Kläger in seinen Geschäften als Rechtsanwalt bestellt. Der Kläger ist am 11.7.2017 verstorben; Erben sind nicht bekannt. Durch Bescheid vom 18.7.2017 hat die Rechtsanwaltskammer Braunschweig Rechtsanwalt J. für die Zeit bis zum 18.10.2017 zum Abwickler der Kanzlei des Klägers ernannt. Die Anordnung ist durch Bescheid vom 16.10.2017 bis zum 31.3.2018 verlängert worden.
Rz. 3
Der Senat hat den Beklagten durch Beschluss vom 14.12.2017 Prozesskostenhilfe zur Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde gewährt, soweit ihr Widerklagebegehren abgewiesen worden ist. Die Beklagten, denen der Senatsbeschluss am 22.12.2017 zugestellt worden ist, haben am 3.1.2018 verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
II.
Rz. 4
Der Rechtsstreit ist durch den Tod des Klägers am 11.7.2017 unterbrochen worden, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war (§§ 239 Abs. 1, 246 Abs. 1 ZPO). Bei dieser Sachlage kann nicht über das Wiedereinsetzungsgesuch der Beklagten entschieden werden.
Rz. 5
1. Im Falle des Todes einer Partei tritt gem. § 239 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens bis zur Aufnahme durch den Rechtsnachfolger ein. Dies gilt gem. § 246 Abs. 1 ZPO nicht, wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfand.
Rz. 6
2. Im Streitfall ist der Kläger verstorben. Eine Unterbrechung des Verfahrens ist eingetreten, weil es an einer Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten fehlt.
Rz. 7
a) Der Kläger durfte sich als zugelassener Rechtsanwalt in vorliegendem Rechtsstreit mit den Beklagten selbst vertreten (§ 78 Abs. 4 ZPO). Verstirbt ein klagender Rechtsanwalt, der sich selbst vertreten hat, wird das Verfahren entsprechend der Regel des § 239 Abs. 1 ZPO grundsätzlich unterbrochen. Die Bestimmung des § 246 Abs. 1 ZPO, wonach bei Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten der Tod der Partei nur auf Antrag zu einer Aussetzung führt, beruht auf der Erwägung, dass die Prozessvollmacht gem. § 86 ZPO über den Tod des Mandanten hinaus fort gilt. Mangels Personenverschiedenheit von Mandant und Prozessbevollmächtigtem ist § 246 Abs. 1 ZPO im Fall des Versterbens eines sich selbst vertretenden Rechtsanwalts nicht einschlägig. Vielmehr gewinnt die Regelung des § 244 Abs. 1 ZPO Vorrang, wonach der Tod des Prozessbevollmächtigten das Verfahren unterbricht (BGH, Beschl. v. 29.3.1990 - III ZB 39/89, BGHZ 111, 104, 107; RG JW 1913, 876, 877; KG NJW-RR 2008, 142, 143; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 246 Rz. 2a; MünchKomm/ZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 246 Rz. 8; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 246 Rz. 3; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 246 Rz. 3; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 14. Aufl., § 246 Rz. 2; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 246 Rz. 3; Prütting/Gehrlein/Anders, ZPO, 9. Aufl., § 246 Rz. 5).
Rz. 8
b) Ausnahmsweise kommt es beim Tode eines sich selbst vertretenden Rechtsanwalts gem. § 246 Abs. 1 ZPO nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens, wenn der Rechtsanwalt durch eine andere Person weiterhin wirksam vertreten wird (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.1976 - IX ZR 28/73, BGHZ 66, 59, 61). Dies ist etwa beim Versterben des Mitglieds einer Rechtsanwaltssozietät anzunehmen, dessen verfahrensmäßigen Belange durch die weiteren vertretungsberechtigten Sozien wahrgenommen werden (BAG, NJW 1972, 1388 f.). Gleiches wurde in der Vergangenheit angenommen, wenn für den Anwalt noch zu Lebzeiten ein allgemeiner Vertreter - wie im Streitfall Assessor B. - bestellt worden war, dem gem. § 53 Abs. 7 BRAO die vollen anwaltlichen Befugnisse des Rechtsanwalts zustehen, den er vertritt. Hier sollte eine Verfahrensunterbrechung nicht stattfinden, weil der Vertreter auch noch nach dem Tod des Anwalts bis zu dessen Löschung in der Liste der Rechtsanwälte gem. § 54 BRAO a.F. zur Vertretung berechtigt war (BGH, Urt. v. 27.6.1973 - VIII ZR 220/72, BGHZ 61, 84 ff.; Beschluss vom 10.11.1981 - VIII ZR 315/80, NJW 1982, 2324 f.; vom 29.3.1990, a.a.O.; KG, a.a.O., S. 143). Verbreitet wird auch nach Wegfall des § 54 BRAO a.F. angenommen, dass eine Unterbrechung des Verfahrens nicht erfolgt, wenn ein allgemeiner Vertreter bestellt ist (Zöller/Althammer, a.a.O., § 78 Rz. 37; Zöller/Greger, a.a.O., § 246 Rz. 2a; Hüßtege in Thomas/Putzo, a.a.O.; Prütting/Gehrlein/Anders, a.a.O., § 244 Rz. 5, § 246 Rz. 5).
Rz. 9
c) Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden, weil nach Streichung des § 54 BRAO a.F. die Befugnisse eines allgemeinen Vertreters mit dem Tod des vertretenen Anwalts erlöschen und darum § 246 Abs. 1 ZPO nicht eingreift.
Rz. 10
aa) Tatsächlich endet die allgemeine Vertreterstellung in Anwendung von § 53 BRAO mit Ablauf eines etwaigen Bestellungszeitraums, mit Widerruf der Bestellung sowie mit dem Tod sowie mit dem Verlust der Postulationsbefugnis des vertretenen Anwalts (Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 53 Rz. 34; Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 53 Rz. 35b; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 86 Rz. 7; BT-Drucks. 16/11385, 37). Durch die Streichung des § 54 BRAO a.F. wurde der frühere Rechtszustand beseitigt, wonach Rechtshandlungen des Vertreters nach dem Tod des Vertretenen bis zu dessen Löschung aus der Liste der Rechtsanwälte wirksam waren (Prütting, a.a.O.; Schwärzer, a.a.O.; BT-Drucks., a.a.O., S. 37; der Hinweis von Zöller/Althammer, a.a.O., auf § 31 Abs. 5 BRAO hilft insoweit nicht weiter).
Rz. 11
bb) Im Streitfall war noch zu Lebzeiten des Klägers für diesen mit Assessor B. ein allgemeiner Vertreter im Zeitraum bis zum 31.7.2017 eingesetzt worden. Dessen Vertretungsbefugnisse endeten jedoch mit dem Tod des Klägers am 11.7.2017. Erst am 18.7.2017 wurde Rechtsanwalt J. zum Abwickler der Kanzlei des Klägers mit - aufgrund späterer Verlängerung der Anordnung - Wirkung bis zum 31.3.2018 berufen. Da der Kläger im Zeitraum vom 11. bis 18.7.2017 nicht vertreten war, trat gem. §§ 239 Abs. 1, 246 Abs. 1 eine Unterbrechung des Verfahrens ein (vgl. BT-Drucks. 16/11385, 37; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 244 Rz. 9). Durch die nachfolgende Bestellung von Rechtsanwalt J. als Abwickler wurde die eingetretene Unterbrechung weder rückwirkend beseitigt noch beendet (BGH, Beschl. v. 23.4.1981 - VII ZB 10/81, VersR 1981, 658; OLG Köln MDR 2008, 1300; Roth in Stein/Jonas, a.a.O.; MünchKomm/ZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 244 Rz. 20).
Rz. 12
3. Ist der Rechtsstreit unterbrochen, kann über das Gesuch der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht entschieden werden. Infolge der Verfahrensunterbrechung kann offen bleiben, ob eine Fristversäumung überhaupt vorliegt.
Rz. 13
Während der Unterbrechung sind nicht nur die von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung (§ 249 Abs. 2 ZPO). Der Regelung des § 249 ZPO ist vielmehr zu entnehmen, das auch Handlungen des Gerichts, die nach außen vorgenommen werden, grundsätzlich unwirksam sind (BGH, Beschl. v. 29.3.1990 - III ZB 39/89, BGHZ 111, 104, 107). Bei dieser Sachlage kann gegenwärtig über den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten nicht befunden werden. Im Unterschied zu Entscheidungen in der Hauptsache war der Senat durch die Verfahrensunterbrechung nicht gehindert, über das Gesuch der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden (BGH, Beschl. v. 23.3.1966 - Ib ZR 103/64, NJW 1966, 1126).
Fundstellen
Haufe-Index 11606925 |
DB 2018, 21 |