Leitsatz (amtlich)
›Zum Wert des Beschwerdegegenstandes der Berufung eines Unternehmers, der zur eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit des einem Handelsvertreter erteilten Buchauszuges verurteilt worden ist.‹
Gründe
I. Der Beklagte ist Konkursverwalter über das Vermögen der H. E. GmbH in N./W.-F.. Das Konkursverfahren wurde am 1. Juni 1981 eröffnet, der Beklagte führt seither den Betrieb der Gemeinschuldnerin fort. Der Kläger war seit dem 1. Juni 1973 als Handelsvertreter für die Gemeinschuldnerin tätig. Mit Schreiben vom 8. Mai 1985 kündigte die Gemeinschuldnerin das Handelsvertreterverhältnis fristlos aus wichtigem Grund; der Beklagte bestätigte die Kündigung mit Schreiben vom 3. Juni 1985. Der Kläger widersprach der Kündigung.
Er hat im Wege der Stufenklage Auskunft über die von den Kunden aus seinem Vertragsgebiet in der Zeit vom 1. Januar 1981 bis 8. November 1985 eingegangenen Aufträge durch Erteilung eines Buchauszuges, ggf. Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft an Eides statt sowie Zahlung der sich hieraus ergebenden restlichen Provision sowie eines Ausgleichs gemäß § 89 b HGB verlangt.
Durch rechtskräftiges Teilurteil des Landgerichts vom 1. Juni 1987 ist der Beklagte gemäß dem Antrag der ersten Stufe zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt worden. Der Kläger hat sodann mit der Behauptung, der Buchauszug sei unvollständig und unrichtig, die Verurteilung des Beklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, daß er den Buchauszug nach bestem Wissen und Gewissen und vollständig erteilt habe, sowie zur Zahlung bezifferter Provisions- und Ausgleichsbeträge verlangt. Durch weiteres Teilurteil vom 20. Dezember 1989 hat das Landgericht den Beklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß dem Antrag der zweiten Stufe verurteilt. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat den Streitwert für die Berufungsinstanz zunächst durch Beschluß vom 2. Mai 1990 ›vorläufig‹ auf 3.000 DM festgesetzt. Durch weiteren Beschluß vom 7. Oktober 1991 hat es sodann den Berufungsstreitwert mit 250 DM festgesetzt und die Berufung anschließend durch Beschluß vom 12. Dezember 1991 als unzulässig verworfen.
Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung, das Oberlandesgericht habe bereits vor Ablauf einer den Parteien gesetzten Frist zur Stellungnahme zum Streitwert und zur eventuellen Rücknahme der Berufung entschieden, Gegenvorstellungen; gleichzeitig legte er sofortige Beschwerde ein. Das Berufungsgericht hat die Gegenvorstellungen als unzulässig zurückgewiesen, weil der Verwerfungsbeschluß in der Berufungsinstanz nicht mehr abänderbar sei.
II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten hat Erfolg.
1. Für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 511 a ZPO), den das Gericht bei einem Rechtsstreit wegen der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 259 Abs. 2 BGB gemäß §§ 2 und 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen hat, ist das Interesse des Rechtsmittelklägers maßgebend. Da der Beklagte mit der Berufung seine Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bekämpft, kommt es für den Wert des Beschwerdegegenstandes somit auf sein Interesse an, die eidesstattliche Versicherung nicht leisten zu müssen. In den Fällen der Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft ist für das Rechtsmittelinteresse des Verurteilten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in erster Linie auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Auskunftserteilung voraussichtlich erfordern wird (z.B. BGH, Beschluß vom 13. März 1985 - IVa ZB 2/85 = WM 1985, 764; Urteil vom 20. Juni 1991 - I ZR 13/90 = NJW-RR 1991, 1467 = MDR 1992, 302 = BGHR ZPO § 2 ›Beschwerdegegenstand‹ Nr. 17). Entsprechendes gilt bei der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (BGH, Urteil vom 20. Juni 1991 aaO.; Beschlüsse vom 20. Juni 1991 - III ZB 16/91 = BGHR ZPO § 2 ›Beschwerdegegenstand‹ Nr. 18, vom 30. Januar 1991 - XII ZB 156/90 = NJW 1991, 1833 = MDR 1991, 679 = BGHR ZPO § 3 ›Rechtsmittelinteresse‹ Nr. 8 und vom 25. September 1989 - II ZR 87/89 = BGHR ZPO § 2 ›Beschwerdegegenstand‹ Nr. 16 und § 3 ›Rechtsmittelinteresse‹ Nr. 10). Da die eidesstattliche Versicherung dazu dient, die erteilte Auskunft zu erhärten, weshalb diese auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen und ggf. zu ergänzen ist, wird der für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in erster Linie maßgebliche Zeit- und Kostenaufwand regelmäßig demjenigen für die Erteilung der vorangegangenen Auskunft entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1991 und Beschluß vom 30. Januar 1991 aaO. m.Nachw.).
2. Auf die sofortige Beschwerde ist zu prüfen, ob das Berufungsgericht bei der Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes von seinem Ermessen einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht hat (st.Rspr., z.B. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 1991 aaO. und vom 30. November 1983 - VIII ZR 243/82 = WM 1984, 180). Das ist hier der Fall. Bei der Ermessensausübung hat das Berufungsgericht ersichtlich wesentliche Teile des Streitstoffes unberücksichtigt gelassen.
Die Auskunftsverpflichtung des Beklagten beruht, ebenso wie seine ergänzende Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, auf einem Handelsvertreterverhältnis und bezieht sich auf einen Zeitraum von fast fünf Jahren. Sie betrifft nicht nur einzelne Geschäftsvorfälle, sondern erfordert eine systematische Prüfung der Geschäftsunterlagen auf vom Kläger in dem fraglichen Zeitraum vermittelte Verträge. Da die Auskunft in Form eines Buchauszuges nach § 87 c HGB zu erteilen ist, muß sie sämtliche für die Berechnung, Höhe und Fälligkeit der Provisionen des Klägers erhebliche, aus den Büchern ersichtliche Geschäftsvorfälle in klarer und übersichtlicher Weise vollständig widerspiegeln. Dies erfordert eine detaillierte Bestandsaufnahme der Kundenbeziehungen der Gemeinschuldnerin, soweit sie die Provisionsansprüche des Klägers berühren, und der vertraglichen Beziehungen zwischen den Kunden und der Gemeinschuldnerin. Diese umfassenden Angaben gehen weit über die Anforderungen einer einfachen Auskunft hinaus, die nur einzelne Gegenstände zum Inhalt hat (vgl. im einzelnen BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 - I ZR 203/87 = WM 1989, 1073 = NJW-RR 1989, 738 = BGHR ZPO § 2 ›Beschwerdegegenstand‹ Nr. 11). Dementsprechend hat der Beklagte im Verfahren vor dem Oberlandesgericht geltend gemacht, die nach dem rechtskräftigen ersten Teilurteil des Landgerichts vom 1. Juni 1987 durchgeführte Erstellung des Buchauszuges sei mit außergewöhnlichem Arbeitsaufwand verbunden gewesen. Die erforderlichen Angaben hätten aus Hunderten von Ordnern herausgesucht werden müssen, hiermit seien zwei Mitarbeiterinnen zwei Monate lang beschäftigt gewesen (Berufungsbegründung S. 3 = GA II 236 und Schriftsatz vom 14. Mai 1990 S. 3 = GA II 249). Dieses Vorbringen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 5. Oktober 1990 aufgegriffen (GA II 264, 265). Da der Beklagte nunmehr an Eides statt versichern soll, daß er den Buchauszug nach bestem Gewissen und vollständig erteilt habe, liegt es nahe, daß zur Vorbereitung der eidesstattlichen Versicherung die für den Buchauszug erforderlichen umfangreichen und zeitraubenden Arbeiten nachvollzogen werden müssen. Hinzu kommt, daß der Kläger zur Begründung seines Antrags auf Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht unerhebliche Beanstandungen der in dem Buchauszug enthaltenen Angaben erhoben hat. Er hat 32 Rechnungen angeführt, die im Buchauszug fehlten, obwohl sich die Rechnungskopien in seinen Händen befänden. Auch das muß vor Abgabe der eidesstattlichen Versicherung überprüft werden.
Diese Umstände hat das Berufungsgericht ersichtlich nicht gewürdigt. In seinem den Berufungsstreitwert auf 250 DM festsetzenden Beschluß vom 7. Oktober 1991, auf dessen Inhalt in dem selbst nicht näher begründeten Verwerfungsbeschluß vom 12. Dezember 1991 offensichtlich stillschweigend Bezug genommen werden soll, wird zwar rechtlich zutreffend auf den für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erforderlichen Zeit- und Kostenaufwand des Beklagten abgehoben. Bei der Anwendung dieses Grundsatzes auf den konkreten Fall führt das Oberlandesgericht jedoch lediglich aus, es sei ›nicht erkennbar‹, daß der entsprechende Kostenaufwand 250 DM übersteige. Damit läßt es die dargelegten tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Rechtsstreits außer acht. Der angefochtene Beschluß läßt insbesondere auch nicht erkennen, warum das Oberlandesgericht von der ursprünglichen ›vorläufigen‹ Festsetzung des Berufungsstreitwertes von 3.000 DM‹ (Beschluß vom 2. Mai 1990) wieder abgerückt ist. Seine Ermessensausübung entspricht deshalb nicht dem Gesetz.
Es kann offenbleiben, ob der Beklagte, wie die sofortige Beschwerde geltend macht, bei der erforderlichen Überprüfung des Buchauszuges die Hilfe eines in seiner Kanzlei angestellten Rechtsanwalts in Anspruch nehmen muß, der hierfür mindestens zwei Arbeitstage benötigen werde. Auch wenn er diese Überprüfung selbst vornehmen würde oder durch geschulte Bürokräfte durchführen ließe, würde dies einen Zeit- und Kostenaufwand erfordern, dessen Wert die Berufungssumme von 700 DM (§ 511 a a.F. ZPO, vgl. Art. 1 Nr. 36 und Art. 10 Abs. 3 Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990 - BGBl. I 2847) erheblich überschreiten dürfte.
Der angefochtene Beschluß kann somit nicht bestehen bleiben, ohne daß es auf die vom Beklagten mit der sofortige Beschwerde gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs ankommt.
Fundstellen
Haufe-Index 2993130 |
BB 1992, 1032 |
NJW 1992, 2020 |
BGHR ZPO § 3 Rechtsmittelinteresse 18 |
WM 1992, 1339 |
MDR 1992, 1007 |