Tenor

Die Sache wird an das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte zu 1. ist mit Beschluß des Amtsgerichts vom 3. Juni 1996 zur Betreuerin der Beteiligten zu 2., die an Schizophrenie leidet, mit den Wirkungskreisen Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vertretung gegenüber Behörden bestellt worden. Mit dem Beschluß vom 10. Juli 1996 wurde die Betreuung auf die Entgegennahme und das Öffnen der Post erstreckt und ein Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet.

Die Betreuerin hat beantragt, ihr für Betreuungstätigkeit im Zeitraum 13. Mai 1996 bis 21. August 1996 eine von der Betreuten zu zahlende Vergütung in Höhe von 7.680,56 DM sowie Aufwendungsersatz zu bewilligen. Sie beansprucht für rund 89 Stunden Tätigkeit, zu deren Nachweis sie eine detaillierte Tätigkeitsaufstellung mit Zeitangaben vorgelegt hat, einen Stundensatz von 75 DM zuzüglich MWSt. Die Rechtspflegerin hat mit Beschluß vom 14. November 1996 den begehrten Stundensatz nur für die Zeiten zugebilligt, die für Gespräche mit der Betreuten aufgewendet wurden. Für Zeitaufwand für Fahrten hat das Amtsgericht dagegen nur einen Stundensatz von 25 DM und für sonstige vom Amtsgericht als Verwaltungsarbeiten bezeichnete Tätigkeiten einen Stundensatz von 50 DM für angemessen gehalten. Es hat gemäß § 1836 Abs. 2 BGB eine Vergütung in Höhe von 5.514,85 DM bewilligt.

Mit ihrer Erinnerung hat sich die Betreuerin im wesentlichen gegen die Herabsetzung des Stundensatzes gewandt. Der Amtsrichter hat der Erinnerung nur in Höhe von 38,33 DM abgeholfen und die Erinnerung im übrigen mit Beschluß vom 9. Januar 1997 zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Es hat zwar einen einheitlichen Stundensatz von 75 DM für angemessen, nicht aber den ganzen von der Betreuerin abgerechneten Zeitaufwand für erforderlich gehalten.

Mit ihrer weiteren Beschwerde wendet sich die Betreuerin vor allem gegen die Absetzung tatsächlich aufgewendeter Arbeitszeit.

Das Oberlandesgericht hält die weitere Beschwerde für unbegründet, soweit das Landgericht die Festsetzung von Aufwendungsersatz abgelehnt und vor der Betreuerbestellung erfolgte Tätigkeiten unberücksichtigt gelassen hat. Im übrigen möchte es die landgerichtliche Entscheidung aufheben, weil das Landgericht gegen §§ 12 FGG, 287 ZPO verstoßen habe. Das Oberlandesgericht möchte ferner die Sache unter Aufhebung auch des erstinstanzlichen Beschlusses (gemeint ist offenbar der im Vorlagebeschluß ausschließlich erwähnte Beschluß der Rechtspflegerin vom 14. November 1996) an das Amtsgericht zurückverweisen und dabei die Stundensatzfrage verbindlich beurteilen. Diese Beurteilung solle dahingehen, daß der Berechnung der Vergütung ein einheitlicher Stundensatz von 75 DM zuzüglich MWSt zugrunde gelegt werden müsse. Wegen hohen Anteils an Büroarbeiten eine Staffelung oder Herabsetzung des Stundensatzes vorzunehmen, sei nicht zulässig, weil es keine Rolle spiele, wie lange und bei welchen Arbeitsschritten die Fachkenntnisse eines Berufsbetreuers (sei es eines Rechtsanwalts, sei es eines Sozialpädagogen) tatsächlich Verwendung fänden, wenn solche Kenntnisse bei der Bestellung zum Betreuer für erforderlich gehalten worden seien. Das entspreche der von dem vorlegenden Oberlandesgericht bereits in seinen Entscheidungen vom 1. August 1994 (FamRZ 1995, 46) und vom 12. Juni 1996 (OLG-Report 1997, 355) vertretenen Auffassung.

An dieser Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht gehindert, weil sie eine Abweichung von der dem Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 8. November 1996 (BtPrax 1997, 112 f.) zugrundeliegenden Auffassung bedeute. Danach dürfe nämlich bei der Bemessung des Stundensatzes für einen Berufsbetreuer nicht außer Betracht bleiben, wofür und mit welchem Erfolg der Betreuer die Zeit verwendet habe, die er vergütet haben wolle, weshalb es sachgerecht sei, die sonst angemessene Vergütung entsprechend herabzusetzen, wenn der Betreuer einen erheblichen Teil der in Rechnung gestellten Zeit nicht für Betreueraufgaben aufgewendet habe, die seiner Qualifikation entsprächen, sondern für Tätigkeiten, die üblicherweise Bürokräften überlassen würden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Sache ist dem vorlegenden Oberlandesgericht zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzugeben, denn die Vorlage ist nicht zulässig.

Zu den Voraussetzungen einer zulässigen Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG gehört, daß das vorlegende Oberlandesgericht von einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweichen will. Die Abweichung muß dieselbe Rechtsfrage betreffen und die Beantwortung dieser Rechtsfrage muß für beide Entscheidungen erheblich sein. Der Bundesgerichtshof ist an die für die Entscheidungserheblichkeit maßgebliche rechtliche Beurteilung des Falles, wie sie dem Vorlagebeschluß zugrunde gelegt ist, gebunden, prüft aber, ob unter Zugrundelegung dieser Beurteilung Entscheidungserheblichkeit und Abweichung vorliegen (Senatsbeschluß vom 12. Oktober 1988 – IVb ZB 36/88 – BGHR FGG § 28 Abs. 2 Abweichung 1; Beschluß vom 16. Juli 1997 – XII ZB 97/96 – FamRZ 1997, 1205 = BGHR FGG § 28 Abs. 2 Abweichung 4 = FGPrax 1997, 239; BGH Beschluß vom 1. Juli 1993 – V ZB 19/93 – BGHR FGG § 28 Abs. 2 Abweichung 3).

1. Entscheidungserheblich ist eine Rechtsfrage, wenn die beabsichtigte Entscheidung auf der Beantwortung dieser Frage beruhen würde. Das ist nicht der Fall, wenn das Oberlandesgericht bei einer auf anderen Gründen beruhenden Aufhebung und Zurückverweisung die abweichende Rechtsauffassung nur etwaigen die Vorinstanz nicht bindenden Empfehlungen für die weitere Sachbehandlung zugrunde legen will (Janssen, FGG, 2. Aufl. § 28 Rdn. 9; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 13. Aufl., § 28 Rdn. 19). Denn auch umgekehrt rechtfertigt die beabsichtigte Abweichung von einer in einer anderen Entscheidung enthaltenen unverbindlichen Empfehlung keine Vorlage an den Bundesgerichtshof (BGHZ 96, 198, 201; Senatsbeschluß vom 12. Oktober 1988 aaO). Gebunden wird die Vorinstanz nach dem auch in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend geltenden Grundsatz des § 565 Abs. 2 ZPO an die der Aufhebung zugrundeliegende Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts, das insoweit für das weitere Verfahren seinerseits entsprechend § 318 ZPO gebunden ist (BGHZ 51, 131, 135; BGHZ 15, 122, 124; Janssen, aaO, § 25 Rdn. 14). In Beschwerdeverfahren kommt darüber hinaus eine Bindung der Vorinstanz – wie auch eine Selbstbindung des Rechtsmittelgerichts – an die Rechtsauffassung, die der Übertragung erforderlicher Anordnungen zugrunde liegt, in Betracht (BGHZ 51, 131, 138 f.); § 575 ZPO gilt auch insoweit im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend (BGHZ 51, 131, 133 f.; Keidel/Kuntze/Winkler, aaO § 25 Rdn. 6).

Das Oberlandesgericht möchte die Entscheidung des Landgerichts wegen Verletzung der §§ 12 FGG, 287 ZPO aufheben. Mit diesem Aufhebungsgrund wäre keine die Vorinstanz bindende Stellungnahme des Oberlandesgerichts zur Vorlagefrage verbunden. Das Oberlandesgericht möchte aber darüber hinaus die amtsgerichtliche Entscheidung aufheben und die Sache „mit verbindlicher Beurteilung der Stundensatzfrage” zurückverweisen. Nach seiner Auffassung beruht deshalb die beabsichtigte Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses auf der Rechtsmeinung, die ihm Anlaß zur Vorlage gegeben hat, weil „die Beurteilung der streitigen Rechtsfrage nicht lediglich im Bereich unverbindlicher Empfehlungen bleiben” würde.

Ob sich auf diese Weise die Entscheidungserheblichkeit einer Rechtsfrage begründen läßt, kann offenbleiben. Die Vorlage ist nämlich jedenfalls aus einem anderen Grund unzulässig.

2. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts liegt kein Abweichungsfall vor. Das Oberlandesgericht führt aus, es wolle verbindlich entscheiden, daß es bei der Bestimmung des Stundensatzes keine Rolle spiele, wie lange und bei welchen Arbeitsschritten die besonderen Fachkenntnisse des Betreuers tatsächlich Anwendung gefunden hätten, „wenn bei der Bestellung zum Betreuer solche Fachkenntnisse für erforderlich gehalten werden durften.” Zur Erläuterung dieser die Vorlagefrage darstellenden Rechtsansicht verweist es ausdrücklich auf zwei frühere Entscheidungen, und zwar auf seine Beschlüsse vom 1. August 1994 (FamRZ 1995, 46) und vom 12. Juni 1996 (OLG-Report 1997, 355).

In dem Beschluß vom 1. August 1994 ist ausgeführt, der zum Betreuer bestellte Rechtsanwalt sei vom Amtsgericht gerade deshalb ausgewählt worden, weil von vornherein festgestanden habe, daß im Rahmen der Betreuung schwierige Rechtsfragen beurteilt werden müßten. In einem solchen Falle komme es nicht darauf an, ob die besonderen Fachkenntnisse für alle im Rahmen der Betreuung anfallenden Tätigkeiten erforderlich gewesen seien. Entscheidend sei vielmehr, welche Fachkenntnisse der Betreuer nach Lage des Falles habe vorhalten müssen.

In dem Beschluß vom 12. Juni 1996 heißt es, in diesem Falle sei der Betreuer – ebenfalls ein Rechtsanwalt – nicht wegen seiner besonderen Rechtskenntnisse ausgewählt worden und er habe diese im Rahmen der Betreuung auch nicht benötigt. Der Senat habe in seinem Beschluß vom 1. August 1994 die im wesentlichen einhellig anerkannten Grundsätze für die Gewährung und Bemessung einer Berufsbetreuervergütung, nämlich Größe des Vermögens des Betroffenen sowie Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Betreuergeschäfte (vgl. § 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB) unter vorrangiger Berücksichtigung der vom Betreuer im Einzelfall erbrachten Leistung (Hinweis auf BayObLGZ 1996, 37, 38 f. m.w.N.) nicht in Frage stellen wollen. Der Stundensatz sei deshalb im zu entscheidenden Fall niedriger zu bemessen als sonst für anwaltliche Berufsbetreuer üblich.

Aus der Verweisung auf diese beiden Entscheidungen ergibt sich, was damit gemeint ist, wenn es in dem Vorlagebeschluß heißt: „Wenn bei der Bestellung zum Betreuer solche Fachkenntnisse für erforderlich gehalten werden durften.” Das Oberlandesgericht will bei der Bemessung des Stundensatzes danach differenzieren, ob der Berufsbetreuer über besondere Fachkenntnisse verfügt und gerade wegen dieser Fachkenntnisse ausgewählt worden ist oder ob er unabhängig von seiner besonderen Qualifikation – z.B. turnusmäßig – zum Betreuer bestellt worden ist. Im ersten Fall soll sich der Stundensatz allein nach der Qualifikation des Betreuers bemessen, im zweiten Fall zumindest auch nach der Schwierigkeit der erforderlichen Tätigkeiten.

Im vorliegenden Verfahren ist nicht zu prüfen, ob eine solche Differenzierung sachgerecht wäre, sondern lediglich, ob sie eine Abweichung von der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 8. November 1996 darstellen würde. Das ist nicht der Fall.

Das Bayerische Oberste Landesgericht (aaO) geht – wie das vorlegende Gericht – grundsätzlich davon aus, in der Regel folge schon aus der Bestellung einer Person mit besonderer Ausbildung, daß deren besondere Fachkenntnisse zur Führung der Betreuung erforderlich seien. Deshalb liege es nahe, die Angemessenheit der Vergütung nach den Honoraren auszurichten, die allgemein in der betreffenden Berufsgruppe bezahlt werden. Weiter heißt es allerdings, es stelle keinen Ermessensfehler des Tatrichters dar, daß er den für die Berufsgruppe an sich angemessenen Stundensatz (geringfügig) herabgesetzt habe, weil der Betreuer einen erheblichen Teil der in Rechnung gestellten Zeit nicht für Betreueraufgaben aufgewendet habe, für die seine Qualifikation erforderlich gewesen sei, sondern für Tätigkeiten, die üblicherweise Bürokräften überlassen werden.

Entscheidend ist aber, daß das Bayerische Oberste Landesgericht nicht festgestellt und auch nicht angedeutet hat, in dem von ihm entschiedenen Fall sei der Betreuer gerade wegen seiner besonderen Fachkenntnisse bestellt worden, weil abzusehen gewesen sei, diese seien für die Betreuung erforderlich. Die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgericht ist somit ohne weiteres in Einklang zu bringen mit dem Beschluß des vorlegenden Senates vom 12. Juni 1996, an dem der vorlegende Senat ausdrücklich festhalten will.

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat nicht entschieden, ob der Stundensatz für den Betreuer auch dann, wenn der Betreuer gerade wegen seiner besonderen Fachkompetenz ausgewählt worden ist, herabgesetzt werden kann mit der Begründung, der Betreuer habe Zeitaufwand in Rechnung gestellt für Tätigkeiten, für die seine besondere Qualifikation nicht erforderlich gewesen sei. Deshalb ist das vorlegende Gericht durch die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes (auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Rechts, vgl. Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998, BGBl. 1998 I, 1580 ff., Art. 1 Nr. 9, Art. 5) nicht gehindert, die beabsichtigte Entscheidung zu erlassen.

 

Unterschriften

Blumenröhr, Krohn, Zysk, Hahne, Gerber

 

Fundstellen

Haufe-Index 1383888

FamRZ 1999, 22

NJW-RR 1998, 1457

FGPrax 1998, 181

NJWE-FER 1998, 9

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?