Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 08.02.2012) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 8. Februar 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- im Schuldspruch, soweit der Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern verurteilt worden ist,
- im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern, versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern, bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen und versuchten bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Der Schuldspruch im Fall II. 5 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Urteilsfeststellungen ein vollendetes gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern gemäß § 97 Abs. 2, § 96 Abs. 1 Nr. 1a und Abs. 4, § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nicht belegen.
Rz. 3
Nach den Feststellungen schloss sich der Angeklagte einer Organisation in Frankreich agierender tamilischer Schleuser an, die eine Vielzahl von Personen in Lastkraftwagen illegal von Frankreich nach Großbritannien verbrachten. Der Angeklagte beteiligte sich an den Schleusungen durch das Anwerben von Fahrern, für das er 500 EUR je Vermittlung erhielt. Im Fall II. 5 der Urteilsgründe fuhr ein vom Angeklagten angeworbener Fahrer mit einem am 6. April 2010 angemieteten Lastkraftwagen, auf dessen Ladefläche hinter einer Trennwand sich 16 Personen aus verschiedenen nichteuropäischen Ländern befanden, die nach England geschleust werden sollten, nach Ostende. Die zu schleusenden Personen wurden am 10. April 2012 in Ramsgate auf der Ladefläche entdeckt. Diese Sachverhaltsfeststellungen lassen die nicht fernliegende Möglichkeit offen, dass die im Fahrzeug versteckten Personen anlässlich der Grenzkontrolle im Fährhafen von Ramsgate festgestellt wurden. In diesem Fall wäre eine Zuwiderhandlung gegen Rechtsvorschriften über die Einreise von Ausländern nach Großbritannien, die im Sinne des § 96 Abs. 4 Nr. 1 AufenthG einer unerlaubten Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG entspricht, noch nicht gegeben. Denn eine Einreise gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG liegt nach der Regelung des § 13 Abs. 2 AufenthG erst dann vor, wenn der eine zugelassene Grenzübergangsstelle nutzende Ausländer die Grenze überschritten und die Grenzübergangsstelle passiert hat. Letzteres setzt das räumliche Verlassen der Kontrollstelle voraus (vgl. Gericke, MünchKomm-StGB, § 95 AufenthG Rdn. 41 mwN). Wird die vom Täter unter Verwirklichung von Schleusermerkmalen geförderte unerlaubte Einreise nicht vollendet, kommt nur eine Strafbarkeit wegen versuchten Einschleusens in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12, Tz. 4; vom 12. September 2002 – 4 StR 163/02, NJW 2002, 3642, 3643; vom 5. September 2001 – 3 StR 174/01, NStZ 2002, 33, 34).
Rz. 4
Die Teilaufhebung des Schuldspruchs entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
Unterschriften
Mutzbauer RinBGH Roggenbuck ist infolge Franke Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung verhindert. Mutzbauer, Schmitt, Bender
Fundstellen
Haufe-Index 3267605 |
NStZ-RR 2014, 301 |