Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperverletzung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 12. Juni 1998 werden
das Verfahren in den Fällen 3, 4, 8 und 12 der Urteilsgründe vorläufig eingestellt sowie die insoweit entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt
und
- das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß der Angeklagte wegen Körperverletzung in sechs Fällen, wegen Nötigung, wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen, wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen, wegen Bedrohung, wegen Beleidigung in drei Fällen sowie wegen Sachbeschädigung in fünf Fällen und wegen versuchter Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die (übrigen) Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat das Verfahren in den Fällen 3, 4, 8 und 12 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 StPO vorläufig eingestellt und das angefochtene Urteil – unter Wegfall der in diesen Fällen verhängten Einzelgeldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen zu je 40 DM – der teilweisen Verfahrenseinstellung angepaßt.
In dem durch die Teileinstellung des Verfahrens begrenzten Umfang hält das Urteil der rechtlichen Prüfung aufgrund der Revisionsrechtfertigung stand. Die verfahrensrechtlichen und sachlichrechtlichen Beanstandungen des Angeklagten sind, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt hat, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Weiterer Erörterung bedarf nur die auf die Verletzung des § 258 Abs. 2 und 3 StPO gestützte Verfahrensrüge. Sie dringt jedenfalls deshalb nicht durch, weil unter den besonderen Umständen des Falles ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, daß das Urteil auf einem (möglichen) Verstoß beruht. Der Senat braucht daher – ebenso wie in seinem Urteil vom 8. November 1989 - 3 StR 249/89 - in BGHR StPO § 258 III Wiedereintritt 7 – nicht abschließend zu entscheiden, ob auch dann, wenn nach einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Teileinstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO dem Verteidiger in den Schlußausführungen und dem Angeklagten im letzten Wort tatsächlich Gelegenheit zur Äußerung gewährt worden ist, allein schon in der Verkündung des Teileinstellungsbeschlusses stets ein zur erneuten Erteilung des letzten Wortes zwingender Wiedereintritt in die Verhandlung zu sehen ist (vgl. BGH JR 1986, 165, 166 mit Rechtsprechungsnachweisen), oder ob dies nicht der Fall ist, weil der Einstellungsbeschluß lediglich einen Teil der aus Beschluß und Urteil bestehenden Endentscheidung darstellt (so BGH, Urteil vom 21. Februar 1979 - 2 StR 473/78). Sollen nicht Zufälligkeiten wie etwa die mit dem Einstellungsbeschluß verbundene ausdrückliche Erklärung des Wiedereintritts in die Verhandlung einerseits (vgl. Schlothauer StV 1984, 134, 136) oder die der Urteilsverkündung erst nachfolgende Mitteilung des Einstellungsbeschlusses (vgl. BGH NStZ RR 1996, 201, 202) oder gar die formale Aufnahme der Teileinstellungsentscheidung in die verkündete Urteilsformel andererseits über den Bestand des Urteils bei entsprechender Rüge entscheiden, müssen es materielle, am Sinn der Regelung in § 258 Abs. 2 und 3 StPO ausgerichtete Kriterien sein, die maßgeblich sind. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Verstößen gegen § 258 Abs. 2 und 3 StPO im Zusammenhang mit der Verkündung von Beschlüssen über die Teilerledigung des Verfahrensstoffs neben dem anschließend verkündeten Urteil bietet dafür insofern genügend Ansatzpunkte, als für wesentlich für die Pflicht zur Neuerteilung des letzten Wortes gehalten worden ist, daß durch die Einstellung (oder Abtrennung) von Verfahrensteilen die (u.a.) in Alibibehauptungen und Hilfsbeweisanträgen bestehende Verteidigung unterlaufen wurde (vgl. BGH StV 1982, 4; NStZ 1983, 469; ferner die Rechtsprechungsübersicht bei Schlothauer aaO). Der Beschwerdeführer sieht im vorliegenden Fall seine Verteidigung durch die beanstandete Verfahrensweise gerade deswegen als beeinträchtigt an, weil er nach seiner Darstellung mit seinem Verteidiger bei den Schlußausführungen darauf vertraut hat, daß das Landgericht dem Einstellungsantrag der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang folgen werde, dies aber nicht geschehen, sondern in vier weiteren vom Einstellungsantrag erfaßten Einzelfällen Verurteilung erfolgt ist. Dahinstehen kann, ob der Beschwerdeführer zu Recht darauf vertraut hat, daß das Landgericht dem Teileinstellungsantrag ganz entsprechen werde, zumal der Vorsitzende in einem der vom Einstellungsantrag erfaßten und dennoch zum Gegenstand der Verurteilung gemachten Einzelfälle noch vor den Schlußausführungen einen rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO gegeben hatte. Jedenfalls kann bei Zugrundelegung des eigenen Vortrags nicht angenommen werden, daß der Beschwerdeführer bei voller Entsprechung des Teileinstellungsantrags aus seiner Sicht Anlaß gehabt hätte, bei erneuter Erteilung des letzten Wortes weiteres zur Schuld- oder Straffrage geltend zu machen. Unter diesen Umständen kann der Senat nunmehr, nachdem durch seine Entscheidung dem Teileinstellungsantrag der Staatsanwaltschaft im Ergebnis gefolgt worden ist, mit der gebotenen Sicherheit ausschließen, daß das Urteil in dem durch die (ergänzende) Teileinstellung begrenzten Umfang darauf beruht, daß dem Angeklagten und seinem Verteidiger nach Verkündung des Teileinstellungsbeschlusses des Landgerichts nicht erneut Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist. Auf der Grundlage des eigenen Vorbringens des Beschwerdeführers ist vielmehr davon auszugehen, daß er zu den nunmehr verbleibenden Fällen bei erneuter Gelegenheit zur Äußerung weder in der Schuld- noch in der Straffrage – und auch nicht zur Frage gesonderter Verhängung einer Gesamtgeldstrafe im Sinne des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB – Schlußausführungen gemacht hätte, die über den Schlußvortrag seines Verteidigers und sein letztes Wort hinausgegangen wären.
Die Änderung des Schuldspruchs und der Wegfall von vier Einzelgeldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen zu je 40 DM lassen die übrigen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unberührt. Die verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen machen in ihrer Summe 40 Monate aus; die von der Teileinstellung nicht erfaßten Einzelgeldstrafen betragen insgesamt immer noch mehr als 600 Tagessätze. Unter den gegebenen Umständen kann ausgeschlossen werden, daß das Landgericht, hätte es dem Teileinstellungsantrag der Staatsanwaltschaft voll entsprochen, die verbleibenden Einzelstrafen günstiger bemessen und – unter Anwendung von § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB – auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe (mit gesonderter Gesamtgeldstrafe) erkannt hätte.
Unterschriften
Kutzer, Blauth, Miebach, Winkler, Pfister
Fundstellen
Haufe-Index 540607 |
NStZ 1999, 257 |
StV 2000, 296 |