Leitsatz (amtlich)
Zur Vollstreckung eines nach § 888 Abs. 1 ZPO verhängten Zwangsgeldes, durch das der Schuldner zur Erteilung der Auskünfte zum Versorgungsausgleich (§§ 1587e Abs. 1, 1580 BGB) angehalten werden soll.
Normenkette
ZPO § 888 Abs. 1; BGB § 1587e Abs. 1, § 1580
Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht Itzehoe.
Gründe
I.
Zwischen den Parteien ist ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderung die für die Durchführung des Versorgungsausgleichs erforderlichen Auskünfte (§§ 1587e Abs. 1, 1580 BGB) nicht erteilt. Das Amtsgericht – Familiengericht – Aachen setzte ihm daher auf Antrag der Antragstellerin durch Beschluß vom 29. April 1982 eine Frist bis zum 15. Juni 1982 unter Androhung eines Zwangsgeldes bis zu 1000 DM für den Fall der Nichterfüllung. Da der Antragsgegner die Frist ergebnislos verstreichen ließ, wurde durch Beschluß vom 8. September 1982 ein Zwangsgeld in Höhe von 500 DM gegen ihn festgesetzt.
Das Familiengericht übersandte den mit der Vollstreckungsklausel versehenen Beschluß vom 8. September 1982 an die Antragstellerin mit dem Zusatz: „Die Vollstreckung aus dem Beschluß obliegt der Antragstellerin. Das Zwangsgeld ist nach Beitreibung an die Staatskasse abzuführen.” Die Antragstellerin richtete daraufhin am 22. September 1982 einen Antrag auf Erlaß eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, durch den die Lohnforderung des Antragsgegners gegen seinen Arbeitgeber in Höhe des Zwangsgeldes nebst Kosten gepfändet und zur Einziehung an die Antragstellerin überwiesen werden sollte, an das für den Wohnsitz des Antragsgegners zuständige Amtsgericht Itzehoe.
Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Itzehoe teilte der Antragstellerin mit, das Zwangsgeld stehe der Landeskasse zu; deshalb müsse die Kontonummer der zuständigen Kasse angegeben werden, damit der Betrag von dem Drittschuldner dorthin überwiesen werden könne; außerdem werde „darauf aufmerksam gemacht, daß gemäß § 888 ZPO seit dem 1. Januar 1975 die Zwangsgelder von dem zuständigen Gericht (hier Aachen) im Wege der Justizbeitreibungsordnung eingezogen” würden. Danach berichtigte die Antragstellerin den Antrag auf Erlaß des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dahin, daß als Antragsteller das Amtsgericht Aachen, Gerichtskasse, eingesetzt werden solle.
Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Itzehoe erließ sodann am 8. Oktober 1982 einen Beschluß, durch den er sich für unzuständig erklärte und die Sache an das Familiengericht Aachen verwies. Dabei ging er davon aus, daß für die Vollstreckung das Prozeßgericht des ersten Rechtszuges, also das Familiengericht Aachen, zuständig sei; die Beitreibung „richte sich nach der Justizbeitreibungsordnung”. Der Rechtspfleger des Familiengerichts Aachen erklärte sich durch Beschluß vom 20. Oktober 1982 seinerseits für unzuständig und führte zur Begründung aus: Für die Zwangsvollstreckung aus Beschlüssen gemäß § 888 ZPO sei das Gericht nicht zuständig. Die Zwangsvollstreckung geschehe durch den Gläubiger. Daher richte sich die Zuständigkeit für die Zwangsvollstreckung nach den allgemeinen Bestimmungen mit der Folge, daß gemäß § 828 ZPO die Zuständigkeit des Amtsgerichts Itzehoe gegeben sei. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts Aachen legte die Sache sodann zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Bundesgerichtshof vor.
II.
Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Itzehoe.
1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Bundesgerichtshof nach § 36 Nr. 6 ZPO sind gegeben. Die Vorschrift ist nicht nur im Erkenntnisverfahren, sondern auch im Vollstreckungsverfahren anwendbar (RGZ 139, 351; Baumbach-Lauterbach/Hartmann ZPO 41. Aufl. § 36 Anm. 1 B).
Es liegen auch mit den Beschlüssen des Amtsgerichts Itzehoe vom 8. Oktober 1982 und des Amtsgerichts Aachen vom 20. Oktober 1982 zwei „rechtskräftige” Unzuständigkeitserklärungen im Sinne des § 36 Nr. 6 ZPO vor. Zwar setzt die Zuständigkeitsbestimmung in der Regel einen Zuständigkeitsstreit nach Zustellung oder, wo dies nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften genügt, Mitteilung der Antragsschrift an den Antragsgegner – und damit den Eintritt der Rechtshängigkeit des Verfahrens voraus – (vgl. Senatsbeschluß vom 5. März 1980 – IV ARZ 8/80 = FamRZ 1980, 562, 563). Daran fehlt es im vorliegenden Fall; der Antrag der Antragstellerin auf Erlaß des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist dem Antragsgegner bisher nicht zugeleitet worden. Dies steht der Zuständigkeitsbestimmung jedoch nicht entgegen, da nach § 834 ZPO der Schuldner (hier: Antragsgegner) vor der Pfändung nicht über das Pfändungsgesuch zu hören ist. Es handelt sich mithin bei der Zwangsvollstreckung nach §§ 828 ff. ZPO um eine Verfahrensart, bei welcher die Gegenpartei – zur Vermeidung einer Gefährdung des Vollstreckungserfolges – vor der Entscheidung nicht an dem Verfahren zu beteiligen ist. In diesem Fall kann auch die Anwendung des § 36 Nr. 6 ZPO nicht von der vorherigen Anhörung des Schuldners abhängig gemacht werden (vgl. Senatsbeschluß vom 5. März 1980 a.a.O.).
2. Die Zuständigkeit eines der beteiligten Gerichte wird nicht durch eine bindende Verweisung in Anwendung des § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO begründet. Dabei bedarf es hier keiner grundsätzlichen Entscheidung der Frage, ob sich der Anwendungsbereich des § 281 ZPO auch auf Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 828 ff. ZPO erstreckt (vgl. für das Mahnverfahren: BGH Beschluß vom 30. Oktober 1963 – Ib ARZ 243/63 = NJW 1964, 247; allgemein; Baumbach/Lauterbach/Hartmann a.a.O. § 281 Anm. 1 A; Thomas/Putzo ZPO 12. Aufl. § 281 Anm. 1b; Zöller/Stephan ZPO 13. Aufl. § 281 Anm. II), bei denen kraft ausdrücklicher Regelung in § 834 ZPO der Schuldner vor Erlaß des beantragten Pfändungsbeschlusses nicht zu hören ist, während nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Verweisungsbeschluß – zu seiner Wirksamkeit – regelmäßig die Gewährung des rechtlichen Gehörs gegenüber allen Verfahrensbeteiligten voraussetzt (BGHZ 71, 69, 72). Im vorliegenden Fall hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts Itzehoe den Verweisungsbeschluß nicht nur insoweit verfahrensrechtlich zutreffend – ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners erlassen, sondern er hat darüber hinaus der Antragstellerin keine Gelegenheit gegeben, zu der von ihm beabsichtigten Verweisung der Sache an das Amtsgericht Aachen Stellung zu nehmen. Damit hat er ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt mit der Folge, daß eine wirksame – bindende – Verweisung an das Amtsgericht Aachen nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht getroffen worden ist.
Auch die Zuständigkeit des Amtsgerichts Itzehoe ist nicht durch eine bindende Verweisung nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO begründet worden; denn der Rechtspfleger des Amtsgerichts Aachen hat ebenfalls ohne Gewährung rechtlichen Gehörs entschieden.
3. Das Amtsgericht Itzehoe ist jedoch als das nach § 828 Abs. 2 ZPO berufene Vollstreckungsgericht zuständig für die Entscheidung über den Erlaß des von der Antragstellerin beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, durch den das nach § 888 Abs. 1 ZPO festgesetzte Zwangsgeld vollstreckt werden soll.
Die Vollstreckung und Beitreibung eines nach § 888 Abs. 1 ZPO verhängten Zwangsgeldes erfolgt nach überwiegender Ansicht, der sich der Senat anschließt, nicht von Amts wegen und nach Maßgabe der Vorschriften der Justizbeitreibungsordnung, sondern auf Antrag des Gläubigers nach den allgemeinen Regeln des Vollstreckungsrechts (Stein/Jonas/Münzberg ZPO 19. Aufl. § 888 Anm. II 4; Zöller/Scherübl. ZPO 13. Aufl. § 888 Anm. 3c; Wieczorek ZPO 2. Aufl. § 888 Anm. F II; KG RPfl 1980, 199; OLG Hamm FamRZ 1982, 185, 186; LG Essen RPfl 1973, 185; LG Berlin RPfl 1979, 225; a. A.: Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 41. Aufl. § 888 Anm. 3B c; Thomas/Putzo ZPO 12. Aufl. § 888 Anm. 3c aa i.V. mit § 890 Anm. 4; Schönke/Baur, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht 9. Aufl. 1974 S. 178). Das Zwangsgeld ist allerdings an die Staatskasse abzuführen und steht nicht dem Gläubiger zu (LG Essen a.a.O., LG Berlin a.a.O., KG a.a.O., OLG Hamm a.a.O.).
Da das Zwangsgeld nach § 888 ZPO ein Beugemittel ist, das den Schuldner zu der begehrten Leistung der unvertretbaren Handlung anhalten soll, unterscheidet es sich insoweit von den Ordnungsgeldern, die als Ahndung für Zuwiderhandlungen und damit als strafähnliche Maßnahmen verhängt werden. Diese werden als gewissermaßen „justizeigene Ansprüche” (Lappe/Steinbild Justizbeitreibungsordnung 1960 S. 42) von Amts wegen nach der Justizbeitreibungsordnung beigetrieben (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 JBeitrO: „Ordnungs- und Zwangsgelder, … soweit sie von Justizbehörden des Bundes einzuziehen sind”; vgl. auch BT-Drucks. VI/2855 S. 4 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1a JBeitrO i.d.F. des Gesetzes vom 20. April 1972 – BGBl. I 617 – wo neben Ordnungs-, Ungebühr- und Erzwingungsstrafen in Geld nur die Geldstrafe nach § 890 ZPO genannt war, nicht hingegen das Zwangsgeld nach § 888 ZPO). Demgegenüber bleibt es in den Fällen des § 888 ZPO der freien Entscheidung des Gläubigers überlassen, ob er zur Durchsetzung seines – privatrechtlichen – Anspruchs auf die beantragte unvertretbare Handlung die Vollstreckung eines Zwangsgeldes betreiben, oder ob er von dieser Maßnahme absehen will. Der Gläubiger bleibt hier, wie auch in sonstigen Fällen, in denen er einen Titel erwirkt hat, der „Herr der Zwangsvollstreckung” (OLG Hamm a.a.O.), der nach seinem Belieben auf den Einsatz eines von dem Prozeßgericht festgesetzten Zwangsmittels verzichten kann. Da im übrigen die unvertretbare Handlung, zu deren Durchsetzung das Zwangsgeld nach § 888 ZPO verhängt wird, in der Regel dem Gläubiger gegenüber vorzunehmen ist, entspricht es auch dem Zweck und der Bedeutung des Beugemittels, seine Vollstreckung dem Gläubiger zu überlassen; denn dieser wird im allgemeinen als erster Kenntnis von einer Erfüllung seines Anspruchs durch den Schuldner erhalten mit der Folge, daß er sodann von einer weiteren Vollstreckung des Zwangsgeldes absehen kann.
Fundstellen