Gründe

I.

Die Klägerin hat gegen das ihre Honorarklage abweisende Urteil des Landgerichts am 10. September 1997 Berufung eingelegt. Am 27. Oktober 1997 hat die Klägerin die Berufung begründet und zugleich um Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Begründungsfrist gebeten, weil sie diese schuldlos versäumt habe. Dazu hat die Klägerin unter Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen vorgetragen:

Die Bürovorsteherin in der Kanzlei ihres Anwalts habe den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 10. Oktober 1997 im Fristenkalender vermerkt und zugleich eine Vorfrist zum 3. Oktober 1997 eingetragen. Die Akte sei ihrem Prozeßbevollmächtigten am 2. Oktober 1997 vorgelegt worden. Dieser habe damals vorrangige Fristsachen bearbeiten müssen und deshalb verfügt, ihm die Akte am 9. Oktober 1997 wieder vorzulegen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Die Bürovorsteherin habe die Akte auch nicht dem für den 10. Oktober 1997 zum amtlichen Vertreter ihres ortsabwesenden Prozeßbevollmächtigten bestellten Rechtsanwalt Dr. G. vorgelegt. Bei Überprüfung der Sache durch den Prozeßbevollmächtigten habe sich dann am 13. Oktober herausgestellt, daß die Kanzleivorsteherin die Akte am 9. Oktober zwar herausgesucht, sie jedoch aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen später wieder weggehängt und zugleich den Fristablauf zum 10. Oktober 1997 im Fristenkalender gestrichen habe. Die Angestellte sei angewiesen, Fristen erst dann im Kalender zu löschen, wenn die Akte nach Bearbeitung durch den Anwalt wieder zu ihr zurückkomme und der Vorgang mit der Ausgangspost herausgegangen sei. Die Kanzleivorsteherin habe bis dahin in den zwei Jahren seit Eröffnung der Kanzlei einwandfrei gearbeitet.

Das Berufungsgericht hat der Klägerin die begehrte Wiedereinsetzung versagt und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich deren sofortige Beschwerde.

II.

Das gemäß § 519 b Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsmittel hat Erfolg; der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Rechtsanwalt für eine geeignete Erledigungskontrolle durch die Anordnung zu sorgen, daß eine Frist im Kalender erst dann gestrichen werden darf, wenn die mit der Kontrolle betraute Person sich anhand der Akte oder des postfertigen Schriftsatzes vergewissert hat, daß der Vorgang abgeschlossen ist (BGH, Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312, 1313). Die Klägerin hat durch die zusammen mit dem Wiedereinsetzungsgesuch vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Kanzleivorsteherin glaubhaft gemacht, daß ihr Prozeßbevollmächtigter entsprechende Vorkehrungen getroffen hatte.

2. Darüber hinaus muß der Anwalt anordnen, die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 14. März 1996 - III ZB 13/96, BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 5; v. 8. April 1997 - VI ZB 8/97, NJW 1997, 2120, 2121). Im Wiedereinsetzungsgesuch findet sich kein Hinweis, daß der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin in seiner Kanzlei eine entsprechende Vorsorge getroffen hatte. Dies wird erstmals in der Beschwerdebegründung im einzelnen dargelegt. Ob darin lediglich die Vervollständigung erkennbar unklarer und ergänzungsbedürftiger Angaben zu sehen ist oder dieses Vorbringen gemäß §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO unbeachtet bleiben muß (vgl. BGH, Beschl. v. 28. Februar 1991 - IX ZB 95/90, NJW 1991, 1892; v. 26. November 1991 - XI ZB 10/91, NJW 1992, 697; v. 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097, 2098; v. 8. April 1997, aa0), kann dahingestellt bleiben. Ein entsprechender Organisationsfehler wäre im Streitfall für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden. Die ergänzend notwendige abendliche Kontrolle erstreckt sich nicht auf die Akten, sondern bezieht sich nur auf den Fristenkalender. Sie soll dazu dienen, festzustellen, ob dort noch Sachen eingetragen sind, die keinen Erledigungsvermerk tragen. Hätte die Kanzleivorsteherin den Fristenkalender am Abend des 10. Oktober in entsprechender Weise überprüft, wäre ihr der Fehler nicht aufgefallen, weil sie den Erledigungsvermerk bereits angebracht hatte.

3. Das Berufungsgericht sieht ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auch darin, daß er seinen für den 10. Oktober 1997 bestellten Vertreter nicht eigens über den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gerade an diesem Tage unterrichtet habe. Dem ist nicht zuzustimmen. Da der Prozeßbevollmächtigte verfügt hatte, ihm selbst die Akte schon am 9. Oktober vorzulegen, und er sich darauf verlassen durfte, daß das Personal dieser Anordnung Folge leisten werde, fehlte es an besonderen Umständen, die Veranlassung gaben, zusätzliche Vorkehrungen zur Fristwahrung zu treffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993535

NJW-RR 1998, 1604

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