Entscheidungsstichwort (Thema)
Befangenheit. Vorbefassung. Entscheidung über Nichterhebung von Kosten. Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen. Anerkenntnis eines „nicht fairen” Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
Ein die Ablehnung wegen Befangenheit rechtfertigender Fall von "Vorbefassung" liegt nicht vor, wenn die über die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung gem. § 21 GKG entscheidenden Richter bereits in der Hauptsache entschieden haben.
Normenkette
ZPO § 42; GKG § 21
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
[1] Mit Urteil des OLG München vom 17.3.2005 ist die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden, mit der er die Feststellung begehrte, dass ihm der beklagte Freistaat wegen schuldhaft amtspflichtwidriger Abschiebungsmaßnahmen, Aufenthalts- und Einbürgerungsversagung sowie Rechtsbeugung, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung durch die Richter zu Schadensersatz in der Größenordnung von 2,5 Mio. DM verpflichtet sei. An dieser Entscheidung wirkten Richter mit, deren Verhalten der Kläger zur Grundlage seines Feststellungsantrags gemacht hatte. Der Senat hat mit Beschluss vom 21.12.2005 (III ZA 5/05) dem Kläger Prozesskostenhilfe für die Revision gegen dieses Urteil versagt und Gegenvorstellungen hiergegen durch Beschlüsse vom 12.4.2006 und 1.6.2006 (III ZR 16/06) zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 30.11.2006 (III ZR 16/06) hat der Senat die vom Kläger auf eigene Kosten eingelegte Revision gem. § 552a ZPO zurückgewiesen. An den genannten Senatsbeschlüssen wirkten die Richter V, W, X, Y und Z mit.
[2] Der vom Kläger angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 7.10.2008 beschlossen, dessen Individualbeschwerde gem. Art. 37 Abs. 1 Buchst. c der Konvention im Register zu streichen. Dem war eine einseitige Erklärung der Bundesregierung vorausgegangen, in der diese anerkannte, dass der Kläger bei dem zweiten Amtshaftungsprozess vor dem OLG kein faires Verfahren durch ein unparteiisches Gericht gehabt habe. Der Gerichtshof hielt die von der Bundesregierung angebotene Summe von 18.500 EUR als Entschädigung - auch für Nichtvermögensschäden sowie Kosten und Auslagen - für annehmbar und eine weitere Prüfung der Beschwerde im Hinblick hierauf für nicht gerechtfertigt.
[3] Im Weiteren beantragte der Kläger vor dem OLG Prozesskostenhilfe für ein Restitutionsverfahren nach § 580 Nr. 8 ZPO. Das OLG wies diesen Antrag durch Beschluss vom 23.12.2008 zurück, ohne die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Den für eine Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss gestellten Prozesskostenhilfeantrag wies der Senat durch Beschluss vom 19.2.2009 zurück. Mit Schreiben vom 20.2.2009 lehnte der Kläger die in den Verfahren III ZR 16/06 und III ZA 5/05 mitwirkenden Richter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit weiterem Schreiben vom 25.2.2009 erinnerte er ferner an seinen Antrag, von der Erhebung von Gerichtskosten des vorangegangenen Verfahrens III ZR 16/06 wegen unrichtiger Sachbehandlung abzusehen. An dieser Entscheidung dürften die Richter V und Z als vorbefasste Richter nicht mitwirken.
[4] Die Parteien hatten Gelegenheit, zu den dienstlichen Äußerungen der beiden abgelehnten Richter Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 13.3.2009 stellte der Kläger klar, dass sich sein Ablehnungsantrag nicht auf den Richter Y beziehe.
II.
[5] Nachdem die abgelehnten Richter W und X wegen Ruhestands nicht mehr dem Senat angehören, ist über den Ablehnungsantrag des Klägers nur in Bezug auf die Richter V und Z zu entscheiden. Der Antrag ist, soweit er sich auf den gestellten Prozesskostenhilfeantrag bezieht, verspätet, da er erst nach der Beschlussfassung des Senats eingegangen ist. Im Übrigen ist er jedenfalls unbegründet.
[6] Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für diese Besorgnis sieht der Kläger nicht in besonderen subjektiven Einstellungen der Richter, sondern in dem Umstand, dass der Senat in den vorangegangenen Verfahren III ZA 5/05 und III ZR 16/06 die Mitwirkung der Berufungsrichter in eigener Sache zu Unrecht gerechtfertigt habe. Demgegenüber stelle es nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 7.10.2008, der sich auf seine Entscheidung vom 29.7.2004 in Sachen San Leonard Band Club v. Malta (Nr. 77562/01 ECHR 2004-IX) bezogen habe, einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der Konvention dar, wenn Richter ihre eigenen angeblichen Fehler bewerten und über sie entscheiden und damit über sich selbst urteilen müssten. Da es auch bei der hier nach § 21 GKG beantragten Entscheidung über die Niederschlagung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung um die Rechtfertigung der eigenen Rechtsauslegung gehe, sei eine Mitwirkung der abgelehnten vorbefassten Richter gleichfalls konventionswidrig.
[7] Diese Begründung rechtfertigt den gestellten Ablehnungsantrag nicht. Es ist eine verkürzte Sichtweise, wenn der Kläger davon spricht, der Senat habe die "Selbstjustiz" der Richter des OLG München gerechtfertigt. Der Senat hat im Beschluss vom 21.12.2005 durchaus in Betracht gezogen, dass in der Person der an der Berufungsentscheidung mitwirkenden Richter Ausschlussgründe gem. § 41 Nr. 1 ZPO vorgelegen haben. Der Senat hat insoweit lediglich im Hinblick auf den Beschluss des OLG vom 3.6.2004, der inhaltlich (auch) ein Ablehnungsgesuch des Klägers zurückgewiesen hatte, das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes i.S.d. § 547 Nr. 2 ZPO verneint.
[8] Demgegenüber ist die vom Kläger beanstandete Mitwirkung der Richter des Berufungsgerichts für die Beschlüsse des Senats zur Prozesskostenhilfe und zur Zurückweisung der eingelegten Revision nicht entscheidungserheblich gewesen. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, der Senat habe als Revisionsgericht Tatsachen zugrunde gelegt, die - wegen der Entscheidung in eigener Sache - an der Mitwirkung gehinderte Richter zu ihrer eigenen Entlastung festgestellt hätten. Denn es sind, was die zugrunde zu legenden Tatsachen angeht, keine durchgreifenden Rügen erhoben worden, die den Senat an einer abschließenden Entscheidung in der Sache gehindert hätten. Insoweit sind auch Verfassungsbeschwerden des Klägers nicht zur Entscheidung angenommen worden.
[9] Art. 6 Abs. 1 der Konvention ist auch nicht dadurch verletzt, dass nach § 21 Abs. 2 GKG das jeweilige Gericht für seine Instanz darüber zu befinden hat, ob eine Nichterhebung von Kosten in Betracht kommt, die bei richtiger Behandlung in der Sache nicht entstanden wären. Die Vorschrift hat nicht zum Gegenstand, das Streitverhältnis zum Gegner des Verfahrens wieder aufzurollen und in diesem Verfahren erneut über die zivilrechtlichen Rechte und Pflichten der Parteien zu entscheiden. Vielmehr geht es allein um die das Verhältnis zwischen der betroffenen Partei und der Staatskasse berührende Frage, ob Gerichtskosten ganz oder teilweise aus den angeführten Gründen unerhoben bleiben. Auch wenn die hierbei zu prüfenden Fragen mit der Hauptsache Berührungspunkte aufweisen können, geht es nicht im Kern darum, über die eigene Rechtsauslegung oder -anwendung im vorangegangenen Verfahren zu befinden. Nach dem Verständnis, das der Senat von der Entscheidung des Gerichtshofs in der Sache San Leonard Band Club v. Malta gewonnen hat, verlangt Art. 6 Abs. 1 der Konvention nicht, dass Richter, gegen deren Mitwirkung im Verfahren zur Hauptsache keine Bedenken bestanden haben, allein wegen dieser Vorbefassung von einer Entscheidung nach § 21 Abs. 1 GKG ausgeschlossen sind.
[10] Andere Gründe, die gegen eine Unparteilichkeit der abgelehnten Richter sprechen könnten, sind weder glaubhaft gemacht noch ersichtlich.
Fundstellen