Verfahrensgang
LG Görlitz (Urteil vom 08.07.2019; Aktenzeichen 100 Js 21069/18 1 Ks) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 8. Juli 2019 wird
- das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass sich der Angeklagte in den Fällen II.1 bis 4 der Urteilsgründe des Computerbetrugs in zwei Fällen schuldig gemacht hat;
- im Maßregelausspruch aufgehoben; der Ausspruch entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, schweren Raubes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Raubes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung, des Computerbetruges in vier Fällen sowie Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Außerdem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis unter gleichzeitiger Anordnung einer lebenslangen Sperre entzogen.
Rz. 2
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat lediglich den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte im Zeitraum zwischen dem 17. Mai 2018 und dem 31. August 2018 in zahlreichen Fällen – die nicht alle Gegenstand der Anklage waren – gebrechlichen Frauen hohen Alters ihre Taschen gestohlen oder geraubt, um Bargeld, Wohnungsschlüssel und Bankkarten mit zugehörigen PINs für anschließende unberechtigte Geldabhebungen (Fälle II.1 bis 4) zu erlangen bzw. mittels der erbeuteten Wohnungsschlüssel Einbruchdiebstähle zu begehen. Auf der Suche nach potentiellen Opfern durchstreifte der Angeklagte am Steuer seines Fahrzeugs das Stadtgebiet von G. oder angrenzenden Städten und fuhr in die Nähe der für die Einbruchdiebstähle ins Auge gefassten Wohnungen. In einem Fall tötete der Angeklagte eine 90-jährige Frau, in deren Wohnung er mittels eines ihr tags zuvor weggenommenen Ersatzschlüssels eingedrungen war, und entwendete Bargeld, eine Bankkarte und andere Gegenstände.
Rz. 4
2. Der Schuldspruch erweist sich als ganz überwiegend rechtsfehlerfrei. Lediglich die konkurrenzrechtliche Bewertung der Geldabhebungen in den Fällen II.1 bis 3 und der Maßregelausspruch haben keinen Bestand.
Rz. 5
a) Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Computerbetrugs in vier Fällen (Fälle II.1 bis 4 der Urteilsgründe) nicht. Das Landgericht ist insoweit davon ausgegangen, dass alle vier Geldabhebungen jeweils selbständige, real konkurrierende Taten des Computerbetrugs nach § 263a Abs. 1 StGB darstellen. Diese konkurrenzrechtliche Beurteilung der Abhebungen erweist sich für die Fälle II.1 bis 3 als nicht tragfähig.
Rz. 6
aa) Denn die jeweils am 17. Mai 2018 um 7.44 Uhr, 7.46 Uhr und 7.47 Uhr – mithin in kurzem zeitlichen Abstand – mit derselben EC-Karte am selben Geldautomaten der Bankfiliale getätigten Abhebungen bilden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in natürlicher Handlungseinheit stehende Teile einer einheitlichen Tat nach § 263a Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. März 2015 – 1 StR 50/15, vom 24. Juli 2012 – 4 StR 193/12, vom 1. Februar 2011 – 3 StR 432/10, vom 19. Dezember 2007 – 2 StR 457/07, jeweils mwN). Tatmehrheitlich zu dieser Tat steht die Geldabhebung an einem anderen Geldautomaten in einer anderen Bankfiliale (Fall II.4 der Urteilsgründe).
Rz. 7
bb) Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 8
Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der in den Fällen II.2 und 3 verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils neun Monaten. Die lebenslange Gesamtstrafe bleibt hiervon unberührt, § 54 Abs. 1 Satz 1 StGB. Der Senat kann ausschließen, dass der aufgezeigte Rechtsfehler die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld beeinflusst hat.
Rz. 9
b) Auch die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis kann, ebenso wie die angeordnete lebenslange Sperre für ihre Neuerteilung, keinen Bestand haben.
Rz. 10
aa) Das Landgericht hat hierzu festgestellt, der Angeklagte habe seine Berechtigung, ein Fahrzeug zu führen, zur Begehung der jeweiligen Taten missbraucht. Für die Verwirklichung der Taten sei das Fahrzeug von erheblicher Bedeutung gewesen. Mit seiner Hilfe sei der Angeklagte zum jeweiligen Tatort gelangt. Das Auto habe ihm die schnelle Flucht nach den Diebstählen oder Raubtaten, den sich anschließenden Missbrauch von erbeuteten EC-Karten bzw. den nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters durchführbaren Zugriff auf Wohnungen nach Entwendung von Wohnungsschlüsseln ermöglicht. Schließlich habe die Benutzung des Autos den Angeklagten in die Lage versetzt, zur Begehung der Taten auf Kleinstädte außerhalb von G. auszuweichen und so dem steigenden Fahndungsdruck der Polizei zu entgehen.
Rz. 11
bb) Diese Erwägungen tragen die Maßregelentscheidung nicht.
Rz. 12
Soll einem Täter wegen einer anderen Straftat, die nicht in dem Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthalten ist, die Fahrerlaubnis entzogen werden, muss das Tatgericht eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit vornehmen, mit der die fehlende Eignung belegt wird, wobei der Umfang der Darlegung vom Einzelfall abhängt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2000 – 3 StR 167/00, NStZ-RR 2000, 297, 298 mwN; vom 23. November 2017 – 4 StR 427/17). Allein die Benutzung eines Kraftfahrzeugs zur Fahrt zum Tatort und für die anschließende Flucht belegt die Ungeeignetheit nicht. Vielmehr muss die Anlasstat tragfähige Rückschlüsse darauf zulassen, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen (BGH, Beschluss vom 27. April 2005 – GGSt 2/04, BGHSt 50, 93 ff.). Dahingehende Tatsachen lassen sich den Ausführungen im Urteil nicht entnehmen.
Rz. 13
Angesichts der bisher vom Landgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat ausschließen, dass sich aufgrund einer neuen Hauptverhandlung noch Umstände ergeben könnten, die eine Prognose der Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB rechtfertigen und deshalb den Maßregelausspruch tragen könnten. Der Senat hebt daher den Maßregelausspruch auf und lässt die Maßregel in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entfallen.
Rz. 14
cc) Da die Revision im Hinblick auf den Maßregelausspruch Erfolg hat, kommt es auf die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensbeanstandung wegen Verletzung der Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StPO nicht mehr an.
Rz. 15
c) Ergänzend bemerkt der Senat: Die Darstellung des DNA-Gutachtens zu Fall II.8 in den Urteilsgründen entspricht nicht den höchstrichterlichen Maßgaben (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17 mit zahlreichen Nachweisen). Der Senat kann aber angesichts der vom Landgericht sonst erhobenen Beweise ausschließen, dass die Strafkammer zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre (§ 337 Abs. 1 StPO), zumal sie aus den DNA-Spuren nur Rückschlüsse auf die zeitliche und örtliche Nähe des Angeklagten zum Tatopfer gezogen hat, die der Angeklagte ohnehin selbst eingeräumt hat.
Rz. 16
3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen, § 473 Abs. 4 StPO.
Unterschriften
Cirener, Berger, Mosbacher, Resch, von Häfen
Fundstellen
Haufe-Index 14174001 |
HRRS 2020, 458 |