Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 11. Mai 1999
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte schuldig ist des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
- in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe im Strafausspruch sowie im Gesamtstrafenausspruch jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen, daß die Einziehung (und nicht der Verfall) des sichergestellten Kokains angeordnet wird.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Die auf die Verletzung des § 250 Abs. 1 Satz 1 StPO gestützte Verfahrensrüge ist aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 2. November 1999 im einzelnen dargelegt hat, unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Sachrüge hat in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält die Verurteilung in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Das Landgericht hat in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe folgendes festgestellt:
Nach dem erfolgreich verlaufenen Probekauf vom 11. Dezember 1997 wollte der Angeklagte mit den verdeckten Ermittlern „U.” und „F.” ein größeres Geschäft mit Kokain guter Qualität durchführen. Am 16. Dezember 1997 bot er telefonisch über einen Dolmetscher dem verdeckten Ermittler „F.” zwei Kilogramm Kokain an. Der Angeklagte, seine Begleiter und die verdeckten Ermittler trafen sich am 20. Dezember 1997 in einem Hotel in W. . Nachdem der verdeckte Ermittler „F.” eine Reisetasche mit 150.000,00 DM vorgezeigt hatte, erklärte der Angeklagte durch seinen Dolmetscher, er und seine Begleiter würden das Rauschgift holen, man könne das Geschäft in der Nähe des Hotels durchführen. Kurze Zeit danach ließ der Angeklagte den verdeckten Ermittler „F.” auffordern, mit ihm in seine Wohnung nach E. zu kommen. Er solle ihm dort 70.000,00 DM geben und warten, er werde einige Stunden später mit 2 Kilogramm Kokain zurückkommen. Dazu war der verdeckte Ermittler nicht bereit. Am 23. Dezember 1997 und am 7. Januar 1998 wurden weitere Verhandlungen über das beabsichtigte Rauschgiftgeschäft geführt. Bei einem Telefonat am 7. Januar 1998 behauptete der für den Angeklagten als Dolmetscher tätige D. – ohne Absprache mit dem Angeklagten – gegenüber dem verdeckten Ermittler „F.”, der Angeklagte habe an dem Kokaingeschäft kein Interesse mehr.
In der Folgezeit bediente sich der Angeklagte anderer Dolmetscher, um den Kontakt mit den verdeckten Ermittlern zu halten. Am 15. Januar 1998 trafen sich der Angeklagte, seine Begleiter und die verdeckten Ermittler in einem Hotel in M.. Dabei ließ der Angeklagte erklären, daß das abgesprochene Rauschgiftgeschäft in dem Hotel in W. wegen finanzieller Probleme nicht zustande gekommen sei; er habe bei Kokaingeschäften 200.000,00 DM verloren, er müsse zunächst die alten Probleme erledigen. Im weiteren Verlauf dieses Gesprächs einigten sich der Angeklagte und der verdeckte Ermittler „F.” auf die Lieferung von einem Kilogramm Kokain zu einem Preis von 80.000,00 DM. Zu einer auf den 21. Januar 1998 vereinbarten Kokainübergabe kam es jedoch nicht. Bei einem weiteren Treffen am 11. März 1998 bot der Angeklagte die Lieferung von 1,5 bis 2 Kilogramm Kokain mit einem hohen Wirkstoffgehalt zu einem Preis von 75.000,00 DM bis 80.000,00 DM pro Kilogramm an. Schließlich vereinbarten der Angeklagte und der verdeckte Ermittler „F.”, daß sich der Angeklagte erst wieder melden solle, wenn er auch tatsächlich im Besitz von Kokain sei. Anfang Mai 1998 rief der Angeklagte mehrmals telefonisch beim verdeckten Ermittler an. Am 12. Mai 1998 ließ er über einen Dolmetscher mitteilen, daß er Kokain im Werte von 200.000,00 DM zur Verfügung habe. In dem auf den 13. Mai 1998 vereinbarten Übergabetermin in einem Hotel in M. erklärte der Angeklagte durch seinen Dolmetscher, er könne erst am kommenden Freitag die zwei Kilogramm Kokain liefern. Die verdeckten Ermittler veranlaßten daraufhin die vorläufige Festnahme des Angeklagten und dessen Dolmetschers.
2. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat das Landgericht den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt und Einzelstrafen von vier Jahren und drei Jahren sechs Monaten verhängt. Diese Verurteilung hat keinen Bestand, weil die Strafkammer das Konkurrenzverhältnis nicht rechtsfehlerfrei beurteilt hat.
a) Rechtlich zutreffend geht das Landgericht davon aus, daß der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, weil er den verdeckten Ermittlern Kokain in Mengen bis zu zwei Kilogramm zum Kauf angeboten hat. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln umfaßt alle eigennützigen Bemühungen, die darauf gerichtet sind, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern (BGHSt 29, 239 f.; 30, 359, 361; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28, 29, 31, 41, 50). Ein vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegt deshalb bereits dann vor, wenn der Verkäufer dem Kaufinteressenten ein verbindliches und ernsthaftes Verkaufsangebot unterbreitet (BGH NJW 1954, 1537; Körner, BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 165). Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob es zu Umsatzgeschäften tatsächlich gekommen ist (BGHSt 29, 239, 240; 30, 359, 361), ob der Täter über das angebotene Rauschgift verfügen konnte (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 29) oder ob er eine gesicherte Lieferantenzusage hatte (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 31). Auch wenn – wie hier – ein verdeckter Ermittler der Polizei nur zum Schein sich als Käufer an den Kaufverhandlungen über Rauschgift beteiligt und der erstrebte Betäubungsmittelumsatz nicht erreicht werden kann, ist beim Verkäufer ein Handeltreiben gegeben (BGHSt 30, 277 f.).
b) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme von zwei selbständigen Einzeltaten. Aufgrund des unter II. 3. und 4. der Urteilsgründe beschriebenen Sachverhalts ist zugunsten des Angeklagten nur von einer einheitlichen Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auszugehen. Die festgestellten Tätigkeiten werden, da sie sich auf denselben Güterumsatz beziehen, zu einer Bewertungseinheit verbunden (vgl. BGHSt 30, 28 ff.; BGH StV 1996, 483; Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. Vor §§ 52 ff. Rdn. 28 f.; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. Vor § 52 Rdn. 2 b). Die mehreren bindenden Verkaufsangebote beruhen auf einem Entschluß und betreffen eine einheitliche – noch zu liefernde – Menge von bis zu zwei Kilogramm Kokain. Der Angeklagte hat seinen Entschluß vom Dezember 1997, an die verdeckten Ermittler bis zu zwei Kilogramm Kokain zu verkaufen, zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Die Erklärung des Dolmetschers D. vom 7. Januar 1998, der Angeklagte habe an einem Rauschgiftgeschäft kein Interesse mehr, erfolgte nach den Urteilsfeststellungen ohne Absprache mit dem Angeklagten. Noch im Januar 1998 bediente sich der Angeklagte anderer Dolmetscher, um den Kontakt zu den verdeckten Ermittlern halten zu können. Die Verkaufsangebote wurden vom Angeklagten ersichtlich deswegen erneuert, weil die beabsichtigte Rauschgiftübergabe immer wieder gescheitert war.
Es erscheint ausgeschlossen, daß in einer neuen Hauptverhandlung der Annahme einer einheitlichen Tat entgegenstehende Feststellungen getroffen werden könnten. Denn auch bei verbleibenden Zweifeln müßte nach dem Grundsatz „in dubio pro reo” eine einheitliche Handlung angenommen werden. Der Senat ändert den Schuldspruch in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe deshalb dahin, daß der Angeklagte (nur in einem Fall) des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. § 265 StPO steht dieser Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen.
3. Wegen der Zusammenfassung der Fälle II. 3. und 4. der Urteilsgründe zu einem Fall des Handeltreibens waren die dafür von der Strafkammer verhängten zwei Einzelstrafen aufzuheben. Es ist Aufgabe des Tatrichters, die verwirkte Einzelstrafe festzusetzen. Bei der Strafzumessung wird das Landgericht auch das tatprovozierende Verhalten der polizeilichen Lockspitzel zugunsten des Angeklagten erheblich strafmildernd berücksichtigen müssen (vgl. hierzu BGHSt 32, 345 ff.; BGHR BtMG § 29 Strafzumessung 28; BGH, Urt. vom 16. November 1999 – 1 StR 221/99). Mit der Aufhebung der beiden Einzelstrafen entfällt auch die Gesamtstrafe.
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 556766 |
NStZ 2000, 207 |