Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 17. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben,
- in den Einzelstrafaussprüchen im Fall des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in den 15 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, die Betäubungsmittelgeschäfte in den Jahren 1997 und 1998 betreffen,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 35 Fällen sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von drei Jahren festgesetzt. Ferner hat es den Verfall eines Betrages von 1.500 DM angeordnet.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.
Die Überprüfung des Schuldspruchs, der Einzelstrafaussprüche in den die zwanzig Lieferungen von Opium an T. in den Jahren 1995 und 1996 betreffenden Fällen sowie der Maßregelaussprüche hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Einzelstrafaussprüche in den 15 Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen, die Opiumgeschäfte in den Jahren 1997 und 1998 betreffen, und in dem Fall des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Oktober 1998) sowie der Gesamtstrafenausspruch haben dagegen keinen Bestand. Insoweit hat die Revision mit einer Verfahrensrüge Erfolg:
Nach den Feststellungen hat sich der Angeklagte dahin eingelassen, in der Zeit bis Ende 1996 habe er T. kein Opium geliefert, sondern von diesem Opium zum Eigenverbrauch bezogen. „Danach habe er einen Mustapha S. in Oberhausen kennengelernt, der ihm Opium zu einem günstigeren Preis verkauft habe.” Ab 1997 habe er an T. „zwei- bis dreimal jeweils 100 bis 150 g Opium, fünf- bis sechsmal 250 g, einmal 300 g und zweimal je 500 g Opium geliefert”, das er ebenso wie das für den Eigenverbrauch benötigte Opium jeweils von Mustapha S. bezogen habe (UA 9/10). Ferner hat der Angeklagte eingeräumt, das in seiner Wohnung sichergestellte Opium (1450 g) dort für den Eigenverbrauch verwahrt, im Oktober 1997 eine Opiumlieferung (400 g) vermittelt und im November 1997 eine Bestellung (500 g Opium) entgegengenommen zu haben.
Im Rahmen seines Schlußvortrages hat der Verteidiger für den Fall, „daß die Kammer von den Angaben des Angeklagten über die eingeräumte Liefermenge abweichen will”, beantragt, den Kriminalbeamten N. als Zeugen zu hören und folgendes in sein Wissen gestellt:
„Der vom Angeklagten als sein Lieferant bezeichnete S. ist von der Polizei identifiziert. Er lebt in Oberhausen, die Angaben des Angeklagten über diesen Mann als Lieferanten erscheinen unter Berücksichtigung weiterer Erkenntnisse der Polizei glaubwürdig.”
Die Revision beanstandet zu Recht, daß die Strafkammer diesem Hilfsbeweisantrag nicht nachgegangen ist, obwohl sie im Urteil davon ausgegangen ist, daß der Angeklagte an T. in zwölf Einzelfällen insgesamt zehn kg Opium geliefert hat. In den Urteilsgründen hat das Landgericht zu dem Antrag u.a. ausgeführt:
„Soweit der Angeklagte den Namen seines Lieferanten Mustapha S. nannte, folgte daraus keine wesentliche Aufklärungshilfe für die Polizei. Selbst wenn die Polizei den Lieferanten auf Grund des genannten Namens identifizieren konnte, wurde hierdurch die Ermittlungstätigkeit der Polizei weder gefördert noch erleichtert. Durch die bloße Nennung des Namens allein konnte nämlich die Aufdeckung weiterer Straftaten in keinster Weise gefördert werden, denn es ergab sich daraus nicht, zu welchen Zeitpunkten und an welchen Orten welche Mengen an Opium durch S. an den Angeklagten geliefert wurden. Vor diesem Hintergrund bedarf es nicht der erneuten Vernehmung des Zeugen N., denn die Frage einer etwaigen Ermittlungshilfe läßt sich allein auf Grund der bereits festgestellten Tatsachen zu dem Umfang der von dem Angeklagten mitgeteilten Informationen beurteilen. Es handelt sich lediglich um eine Bewertung der von dem Angeklagten gegebenen Informationen, welche die Kammer selbst vornehmen kann und muß.”
Die dem zugrundeliegende Annahme, die in das Wissen des als Zeugen benannten Kriminalbeamten gestellten Tatsachen seien für die Entscheidung über die Anwendbarkeit des § 31 Nr. 1 BtMG ohne Bedeutung, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie steht mit dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme nicht im Einklang und läßt besorgen, daß ihr ein zu enges Verständnis von dieser Strafmilderungsvorschrift zugrunde liegt.
Nach § 31 Nr. 1 BtMG kann sich der Täter Strafmilderung verschaffen, wenn er die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus offenlegt und die Offenbarung zu einem Aufklärungserfolg führt (BGH NStZ 1984, 28; BGH StV 1986, 436). Einen solchen Aufklärungsbeitrag leistet der Täter allerdings nicht bereits durch die bloße Benennung von Mittätern, Auftraggebern und Abnehmern. Er muß vielmehr auch konkrete Angaben über deren Beteiligung an der Tat machen (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 11; BGH NStZ-RR 1998, 25). Zudem muß seine Darstellung einer Überprüfung durch die Strafverfolgungsbehörden standhalten (BGHSt 31, 163, 166) und wesentlich zu einem – nach Überzeugung des Gerichts – voraussichtlich erfolgreichen Abschluß der Strafverfolgung beitragen (BGH StV 1985, 14, 15; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 1, 10; vgl. Weber BtMG § 31 Rdn. 50 m.w.N.).
Nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme käme danach aber, soweit es die Taten in dem Zeitraum 1997/1998 betrifft, die Annahme eines solchen Aufklärungserfolges in Betracht, sofern die beantragte Vernehmung des Kriminalbeamten N. ergeben hätte, daß Mustapha S. von der Polizei „identifiziert” wurde und „die Angaben des Angeklagten über diesen Mann als Lieferanten unter Berücksichtigung weiterer Erkenntnisse” der Überprüfung durch die Polizei standgehalten haben (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 25). Der Angeklagte hat sich nach den Feststellungen nicht auf „die bloße Nennung des Namens” beschränkt, sondern Mustapha S. als den Lieferanten der in dem Tatzeitraum 1997/1998 zum Eigenverbrauch und zur Veräußerung an seinen Abnehmer bestimmten Opiummengen bezeichnet. Damit ist die als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu wertende Beteiligung des Mustapha S. an in diesen Zeitraum fallenden Taten des Angeklagten hinreichend konkretisiert. Daß der Angeklagte keine Angaben zu der Abwicklung seiner Erwerbsgeschäfte mit Mustapha S. gemacht und geringere Mengen angegeben hat, schließt eine Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG nicht aus. Diese Vorschrift verlangt weder ein umfassendes Geständnis noch eine Offenlegung des gesamten Wissens des Täters (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 5, 19; Weber aaO Rdn. 26, 27 m.w.N.).
Die rechtsfehlerhafte Ablehnung dieses Hilfsbeweisantrages führt zur Aufhebung der Einzelstrafen wegen der 16 in der Zeit von Anfang 1997 bis Ende 1998 begangenen Taten, da insoweit nicht auszuschließen ist, daß das Landgericht aufgrund des Ergebnisses der beantragten Beweiserhebung unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze zur Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG gelangt wäre. Dies gilt wegen des engen Zusammenhanges zwischen den in diesen Tatzeitraum fallenden Betäubungsmittelgeschäften und der aufgedeckten Bezugsquelle (vgl. Weber aaO Rdn. 83) auch für die beiden Fälle des Handeltreibens, in denen der Angeklagte lediglich eine Lieferung zugesagt oder vermittelt hat (Taten vom 27. Oktober und 7. November 1997). Die Aufhebung dieser Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Dagegen können die Einzelstrafen wegen der 20 Betäubungsmittelgeschäfte in der Zeit vor 1997, die der Angeklagte bestritten hat, bestehen bleiben, da insoweit die Anwendung des § 31 Nr. 1 BtMG nicht in Betracht kommt.
Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß bei der Prüfung eines Aufklärungserfolges im Sinne des § 31 Nr. 1 BtMG auf den Zeitpunkt der neuen Hauptverhandlung abzustellen ist (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 21).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 556841 |
NStZ 2000, 433 |
StV 2000, 295 |