Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwalt. Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Honorarforderungen. Angaben über Mandanten. Anwaltliche Schweigepflicht. Abtretungsverbot. Pfändbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
Da Honorarforderungen eines Rechtsanwalts trotz dessen Verschwiegenheitsverpflichtung grundsätzlich pfändbar sind, hat der Rechtsanwalt als Schuldner in der Einzelvollstreckung Forderungen gegen seine Mandanten mit Namen und Anschrift anzugeben.
Normenkette
ZPO § 900 Abs. 4, §§ 807, 851 Abs. 1; StGB § 203; BRAO § 49b
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Entscheidung vom 15.05.2009; Aktenzeichen 13 T 45/09) |
AG Deggendorf (Entscheidung vom 13.02.2009; Aktenzeichen 1 M 389/08) |
Tenor
Dem Schuldner wird gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Deggendorf - 1. Zivilkammer - vom 15. Mai 2009 (13 T 45/09) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Deggendorf - 1. Zivilkammer - vom 15. Mai 2009 (13 T 45/09) wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.500 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Schuldner war Rechtsanwalt. Gegen ihn besteht ein von der Gläubigerin erwirktes rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 22. Januar 2008. Im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist der Schuldner ohne Entschuldigung nicht erschienen. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Vollstreckungsgericht gegen ihn deshalb am 26. März 2008 Haftbefehl erlassen. Der Schuldner hat daraufhin gegenüber dem Gerichtsvollzieher mündlich erklärt, wegen seiner anwaltlichen Schweigepflicht im amtlichen Vermögensverzeichnis hinsichtlich seiner Mandate keine Angaben zu Namen, Anschrift, Forderungsgrund und Forderungshöhe machen zu müssen.
Das Vollstreckungsgericht hat die Erklärung des Schuldners als Widerspruch gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 900 Abs. 4 ZPO behandelt und zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Schuldner weiterhin dagegen, im amtlichen Vermögensverzeichnis Angaben zu ihm als Rechtsanwalt erteilten Mandaten machen zu müssen. Am 18. November 2009 hat er außerdem beantragt, die Vollziehung des Haftbefehls bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen. Die Gläubigerin ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vertreten gewesen.
II. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (vgl. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Nachdem der Senat dem Schuldner mit Beschluss vom 29. Juli 2009 Prozesskostenhilfe bewilligt hat und der Wiedereinsetzungsantrag von seinem Prozessbevollmächtigten innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO gestellt worden ist, ist dem Schuldner Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Fristen für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren.
III. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts zurückgewiesen und dazu ausgeführt:
Nach Erlass des Haftbefehls könne der Schuldner keine Einwendungen nach § 900 Abs. 4 ZPO mehr erheben. Außerdem sei der Schuldner zu den nach § 807 ZPO erforderlichen Angaben über Mandate verpflichtet. Er verstoße damit nicht gegen § 203 StGB, da § 807 ZPO die Offenbarung rechtfertige.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Schuldners zu Recht zurückgewiesen.
a) Der Schuldner kann schon einen gegen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung insgesamt gerichteten Widerspruch nicht damit begründen, zu bestimmten Positionen des amtlichen Vermögensverzeichnisses keine Angaben machen zu müssen. Denn mit dieser Begründung wird die Pflicht zur Abgabe der Versicherung als solche nicht in Frage gestellt.
b) Dahinstehen kann, ob die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde im Übrigen bereits deswegen erfolgen musste, weil der Schuldner seine auf die anwaltliche Schweigepflicht gestützten Einwendungen erst nach Erlass des Haftbefehls vom 26. März 2008 erhoben hat. Außerhalb des Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kann nur das Fehlen der von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung oder des Offenbarungsverfahrens gerügt werden (BGH, Beschl. v. 20.10.2005 - I ZB 3/05, NJW-RR 2006, 645 Tz. 9). Zwar sind Pfändungsbeschränkungen nach § 851 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 23.10.2008 - VII ZB 92/07, NJW-RR 2009, 411 Tz. 13). Honorarforderungen von Rechtsanwälten sind indes ungeachtet des Abtretungsverbots in § 49b BRAO grundsätzlich pfändbar (BGHZ 141, 173, 176).
c) Unabhängig von den bereits gegen die Zulässigkeit des Widerspruchs des Schuldners sprechenden Bedenken ist er jedenfalls gemäß § 807 ZPO verpflichtet, Namen und Anschriften seiner Mandanten sowie die Höhe der ihm gegen sie zustehenden Forderungen in der eidesstattlichen Versicherung anzugeben. Weder § 203 StGB noch § 49b Abs. 4 BRAO stehen dieser Verpflichtung entgegen.
aa) Da Honorarforderungen von Rechtsanwälten trotz der in § 43a Abs. 2 BRAO, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB geregelten Verschwiegenheitspflichten grundsätzlich pfändbar sind, hat der Schuldner über sie die nach § 807 ZPO erforderlichen Angaben zu machen. Der Umstand allein, dass Mandanten Dienstleistungen von Rechtsanwälten in Anspruch nehmen, ist keine überragend geheimhaltungsbedürftige Tatsache. Die in § 807 ZPO vorgesehenen Angaben sind für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung des Gläubigers unverzichtbar, mit der er sein durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Befriedigungsrecht durchsetzt (vgl. BGHZ 141, 173, 176 ff.; BGH, Beschl. v. 16.10.2003 - IX ZB 133/03, NJW-RR 2004, 54; Beschl. v. 17.2.2005 - IX ZB 62/04, NJW 2005, 1505, 1506; BGHSt 37, 340, 341). Auch soweit die genannten Entscheidungen nicht unmittelbar Rechtsanwälte betreffen oder sich auf Insolvenzverfahren beziehen, hat der Bundesgerichtshof wiederholt ausdrücklich die Verpflichtung von Rechtsanwälten bestätigt, als Schuldner in der Einzelvollstreckung Forderungen gegen Mandanten mit Namen und Anschrift anzugeben (vgl. BGHSt 37, 340, 341; BGH NJW-RR 2004, 54; NJW 2005, 1505, 1506).
bb) Die Rechtsbeschwerde meint, im Rahmen der Offenbarungspflicht des § 807 ZPO sei die in § 49b Abs. 4 BRAO i.V. mit § 851 Abs. 1 ZPO enthaltene Wertung des Gesetzgebers zu beachten. Die dann erforderliche Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Gläubiger mit denen der Mandanten des Schuldners habe das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft unterlassen. Mit diesem Vorbringen hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht § 49b Abs. 4 BRAO auch i.V. mit § 851 Abs. 1 ZPO der Offenbarungspflicht nach § 807 ZPO nicht entgegen. Die Rechtsbeschwerde versucht vergeblich, diese Rechtsprechung auf Fälle zu begrenzen, in denen es um den Insolvenzbeschlag einer Honorarforderung geht und der Insolvenzverwalter zur vertraulichen Behandlung der bekanntgewordenen oder bekanntwerdenden Informationen verpflichtet ist. Eine solche Beschränkung hat der Bundesgerichtshof nicht vorgenommen. Er hat vielmehr den Insolvenzbeschlag von Honorarforderungen der Rechtsanwälte aus ihrer grundsätzlichen Pfändbarkeit abgeleitet, die er im Einzelnen begründet hat (BGHZ 141, 173, 176; BGH NJW-RR 2004, 54; NJW 2005, 1505, 1506). Besonderheiten des Insolvenzverfahrens sind dabei unerheblich. Soweit in der Entscheidung BGHZ 141, 173, 179 auf derartige Besonderheiten Bezug genommen wurde, geschah dies in anderem Zusammenhang. Es wurde lediglich erwogen, den Insolvenzverwalter aufgrund seines schon mit der Bestellung verbundenen Zugangs zu den Unterlagen des insolventen Steuerberaters ähnlichen Verschwiegenheitspflichten zu unterwerfen wie den insolvent gewordenen Geheimnisträger selbst. Der Bundesgerichtshof hat aber klargestellt, dass sich daraus kein Anlass ergibt, den Insolvenzgläubigern die Honorarforderungen des insolventen Rechtsanwalts oder Steuerberaters als Haftungsgrundlage zu entziehen.
Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorgenommene Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen von Gläubigern und Mandanten steht mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip praktischer Konkordanz in Einklang. Die nach § 807 ZPO erforderlichen Angaben zu Mandaten (Name, Anschrift, Forderungshöhe) sind nur eingeschränkt schutzwürdig. Insoweit tritt das Grundrecht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung hinter das durch Art. 14 GG geschützte Befriedigungsrecht des Gläubigers zurück. Daraus ergibt sich ein Rechtfertigungsgrund für die Offenbarung dieser Angaben sowohl für den Schuldner in der Einzelvollstreckung wie auch für den Insolvenzverwalter gegenüber den Insolvenzgläubigern. Darauf, ob die Empfänger der nach § 807 ZPO erforderlichen Angaben ihrerseits zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet sind, kommt es nicht an. Auf sonstige, insbesondere uneingeschränkt schutzwürdige persönliche Daten der Mandanten erstreckt sich die Auskunftspflicht des Schuldners nach § 807 ZPO regelmäßig nicht (vgl. BGHZ 141, 173,178).
Für einen davon abweichenden Ausnahmefall, der möglicherweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, ist nichts vorgetragen oder ersichtlich. Der Schuldner, der nicht mehr die Bezeichnung Rechtsanwalt führt, hat schon nicht geltend gemacht, überhaupt offene Honorarforderungen gegen (frühere) Mandanten zu haben. Zu einer Einzelabwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen im konkreten Fall war das Beschwerdegericht deshalb nicht verpflichtet. Es hat rechtsfehlerfrei die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze angewendet.
Das Beschwerdegericht war auch nicht gehalten, den Schuldner auf die Notwendigkeit einer Ergänzung seines Vortrags hinzuweisen. Aus dem Vortrag des Schuldners ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diesem Honorarforderungen zustehen könnten, bei denen die Angaben nach § 807 ZPO im konkreten Fall zu einer außergewöhnlichen Beeinträchtigung der Grundrechte von Mandanten führten.
IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Im Hinblick auf die Sachentscheidung braucht über den Antrag des Schuldners, die Vollziehung des Haftbefehls vorläufig auszusetzen, nicht mehr entschieden zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 2962231 |
DStR 2010, 12 |
NJW 2010, 10 |
NJW 2010, 1380 |
DGVZ 2010, 129 |
FoVo 2010, 112 |
RVGreport 2010, 440 |