Verfahrensgang
LG Aurich (Urteil vom 15.07.2014) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 15. Juli 2014, soweit es ihn betrifft,
- im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der schweren räuberischen Erpressung, des schweren Bandendiebstahls, des versuchten schweren Bandendiebstahls sowie des Diebstahls schuldig ist;
- im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freispruch im Übrigen – der „gemeinschaftlichen Erpressung in einem besonders schweren Fall, des schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, und des Diebstahls in einem besonders schweren Fall” schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zu einer Änderung des Schuldspruchs (§ 354 Abs. 1 analog StPO) und hat daneben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Hinsichtlich des als Erpressung abgeurteilten Falles hat das Landgericht festgestellt, dass der Beschwerdeführer in den frühen Morgenstunden des 19. Oktober 2013 mit den Mitangeklagten A. und R. E. durch das Aufbrechen einer Tür in das Wohnhaus eines Ehepaares gelangt war, um das Gebäude gemäß einer zwischen ihnen bestehenden Bandenabrede nach Wertgegenständen zu durchsuchen. Als sie im Schlafzimmer auf die schlafenden Eheleute trafen, forderten sie die Herausgabe von Geld, wozu der Ehemann unter dem Eindruck des Auftretens der Täter mit zweien von ihnen in die Küche ging und diesen 45 EUR aushändigte, während der dritte bei der Ehefrau im Schlafzimmer zurückblieb. Aufgrund ihres Auftretens „waren sich alle drei Angeklagten bewusst, dass sie auf die gerade erwachten Eheleute W. in deren eigenem Schlafzimmer im Hinblick auf deren körperliche Integrität bedrohlich und einschüchternd wirken würden. Diesen Umstand machten sie sich absichtsgemäß zu Nutze”.
Rz. 3
Diese – rechtsfehlerfrei getroffenen – Feststellungen belegen entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht nur eine Erpressung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB, sondern eine räuberische Erpressung gemäß § 253 Abs. 1, § 255 StGB. Denn das durch die Täter konkludent angedrohte empfindliche Übel bestand nach den Feststellungen in unmittelbar drohenden körperlichen Übergriffen, somit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben. Darauf, ob die Täter die Drohung erforderlichenfalls hätten verwirklichen wollen, kommt es nicht an (vgl. S/S-Eser/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 249 Rn. 5).
Rz. 4
Des Weiteren erfüllte der Angeklagte auch das Qualifikationsmerkmal des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Dass das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Täter übereingekommen waren, über den Einzelfall hinaus auch zukünftig Wertgegenstände durch den Einsatz von Nötigungsmitteln zu erlangen, steht dem nicht entgegen. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm genügt es, dass der Raub oder – aufgrund der Verweisung des § 255 StGB – die räuberische Erpressung durch Mitglieder einer Bande begangen werden, die sich zur fortgesetzten Begehung von Diebstahl verbunden hat (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 250 Rn. 2). Einer Erweiterung der Bandenabrede auf die zukünftig wiederholte Begehung von Raub- bzw. räuberischen Erpressungstaten bedarf es nicht (wohl anders, indes nicht tragend: BGH, Beschluss vom 13. April 1999 – 1 StR 77/99, NStZ 1999, 454; NK-StGB-Kindhäuser, 4. Aufl., § 250 Rn. 16). Es genügt vielmehr, dass sich die konkrete Tat als eine solche einer Diebesbande darstellt, mithin an ihrer Begehung mindestens zwei Bandenmitglieder beteiligt sind. Dies war vorliegend der Fall.
Rz. 5
Darauf, dass der vom Landgericht angenommene besonders schwere Fall der Erpressung mit Blick auf eine Bandenbegehung von den Feststellungen nicht getragen würde, da § 253 Abs. 4 StGB anders als § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB eine auf die wiederholte Begehung gerade von Erpressungen abzielende Bandenabrede erforderlich macht, kommt es mithin nicht an.
Rz. 6
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 Abs. 1 StPO stand dem nicht entgegen, da dem Revisionsführer mit der Anklage eine schwere räuberische Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB zur Last gelegt worden war. Im Übrigen hat der Senat den Schuldspruch neu gefasst; denn weder die gemeinschaftliche Begehungsweise noch das Vorliegen besonders schwerer Fälle ist in den Urteilstenor aufzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1977 – 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287, 289).
Rz. 7
2. Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht eine mögliche Strafmilderung nach § 46b StGB nicht erwogen hat.
Rz. 8
Die Kammer hat im Rahmen der konkreten Strafzumessung zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er im Hinblick auf die Tat B. XIV. der Urteilsgründe – einem schweren Bandendiebstahl – Angaben zum Sachverhalt gemacht hat, die „insbesondere auch gegenüber dem Haftrichter weitergehend gewesen sind und zur Tataufklärung beigetragen haben”. Danach erweist sich die Nichterörterung von § 46b StGB als rechtsfehlerhaft. Denn die Ausführungen des Landgerichts legen nahe, dass die Voraussetzungen der § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 StGB, § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j StPO gegeben sind. Sollten sie erfüllt sein, dann hätte sich die Strafkammer aber hiermit auch im Rahmen der Strafrahmenwahl auseinandersetzen, insbesondere sein ihm zustehendes Ermessen gemäß den Vorgaben des § 46b Abs. 2 StGB ausüben müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2014 – 4 StR 330/14, NStZ-RR 2014, 368).
Rz. 9
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Zwar verlangt § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung des 46. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 10. Juni 2013 (BGBl. I, S. 1497) in Anlehnung an § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG, dass die aufgedeckte Tat mit der abgeurteilten im Zusammenhang stehen müsse. Ein solcher Zusammenhang setzt jedoch nicht voraus, dass die Taten Teil derselben prozessualen Tat sind. Vielmehr genügt es, dass sie Einzeldelikte eines kriminellen Gesamtgeschehens sind, mithin ein innerer oder inhaltlicher Bezug zwischen ihnen besteht (BT-Drucks. 17/9695, S. 8; BGH, Urteil vom 20. März 2014 – 3 StR 429/13, StV 2014, 619, 620 zu § 31 BtMG). Hiervon ist bei mehreren Bandentaten derselben Bandenmitglieder auszugehen (BT-Drucks. aaO), weshalb der erforderliche Zusammenhang zwischen den Fällen B. XIV. und B. XI. (Fälle 15 und 16 der Anklage) besteht. Angesichts der engen zeitlichen Tatabfolge und der Beteiligung derselben Tätergruppe kann dieser aber auch hinsichtlich des Falles B. XII. nicht verneint werden, zumal die Nichtannahme einer Bandentat durch das Landgericht lediglich der Anwendung des Zweifelsgrundsatzes geschuldet ist.
Rz. 10
3. Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück, da das Verfahren nur noch einen erwachsenen Angeklagten betrifft, nachdem die Revisionen der jugendlichen und heranwachsenden Mitangeklagten gegen das angefochtene Urteil als unbegründet verworfen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1988 – 4 StR 33/88, BGHSt 35, 267).
Unterschriften
Becker, Hubert, Mayer, Gericke, Spaniol
Fundstellen