Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 07.02.2002) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 7. Februar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die von der Pflichtverteidigerin des Angeklagten nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgenommene Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam, ohne daß es darauf ankäme, ob die Verteidigerin zur Teilrücknahme ausdrücklich ermächtigt war (§ 302 Abs. 2 StPO). Denn der Schuldspruch und der Rechtsfolgenausspruch sind hier so miteinander verknüpft, daß eine getrennte Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung nicht möglich ist, ohne daß der nicht angefochtene Schuldspruch mitberührt wird. Dies folgt im vorliegenden Fall daraus, daß das Urteil keine rechtsfehlerfreie Begründung für die Annahme einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten enthält und es sich auf der Grundlage des angefochtenen Urteils nicht völlig ausschließen läßt, daß der Angeklagte zu den Tatzeiten schuldunfähig war (vgl. BGHSt 46, 257, 259).
Entscheidungsgründe
II.
Das Landgericht hat zum Zustand des Angeklagten, der Haschisch und Marihuana teils zum Eigenkonsum, teils zum gewinnbringenden Weiterverkauf erworben hat, unter anderem festgestellt:
„Bei dem Angeklagten lagen im Tatzeitraum sowohl eine polyvalente Abhängigkeitserkrankung sowie eine schizophrene Psychose als auch eine schizophrene Residualsymptomatik vor. Während die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten durch die psychotische Symptomatik und die Stoff gebundene Abhängigkeitserkrankung eingeschränkt, aber nicht erheblich eingeschränkt gewesen ist, war jedoch seine Geistestätigkeit aufgrund der schizophrenen Residualsymptomatik erheblich beeinträchtigt, so daß hier auch eine deutlich erhebliche Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit vorgelegen hat.”
Das Landgericht geht davon aus, daß „der Angeklagte im Tatzeitraum gemäß § 21 (StGB) erheblich in der Fähigkeit, das Unrecht seiner Taten einzusehen, vermindert” war.
Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB stellt der Tatrichter auch darauf ab, daß „von dem Angeklagten … zukünftig suchtgetriggert neuerlich erhebliche rechtswidrige Straftaten zu erwarten sind, die sich im Rahmen der Grunddiagnose auch künftig wieder erheblich seiner Einsichtsfähigkeit entziehen werden.”
III.
Das angefochtene Urteil hat keinen Bestand.
Das Landgericht ist offenbar der Meinung, daß mit der Feststellung, die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten sei erheblich vermindert gewesen, die Voraussetzungen des § 21 StGB erfüllt und die Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB gegeben seien. Dies trifft nicht zu. Bei der Feststellung einer nur erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit bleibt offen, ob diese im Einzelfall die Einsicht tatsächlich ausgeschlossen hat oder nicht. Beides ist bei der bloßen Verminderung der Fähigkeit möglich. § 21 StGB will aber nur den Fall treffen, daß die Minderung der Fähigkeit das Fehlen der Einsicht auch bewirkt hat; denn die Schuld des Täters wird nicht gemindert, wenn er trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit das Unrecht tatsächlich eingesehen hatte (vgl. nur BGHSt 21, 27, 28). Der Täter, der trotz generell gegebener verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht gehabt hat, ist voll schuldfähig (vgl. u.a. BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 1-6 jeweils m.w.N.). Die Vorschrift des § 21 StGB kann in Fällen verminderter Einsichtsfähigkeit nur dann angewendet werden, wenn die Einsicht gefehlt hat, dies aber dem Täter vorzuwerfen ist. Kann ihm die infolge verminderter Einsichtsfähigkeit fehlende Unrechtseinsicht dagegen nicht zum Vorwurf gemacht werden, so greift § 20 StGB ein mit der Folge, daß eine Bestrafung ausscheidet (vgl. BGH a.a.O.).
Dem angefochtenen Urteil läßt sich nicht – auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe – eindeutig entnehmen, daß der Angeklagte bei Begehung der Taten das Unrecht tatsächlich eingesehen hatte, aber auch nicht, daß er keine Einsichtsfähigkeit hatte und ob ihm das vorzuwerfen ist.
Der Senat kann auf dieser Grundlage nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, daß die Voraussetzungen des § 20 StGB beim Angeklagten zu den Tatzeiten vorlagen, wenn dies auch nicht naheliegt.
Dies führt zur Aufhebung des gesamten Urteils.
IV.
Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung auf folgendes hin:
Der Schuldspruch wegen (nur) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begegnet Bedenken, wenn das Rauschgift – wie hier – teilweise zum Eigenkonsum erworben wurde. Liegen beide Mengen über der nicht geringen Menge stehen Besitz und Handeltreiben (jeweils in nicht geringer Menge) in Tateinheit (vgl. hierzu Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. Rdn. 26 zu § 29 a). Dem Angeklagten darf dann nicht Handeltreiben mit der gesamten Menge angelastet werden.
Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob für die Fälle II 2 und 3 der Urteilsgründe von einer Tat auszugehen ist, da im Falle II 3 vom Angeklagten in erster Linie die im Falle II 2 bestellten, dort aber nicht gelieferten 50 g Haschisch erworben wurden.
Der neue Tatrichter wird mit rechtsfehlerfreien Feststellungen zum Zustand des Angeklagten bei Begehung der Taten die Grundlage zur Prüfung der Voraussetzungen nicht nur der §§ 20, 21 StGB, sondern auch des § 63 StGB zu treffen haben. Sollte wiederum eine erhebliche Verminderung der Einsichtsfähigkeit festgestellt werden, ist die Sicherung der Allgemeinheit durch Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht veranlaßt, wenn diese Verminderung nicht das Fehlen der Einsicht ausgelöst und dadurch zu Straftaten geführt hat (vgl. u.a. BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 3; BGHR StGB § 63 Zustand 29; BGHSt 34, 22, 26/27; BGHSt 21, 27 ff.).
Sollte die neue Hauptverhandlung zur Bejahung der Voraussetzungen sowohl des § 63 als auch des § 64 StGB führen, wird schon wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 72 StGB) näher darzulegen sein, warum der Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB nicht der Vorzug gegeben werden kann.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Rothfuß, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 2559543 |
NStZ-RR 2002, 328 |