Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 13.12.2023; Aktenzeichen 6 KLs 48/23) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 13. Dezember 2023
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis und des Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Urkundenfälschung, vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, verbotenem Kraftfahrzeugrennen und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.2. der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, dies in Tateinheit mit Urkundenfälschung, mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, mit verbotenem Kraftfahrzeugrennen und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bestimmt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Schuldspruch bedarf hinsichtlich beider abgeurteilter Taten der Änderung.
Rz. 3
a) Bei den Betäubungsmitteln, die der Angeklagte - jeweils zum Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung - im Fall II.1. der Urteilsgründe in seinem Pkw mitführte und im Fall II.2. zusammen mit zwei Schlagringen und einem Schreckschussrevolver in seiner Wohnung verwahrte, handelte es sich um Marihuana und Haschisch, mithin um Cannabis. Das vom Landgericht als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertete Verhalten (Fall II.1. der Urteilsgründe) unterfällt damit dem seit dem 1. April 2024 geltenden Tatbestand des Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG). Entsprechendes gilt im Fall II.2. der Urteilsgründe. Das vom Landgericht als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG abgeurteilte Lagern von 623 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10,4 % THC sowie von 55,2 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 1,16 % THC erfüllt die Voraussetzungen eines bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 4 Nr. 4 KCanG. Insbesondere ist die Grenze der nicht geringen Menge im Sinne des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG, die bei 7,5 Gramm THC liegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24 Rn. 8; vom 30. April 2024 - 6 StR 536/23 Rn. 21 mwN), überschritten.
Rz. 4
b) Beide Vorschriften des § 34 KCanG hat der Senat im vorliegenden Fall als im Verhältnis zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 30a BtMG jeweils milderes Gesetz gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO anzuwenden. Dies folgt im Fall II.1. der Urteilsgründe aus dem im Vergleich zu § 29a Abs. 1 BtMG milderen Strafrahmen des § 34 Abs. 1 Nr. 4 auch in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 KCanG. Im Fall II.2. der Urteilsgründe erweist sich der Straftatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis auch bei der gebotenen konkreten Vergleichsbetrachtung (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24 Rn. 5 ff. mwN) ungeachtet des Umstandes, dass das Landgericht hier einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat, als das gegenüber dem vom Landgericht angewendeten Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln mildere Gesetz. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des KCanG den im Vergleich zu § 30a Abs. 3 BtMG schärferen Normalstrafrahmen des § 34 Abs. 4 Alt. 1 KCanG angewendet hätte; vielmehr ist sicher anzunehmen, dass die Strafkammer auch insoweit einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe aus dem hierfür vorgesehenen - seinerseits gegenüber § 30a Abs. 3 BtMG milderen - Strafrahmen des § 34 Abs. 4 Alt. 2 KCanG zugemessen hätte (vgl. zur ggf. maßgeblichen hypothetischen Strafzumessung des Tatgerichts des ersten Rechtsgangs BGH, Beschlüsse vom 30. April 2024 - 6 StR 536/23 Rn. 17; vom 9. Mai 2017 - 4 StR 366/16 Rn. 10; vom 21. August 1997 - 4 StR 342/97, NStZ-RR 1997, 353, 354; im Ausgangspunkt ebenso Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24 Rn. 10). Zwar hätte dann - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt - nicht wie geschehen strafmildernd berücksichtigt werden können, dass es sich bei Cannabis um eine „weiche Droge“ handelt, weil die Strafnorm ausschließlich Cannabis betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2024 - 3 StR 154/24 Rn. 10). Weitere vom Landgericht angenommene Strafmilderungsgründe wären aber auch bei einer Strafzumessung auf der Grundlage von § 34 Abs. 4 KCanG gültig, so insbesondere das Teilgeständnis, der - vom Landgericht unter dem Gesichtspunkt des Verzichts des Angeklagten auf eine Rückgabe angesprochene - Umstand, dass das tatgegenständliche Cannabis sichergestellt wurde und daher nicht weiter in den Verkehr gelangen konnte, sowie der eigene Konsum des Angeklagten und die hierdurch gesunkene Hemmschwelle. Dass das Landgericht trotz dieser Umstände im Fall II.2. der Urteilsgründe einen minder schweren Fall verneint und den Normalstrafrahmen des § 34 Abs. 4 Alt. 1 KCanG angewendet hätte, schließt der Senat vor allem deshalb aus, weil es bei seiner Strafrahmenwahl eine Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG auf die Untergrenze des Strafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG verneint hat. Insoweit hat es angenommen, dass auch hinsichtlich des mitverwirklichten und konkurrenzrechtlich zurücktretenden Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein minder schwerer Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG gegeben sei. Damit hat das Landgericht die Straftat bereits mit einer Strafrahmenuntergrenze von einem Jahr für zu hoch bewertet gehalten, was der Annahme, dass es sie mit dem bei zwei Jahren Freiheitsstrafe beginnenden Normalstrafrahmen des § 34 Abs. 4 Alt. 1 KCanG angemessen erfasst gesehen hätte, entgegensteht.
Rz. 5
c) Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, denn der - hinsichtlich der Betäubungsmittelstraftaten geständige - Angeklagte hätte sich nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
Rz. 6
2. Der Strafausspruch hat nur teilweise Bestand. Während die Zumessung der Einzelstrafe im Fall II.1. der Urteilsgründe aus dem Strafrahmen des § 315b Abs. 3 StGB, wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts näher ausgeführt, frei von Rechtsfehlern ist, unterliegt die Einzelstrafe im Fall II.2. der Urteilsgründe der Aufhebung, was zugleich dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage entzieht. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer aufgrund des milderen Strafrahmens des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG) auf eine niedrigere Einzelstrafe und damit auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
Rz. 7
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem Aufhebungsgrund nicht betroffen; sie können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und gegebenenfalls um weitere, ihnen nicht widersprechende Feststellungen ergänzt werden.
Rz. 8
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Quentin |
|
Maatsch |
|
Scheuß |
|
Dietsch |
|
Marks |
|
Fundstellen
Dokument-Index HI16466687 |