Leitsatz (amtlich)

Zur Auswirkung des einem abgelehnten Konkurrenten um eine Anwaltsnotarstelle im Wege der einstweiligen Anordnung gewährten einstweiligen Rechtsschutzes auf die dem (zunächst) erfolgreichen Bewerber erteilte Zusage, ihm nach endgültigem Abschluss des Besetzungsverfahrens die ausgeschriebene Notarstelle zu übertragen.

 

Normenkette

BNotO § 111

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Beschluss vom 28.05.2003; Aktenzeichen 25 WF 40/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen bei dem KG in Berlin v. 28.5.2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf

50.000,00 Euro

festgesetzt.

 

Gründe

I. Der 1962 geborene Antragsteller wurde im September 1992 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt zunächst in D. und sodann - unter Widerruf dieser Zulassung - im August 1995 bei dem LG B. sowie kurz darauf auch bei dem KG als Rechtsanwalt zugelassen. Im April 2000 bewarb er sich um eine der im Amtsblatt für B. v. 31.3.2000 ausgeschriebenen 60 Notarstellen. Durch Bescheid v. 25.10.2001 teilte die Präsidentin des KG als gem. Nr. II. 3. der Allgemeinen Verfügung über Angelegenheiten der Notare (AVNot) v. 22.4.1996 (ABl., 1741) i. d. F. der Änderungsverordnung v. 14.8.1997 (ABl., 3399) von der Antragsgegnerin bestimmte zuständige Behörde der Landesjustizverwaltung dem Antragsteller mit, dass seine fachliche Eignung im Auswahlverfahren mit 100,35 Punkten bewertet worden sei und er damit auf der Bewerbungsliste Rang 60 erreicht habe; es sei - vorbehaltlich einer Änderung der Besetzungsliste in den von Mitbewerbern angestrengten Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - beabsichtigt, ihm nach dem endgültigen Abschluss des Besetzungsverfahrens eine der zu besetzenden Notarstellen zu übertragen. Durch Verfügung v. 13.12.2001 wurde dem Antragsteller ferner mitgeteilt, dass seine Rangstelle von den Anträgen abgelehnter Notarbewerber auf einstweiligen Rechtsschutz betroffen sei und die Landesjustizverwaltung deshalb bis auf weiteres gehindert sei, ihn zum Notar zu bestellen; erst nach Abschluss der schwebenden Verfahren werde man dem Besetzungsverfahren Fortgang geben.

Mit seinem am 22.8.2002 gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung begehrt der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn (sofort) zum Notar zu bestellen. Die Konkurrentenklagen und die damit verbundenen Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes von Mitbewerbern des Antragstellers sind (bislang) mit Ausnahme des von dem Konkurrenten Dr. N. betriebenen Verfahrens erfolglos geblieben. In jenem Verfahren auf gerichtliche Entscheidung hat das KG durch Beschl. v. 11.12.2002 (KG v. 11.12.2002 - Not 17/01, Not 18/01) die zuständige Behörde der Antragsgegnerin auf den Hilfsantrag des Konkurrenten Dr. N. verpflichtet, dessen Antrag auf Bestellung zum Notar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, und der Behörde zugleich im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, eine der ausgeschriebenen Notarstellen bis zur Neubescheidung des Antrags freizuhalten. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Präsidentin des KG hat der Senat zwischenzeitlich durch Beschl. v. 14.7.2003 (KG v. 14.7.2003 - NotZ 2/03, MDR 2003, 1322 = BGHReport 2003, 1183 = NJW 2003, 2750) zurückgewiesen und dabei u. a. auch ausdrücklich ausgeführt, dass die vom KG getroffene - nicht selbständig anfechtbare - einstweilige Anordnung ihre Gültigkeit behalte (Beschl.Umdr. S. 13 unter Nr. III).

Das KG hat den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Verfahren - u. a. wegen des noch nicht endgültig abgeschlossenen Konkurrentenschutzverfahrens Dr. N. - als zur Zeit unbegründet zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II. Die gem. § 111 BNotO i. V. m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das KG hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Recht zurückgewiesen. Die gemäß Nr. II. 3. AVNot zuständige Behörde der Antragsgegnerin ist jedenfalls derzeit nicht verpflichtet, den Antragsteller (sofort) zum Notar zu bestellen.

1. Eine Verpflichtung der Landesjustizverwaltung zur sofortigen Bestellung des Antragstellers zum Notar lässt sich - entgegen der von diesem vertretenen Rechtsauffassung - nicht aus der Ankündigung der Präsidentin des KG v. 25.10.2001 entnehmen, es sei beabsichtigt, dem Antragsteller als Bewerber mit dem 60. Punktrang nach endgültigem Abschluss des Besetzungsverfahrens eine der zu besetzenden Notarstellen zu übertragen. Auch wenn es sich dabei nicht lediglich um eine unverbindliche Information, sondern um eine Zusicherung mit der Qualität eines Verwaltungsaktes handelte (BGH, Beschl. v. 16.7.2001 - NotZ 8/01, MDR 2001, 1193 = BGHReport 2001, 947 = NJW-RR 2001, 1564 [1565] m. w. N.), so stand die Ankündigung doch ersichtlich unter dem zulässigen Vorbehalt, dass die Übertragung der 60. und damit letzten Notarstelle auf den Antragsteller nur dann in Betracht kommt, wenn sich nicht die Besetzungsliste auf Grund des Ergebnisses der von Mitbewerbern angestrengten gerichtlichen Verfahren ändert. Insbesondere wurde auch sinngemäß darauf hingewiesen, dass im Falle der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes durch abgelehnte Konkurrenten sich die in Aussicht genommene Bestellung des Antragstellers zum Notar verzögern werde, weil dann die Landesjustizverwaltung an der sofortigen Übertragung der Notarstelle gehindert sei. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats - auf die die Landesjustizverwaltung im Schreiben v. 25.10.2001 zutreffend Bezug genommen hat - ist es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich, dem Konkurrenten um eine Anwaltsnotarstelle im Ausschreibungsverfahren den gleichen Rechtsschutz zu eröffnen wie in dem vergleichbaren beamtenrechtlichen Verfahren. Ihm muss die Möglichkeit eingeräumt werden, die endgültige Besetzung der ausgeschriebenen Stelle durch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu verhindern, weil dem Bewerber mit der Besetzung der Stelle die Klagemöglichkeit abgeschnitten wird (BGH, Beschl. v. 19.10.1992 - NotZ 49/92, BGHR BNotO § 111 Konkurrentenklage 1; v. 6.4.1995 - III ZR 183/94, BGHZ 129, 226 = MDR 1996, 368; Beschl. v. 18.3.2002 - NotZ 32/01). Einstweiligen Rechtsschutz dieses Inhalts hat der Mitbewerber Dr. N. auf Grund der vom KG in dem Verfahren Not 17/01 bzw. 18/01 (KG v. 11.12.2002 - Not 17/01, Not 18/01) erlassenen einstweiligen Anordnung mit Erfolg in Anspruch genommen. Diese einstweilige Anordnung hat auch nach Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Landesjustizverwaltung im Hauptsacheverfahren der Konkurrentenklage durch den Senatsbeschluss v. 14.7.2003 (BGH v. 14.7.2003 - NotZ 2/03, MDR 2003, 1322 = BGHReport 2003, 1183) jedenfalls derzeit (noch) Bestand. Diese einstweilige Anordnung ist von der Landesjustizverwaltung Berlin zu befolgen.

2. Dem Verpflichtungsbegehren des Antragstellers auf eine sofortige Bestellung zum Notar kann auch - entgegen der von diesem vertretenen Auffassung - nicht durch zusätzliche Bestellung des etwa erfolgreichen Konkurrenten entsprochen werden. Nach der Neuregelung der Notarzulassung durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte v. 29.1.1991 (BGBl. I 1991, 150) ist es im Unterschied zum alten Recht nach In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes am 1.8.1991 nicht (mehr) möglich, einen zu Unrecht abgelehnten Bewerber für ein Rechtsanwaltsnotariat nach der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle zusätzlich zu bestellen (BGH, Beschl. v. 19.10.1992 - NotZ 42/92, MDR 1993, 84 = NJW 1993, 2040 u. st. Rspr.). Vielmehr muss die Justizverwaltung, nachdem sie die Notwendigkeit einer zusätzlichen Notarstelle auf Grund der in § 4 BNotO vorgeschriebenen Kriterien festgestellt hat, diese zusätzliche Stelle nach den §§ 6, 6b BNotO förmlich ausschreiben. Nach § 4 BNotO hat die Justizverwaltung ihre Entscheidung, ob eine Notarstelle besetzt werden soll, vorrangig an dem Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und an der Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs zu orientieren. Im Unterschied zum alten Recht sind die Bewerber für jede auf Grund der genannten Kriterien eröffnete Notarstelle durch ein Ausschreibungsverfahren zu ermitteln. Diese Neuregelung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Anwaltsnotars hat zur Folge, dass die Bewerbung eines Bewerbers auf eine ausgeschriebene Stelle sich nur und ausschließlich auf diese Stelle bezieht. Die Reihenfolge der geeigneten Bewerber muss die Verwaltung nach den Kriterien des § 6 Abs. 3 BNotO unter den Bewerbern des jeweiligen Ausschreibungsverfahrens bestimmen. Wird die ausgeschriebene Stelle besetzt, ist die durch die Ausschreibung eingeleitete Stellenbesetzung wie im Beamtenrecht beendet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht der Verpflichtung der Justizverwaltung, ihr dadurch eröffnetes Ermessen fehlerfrei auszuüben, kein subjektives Recht von potenziellen Bewerbern um eine Notarstelle gegenüber. Die Ermessensbindung der Verwaltung dient nicht dazu, die Berufsaussichten der Interessenten am Notaramt rechtlich abzusichern; sie dient ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit am Funktionieren der vorsorgenden Rechtspflege (BGH, Beschl. v. 18.9.1995 - NotZ 46/94, MDR 1996, 206 = NJW 1996, 123 u. st. Rspr.).

3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) zu Gunsten des - nach seiner Behauptung - zu Unrecht abgelehnten Mitbewerbers lässt die damit unvermeidbar verbundene Verzögerung des Abschlusses des Bewerbungsverfahrens durch Hinausschieben der Bestellung der davon betroffenen letztlich erfolgreichen Bewerber als zumutbar erscheinen.

4. Allein die unterbliebene Beteiligung an dem bisherigen gerichtlichen Verfahren des Konkurrenten Dr. N. vermag einen Rechtsanspruch des Antragstellers auf seine sofortige Bestellung zum Notar nicht zu begründen.

 

Fundstellen

BGHR 2004, 276

NJW-RR 2004, 1065

ZNotP 2004, 70

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