Entscheidungsstichwort (Thema)
versuchte schwere räuberische Erpressung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 7. Oktober 1998 mit den Feststellungen – mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen – aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme der aufgrund des Geständnisses des Angeklagten und der Bekundungen des Tatopfers rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen:
1. Nach den Feststellungen rauchte der Angeklagte regelmäßig Haschisch. Durch den Überfall auf ein Tabakgeschäft, der an dem massiven Widerstand der vom Angeklagten mit der Klinge einer Schere bedrohten Filialleiterin scheiterte, wollte sich der Angeklagte Geld zum Erwerb von Heroin beschaffen, das ihm zuvor angeboten worden war. Vor der Tat hatte der Angeklagte Wodka getrunken und sechs Tabletten des Medikaments Normoc eingenommen, das ihm wegen eines Anfallsleidens ärztlich verordnet worden war. Die Konzentration des in diesem Medikament enthaltenen Wirkstoffes Bromazepam im Blut des Angeklagten betrug etwa eine Stunde nach der Tat 510 ng/ml und lag damit deutlich über der therapeutisch üblichen Wirkstoffkonzentration (80 bis 200 ng/ml). Zur Schuldfähigkeit hat das Landgericht ausgeführt:
„Zur Tatzeit war die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten hinsichtlich seiner Steuerungsfähigkeit und – nicht ausschließbar – auch hinsichtlich seines Einsichtsvermögens erheblich vermindert. Er leidet unter Polytoxikomanie. Das Zusammenwirken der hohen alkoholischen Beeinflussung von 1,84 [permil] zur Tatzeit und der mißbräuchliche Konsum von Normoc-Tabletten, die mit Alkohol eine gegenseitige Wirkungssteigerung bewirken, sowie der regelmäßige Konsum von Cannabinoiden haben die erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten bewirkt”.
Diese Ausführungen des Landgerichts reichen auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht aus, um dem Senat die Nachprüfung zu ermöglichen, ob es zu Recht lediglich eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit bejaht und Schuldunfähigkeit zutreffend ausgeschlossen hat. Beide Alternativen des § 21 StGB können nicht gleichzeitig gegeben sein (BGHSt 40, 341, 349; BGH NStZ 1995, 226 jew.m.w.N.). Soweit nach Auffassung des Landgerichts eine erhebliche Verminderung der Einsichtsfähigkeit nicht auszuschließen ist, hätte es vielmehr klären müssen, ob der Angeklagte gleichwohl das Unrecht seines Tuns noch erkannt hat oder nicht. Fehlt dem Täter die Einsicht wegen seiner krankhaften seelischen Störung oder aus einem anderen in § 20 StGB benannten Grund, ohne daß ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann, so ist – auch bei an sich nur verminderter Einsichtsfähigkeit – nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anzuwenden. Die Vorschrift des § 21 StGB, die insoweit nur einen Fall des Verbotsirrtums regelt, kann in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann angewendet werden, wenn die Einsicht gefehlt hat, dies aber dem Täter vorzuwerfen ist (st. Rspr., vgl. BGHSt 21, 27, 28; 40, 341, 349; BGH NStZ 1995, 226; BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 2 bis 6). Nur wenn feststeht, daß der Täter – trotz generell verminderter Einsichtsfähigkeit – die Einsicht im konkreten Fall hatte, stellt sich demgemäß die Frage einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit.
Da nach den bisherigen Feststellungen nicht von vornherein auszuschließen ist, daß der Angeklagte bei Begehung der Tat schuldunfähig war, mag dies nach den Umständen auch nicht naheliegen, bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.
2. Generalbundesanwalt und Beschwerdeführer beanstanden im übrigen zu Recht die Strafzumessung. Die strafschärfende Erwägung, daß der Angeklagte sich bei der Tatausführung eines gefährlichen Werkzeugs bedient habe, das objektiv geeignet war, schwerste Verletzungen herbeizuführen, verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB, da die Verwirklichung des Tatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. die Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges voraussetzt. Das Landgericht hat zudem rechtsfehlerhaft „die besonderen Milderungsgründe der §§ 21 und 23 StGB wegen des Verbots der Doppelverwertung” bei der Strafzumessung im engeren Sinne außer Betracht gelassen. Das Verbot der Doppelverwertung gemäß § 50 StGB gilt jedoch nur für die Strafrahmenbestimmung. Für die konkrete Strafzumessung ist hingegen eine Gesamtbetrachtung aller Umstände geboten, und zwar auch derjenigen, die eine Strafrahmenmilderung bewirkt haben. Sie sind mit ihrem verbleibenden Gewicht in die Gesamtwürdigung einzustellen (vgl. BGHR StGB § 50 Strafhöhenbemessung 1 bis 5).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute]
Fundstellen