Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 10.07.2007) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 10. Juli 2007 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen” räuberischen Diebstahls, schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen und „gemeinschaftlichen” Betruges in Tateinheit mit „gemeinschaftlicher” Urkundenfälschung und „gemeinschaftlichen” Missbrauchs von Ausweispapieren (nach den Urteilsgründen gemeint: In Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren) zur Einheitsjugendstrafe von einem Jahr verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der allgemeinen Sachbeschwerde.
Rz. 2
Zum Schuldspruch ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Rechtsfolgenausspruch hält indessen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen, die sich nach den getroffenen Urteilsfeststellungen aufdrängte. Dies führt hier auch zur Aufhebung des Strafausspruches.
Rz. 3
Der Angeklagte war in einem anderen Strafverfahren, das am 7. Dezember 2005 mit seiner Verurteilung zu einem Jahr und neun Monaten Jugendstrafe wegen räuberischer Erpressung, Raubes und gefährlicher Körperverletzung jeweils in zwei Fällen und anderer Straftaten endete, im November 2005 vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft unter der Auflage verschont worden, eine stationäre Drogenlangzeittherapie zu beginnen. Bereits vier Tage nach Therapiebeginn wurde der Angeklagte entlassen, weil er Alkohol konsumiert hatte. Ferner hat der Angeklagte die hier abgeurteilten Taten aufgrund seiner – nicht näher beschriebenen – Betäubungsmittelabhängigkeit begangen und den auf ihn entfallenden Beuteanteil – wenn auch nicht ausschließlich – für den Erwerb von Betäubungsmitteln ausgegeben.
Rz. 4
Diese Sachlage legt nahe, dass die gegenständlichen Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Daher hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Daran hat sich durch die Neufassung des § 64 StGB, die zum Zeitpunkt des Urteilserlasses zwar noch nicht galt, aber nach § 2 Abs. 6 StGB, § 354 a StPO in jeder Lage des Verfahrens anzuwenden ist (vgl. BGH NStZ 2008, 28), nichts geändert (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 72). Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Maßregelanordnung jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB nF) fehlt. Solches folgt nicht schon allein daraus, dass die frühere Drogenlangzeittherapie bereits kurz nach ihrem Beginn mit der Entlassung des Angeklagten wegen eines Disziplinarverstoßes abgebrochen wurde.
Rz. 5
Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt hier den Strafausspruch nicht unberührt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, Jugendstrafe zu verhängen.
Rz. 6
Der neue Tatrichter wird daher über den gesamten Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden haben. Zur Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf es der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO).
Unterschriften
Becker, Pfister, von Lienen, Hubert, Schäfer
Fundstellen