Verfahrensgang
LG Leipzig (Entscheidung vom 23.07.2020; Aktenzeichen 436 Js 53120/19 2 KLs jug) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten ist zulässig.
Der Antrag des Angeklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Revisionseinlegung zu gewähren, wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen diverser sexueller Missbrauchstaten zu Lasten von Kindern zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten sowie von sechs Jahren verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen.
Rz. 2
Der Beschwerdeführer hat mit dem an das Amtsgericht Leipzig gerichteten Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. Juli 2020 „Revision gegen das am 23.07.2020 ergangene Urteil des Amtsgerichts Leipzigs” unter dem Aktenzeichen „ER 10 Gs 4240/19” – wobei es sich um ein Aktenzeichen aus dem vorangegangenen Ermittlungsverfahren handelt – eingelegt. Die Rechtsmittelschrift ist per Fax um 13:38 Uhr und im Original durch Einwurf in den Nachtbriefkasten am 29. Juli 2020 beim Amtsgericht Leipzig eingegangen. Spätestens am 6. August 2020 hat sie dem Vorsitzenden der Strafkammer vorgelegen; ein Eingangsstempel war nicht aufgebracht. Ob sie rechtzeitig, nämlich bis zum 30. Juli 2020 beim Landgericht eingegangen ist, hat sich nicht aufklären lassen.
Rz. 3
Mit dem am 25. August 2020 beim Landgericht Leipzig eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers hat der Beschwerdeführer (erneut) Revision gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 23. Juli 2020 eingelegt und beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er davon ausgehe, der Schriftsatz vom 29. Juli 2020 habe nicht rechtzeitig dem Landgericht vorgelegen.
Rz. 4
2. Die Revision ist entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Rz. 5
a) Es liegt eine wirksame Revisionserklärung nach § 341 Abs. 1 StPO vor. Denn der Schriftsatz vom 29. Juli 2020 enthielt die Person des Beschwerdeführers und ließ eindeutig seinen Willen erkennen, gegen ein im Strafverfahren gegen ihn ergangenes Urteil vom 23. Juli 2020 „Revision” einzulegen. Dem steht die fehlerhafte Bezeichnung des zuständigen Gerichts (Amtsstatt Landgericht Leipzig) und eines unzutreffenden, jedoch dem (Ermittlungs-)Verfahren zuzuordnenden Aktenzeichens nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 1999 – 3 StR 200/99; vom 2. Oktober 2008 – 3 StR 415/08; vom 4. November 2010 – 1 StR 326/10). Anhand der mitgeteilten Kennzeichen des Strafverfahrens ließ sich die Rechtsmitteleinlegung dem angefochtenen Urteil zuordnen, was der Eingang bei der zuständigen Strafkammer des Landgerichts belegt.
Rz. 6
b) Die Revision ist auch als fristgerecht zu behandeln. Der Schriftsatz vom 29. Juli 2020 ist zwar beim Landgericht eingegangen, jedoch nicht mit einem Eingangsstempel versehen worden. Aus nicht vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Gründen lässt sich deswegen der Tag des Eingangs und mithin die Rechtzeitigkeit der Revision nicht mehr aufklären.
Rz. 7
Bestehen aber nicht behebbare tatsächliche Zweifel an der Einhaltung oder Versäumung der Einlegungsfrist, wirken sich diese zugunsten des Beschwerdeführers aus (BGH, Beschlüsse vom 29. November 2018 – 3 StR 388/18; vom 11. Oktober 2017 – 5 StR 377/17; vom 2. Mai 1995 – 1 StR 123/95; vgl. auch BVerfG NJW 1997, 1770, 1771). So verhält es sich hier.
Rz. 8
Eine fristwahrende Weiterleitung der Revisionsschrift vom Amts- an das Landgericht, mithin zwischen Justizbehörden eines Gerichtszweigs innerhalb einer Stadt, ist – anders als der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vertreten hat – nicht ausgeschlossen. Die Angaben in der Rechtsmittelschrift ließen unter gewöhnlichen Umständen ohne aufwendige Nachforschungen die zeitnahe Zuordnung des Schreibens zum richtigen (Straf-)Verfahren erwarten, da zudem ein Aktenzeichen aus dem vorangegangenen Ermittlungsverfahren angegeben war. Auf Mutmaßungen des Beschwerdeführers zum (verspäteten) Eingang seiner Revisionsschrift im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags kommt es insoweit nicht an, weil auch er über keine weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten verfügte.
Rz. 9
3. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig und war zu verwerfen, weil die Revision als rechtzeitig eingelegt zu behandeln ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2017 – 5 StR 377/17; vom 21. Dezember 2011 – 4 StR 553/11 mwN).
Rz. 10
4. Angesichts des Antrags des Generalbundesanwalts, die Revision als unzulässig zu verwerfen, war die Zulässigkeit der Revision durch den Senat festzustellen, um dem Verfahren sachgerecht Fortgang geben zu können.
Unterschriften
Cirener, Berger, Gericke, Köhler, Resch
Fundstellen
Haufe-Index 14471337 |
StV 2021, 802 |