Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 12.12.2014) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten D. gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 2014 wird das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagte D. im Fall II.4 der Urteilsgründe wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Übrigen, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte D. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in sieben Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagte V. hat es unter Freispruch im Übrigen wegen Einschleusens von Ausländern in fünf Fällen eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richten sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten; die Angeklagte D. beanstandet zudem das Verfahren. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
Rz. 2
I. Revision der Angeklagten D.
Rz. 3
1. Dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend stellt der Senat das Verfahren ein, soweit die Angeklagte D. im Fall II.4 der Urteilsgründe wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern verurteilt worden ist.
Rz. 4
2. Im verbleibenden Umfang hat das Rechtsmittel der Angeklagten D. mit der Beanstandung Erfolg, das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, § 338 Nr. 1 StPO. Auf die weitere Verfahrens- und die Sachrüge kommt es daher nicht an.
Rz. 5
a) Der Besetzungsrüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Rz. 6
Am 9. Juli 2013 ging die Anklage, die sich zu diesem Zeitpunkt gegen die Angeklagten und elf weitere Mitangeklagte richtete, beim Landgericht ein. Nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2013 war für die Verhandlung und Entscheidung der Sache die 14. große Strafkammer zuständig. Deren Vorsitzender zeigte mit Schreiben vom 10. Juli 2013 die Überlastung der Strafkammer an. Diese verhandele seit dem 26. Oktober 2012 in einem Verfahren, welches sich – nach Abtrennung bzgl. drei Angeklagter – noch gegen acht Angeklagte richte und in dem bis zum 4. Oktober 2013 neunzehn Fortsetzungstermine anberaumt seien. Ob das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen werden könne, sei unklar. Im Anschluss an dieses Verfahren stehe eines der abgetrennten Verfahren zur Hauptverhandlung an, wobei gegen den dortigen Angeklagten ein – außer Vollzug gesetzter – Haftbefehl bestehe und deshalb beschleunigt verhandelt werden müsse. Daneben seien zwei weitere Haftsachen anhängig, in denen aktuell Untersuchungshaft vollzogen werde und für die zwei bzw. fünf Hauptverhandlungstage zu veranschlagen seien; ferner seien für eine bereits anhängige Haftsache, in welcher der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt sei, mindestens sieben Hauptverhandlungstage anzusetzen. Angesichts dieser Terminslage sehe sich die Strafkammer außerstande, in der gegenständlichen Sache zeitnah die Hauptverhandlung anzuberaumen. Daraufhin richtete das Präsidium mit Beschluss vom 31. Juli 2013 die 14a. große Hilfsstrafkammer ein und wies dieser die in die Zuständigkeit der 14. großen Strafkammer fallenden, in der Zeit vom 9. bis zum 26. Juli 2013 eingegangenen und noch nicht terminierten Haftsachen zu. Bei dem hiesigen Verfahren handelte es sich um das einzige bei der 14. großen Strafkammer anhängige Verfahren, auf das diese Kriterien zutrafen. Zur Begründung nahm das Präsidium auf die Überlastungsanzeige vom 10. Juli 2013 Bezug und führte aus, dass es die Überlastung der 14. großen Strafkammer anerkenne.
Rz. 7
Die 14a. große Strafkammer beraumte nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Hauptverhandlung ab dem 29. Oktober 2013 an. Vor den Vernehmungen der Angeklagten zur Sache rügte die Beschwerdeführerin die Besetzung des Gerichts und machte geltend, dass der Präsidiumsbeschluss vom 31. Juli 2013 nicht den aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Dokumentations- und Darlegungsanforderungen genüge sowie dass es sich nicht um eine generell-abstrakte Regelung handele. Mit Beschluss vom 31. Oktober 2013 ergänzte das Präsidium seine Entscheidung vom 31. Juli 2013. Dabei setzte es sich mit dem Umfang der damals bei der 14. großen Strafkammer anhängigen Verfahren auseinander und führte näher aus, dass zu diesem Zeitpunkt nach Mitteilung des Vorsitzenden der Strafkammer keine Kapazitäten bestanden hätten, um die Akten des hiesigen Verfahrens überhaupt nur zu sichten. Zudem erläuterte das Präsidium die Gründe, die zur Umverteilung gerade des gegenständlichen Verfahrens geführt hatten und setzte sich mit den hierzu denkbaren Alternativen auseinander. Die Freistellung der 14. großen Strafkammer auch von künftigen Eingängen sei zur Erhaltung der Effizienz des Geschäftsablaufs nicht erforderlich, da diese nach Auskunft ihres Vorsitzenden in der Lage sei, weitere eingehende Verfahren, deren Umfang dem bei einer großen Strafkammer Üblichen entspreche und die im Falle der Zulassung der Anklage nach zwei oder drei Hauptverhandlungstagen abgeschlossen werden könnten, hinreichend zügig zu bearbeiten. Schließlich räumte das Präsidium ein, dass ihm bei der ursprünglichen Beschlussfassung der Einzelzuweisungscharakter der Umverteilung bekannt gewesen sei. Am 7. November 2013 wies die Strafkammer die Besetzungsrüge zurück und nahm zur Begründung im Wesentlichen auf den Präsidiumsbeschluss vom 31. Oktober 2013 Bezug, den sie in ihrer Entscheidung wiedergab.
Rz. 8
b) Die Verfahrensrüge ist zulässig und begründet.
Rz. 9
aa) Die Rüge ist in zulässiger Weise erhoben. Der Vortrag, die Angeklagte habe ihren Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung vor der Vernehmung des ersten Angeklagten geltend gemacht, ist entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts für die Darlegung eines rechtzeitigen Besetzungseinwandes (§ 338 Nr. 1 Buchst. b, § 222b Abs. 1 StPO) ausreichend.
Rz. 10
Der Zulässigkeit der Rüge steht auch nicht entgegen, dass die Revision nicht die vollständige Regelung des Geschäftsverteilungsplans über die Zuständigkeit der 14. großen Strafkammer und deren Vertretung mitgeteilt hat (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 15. Juni 2005 – 5 StR 191/05, BGHR StPO § 338 Nr. 1 Geschäftsverteilungsplan 6; vom 29. Juni 2006 – 4 StR 146/06, juris Rn. 5; vom 12. Januar 2016 – 3 StR 490/15, juris Rn. 12); denn der Kenntnis von dessen vollständigem Inhalt bedarf es zur Prüfung der Frage, ob die Zuweisung des gegenständlichen Verfahrens durch den Beschluss des Präsidiums an die 14a. große Strafkammer den gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, vorliegend nicht.
Rz. 11
Schließlich begegnet es auch im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO keinen Bedenken, dass die Revision den Präsidiumsbeschluss vom 31. Oktober 2013 nicht vorgelegt hat. Zwar ist eine umfassende Prüfung des geltend gemachten Verfahrensmangels ohne dessen Kenntnis nicht möglich. Indes ist der Präsidiumsbeschluss in seinem für die Rüge bedeutsamen Teil vollständig in dem von der Revision mitgeteilten Beschluss der Strafkammer vom 7. November 2013 wiedergegeben.
Rz. 12
bb) Die Verfahrensrüge dringt auch in der Sache durch. Das erkennende Gericht war nicht vorschriftsmäßig besetzt, da das die Angeklagte betreffende Verfahren nicht rechtmäßig auf die 14a. große Strafkammer übertragen wurde. Diese war somit nicht zur Verhandlung und Entscheidung berufen. Hierzu gilt:
Rz. 13
(1) Aus der Garantie des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG folgt, dass Regelungen, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen, im Voraus so eindeutig wie möglich festlegen müssen, welcher Richter zur Entscheidung im Einzelfall berufen ist. Auch die die gesetzlichen Bestimmungen ergänzenden Regelungen in den Geschäftsverteilungsplänen der Gerichte müssen im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper festschreiben, damit die einzelne Sache „blindlings” aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlossen wird. Das Gebot, den zur Entscheidung berufenen Richter so eindeutig wie möglich im Voraus zu bestimmen, schließt eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans im laufenden Geschäftsjahr indes nicht aus. Gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG darf das Präsidium die nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift getroffenen Anordnungen im Laufe des Geschäftsjahres ändern, wenn dies etwa wegen Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird. Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung kann nicht nur zulässig, sondern verfassungsrechtlich geboten sein, wenn nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit, insbesondere eine beschleunigte Behandlung von Strafsachen, erreicht werden kann. Das Beschleunigungsgebot lässt jedoch das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht vollständig zurücktreten. Vielmehr besteht Anspruch auf eine zügige Entscheidung durch diesen. Daher muss in derartigen Fällen das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden.
Rz. 14
Danach steht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG einer Änderung des zuständigen Spruchkörpers auch für bereits anhängige Verfahren jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Neuregelung generell gilt, also etwa außer mehreren anhängigen Verfahren auch eine unbestimmte Vielzahl künftig eingehender Sachen erfasst, und nicht aus sachwidrigen Gründen geschieht. In Ausnahmefällen kann sogar eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans zulässig sein, die ausschließlich bereits anhängige Verfahren überträgt, wenn nur so dem Beschleunigungsgebot insbesondere in Haftsachen angemessen Rechnung getragen werden kann. In diesen Fällen kann auf eine Erstreckung der Regelung auf künftig eingehende Verfahren ausnahmsweise dann verzichtet werden, wenn eine weiterreichende Umverteilung nur dazu dienen würde, die Abstraktheit der neuen Geschäftsverteilung zu dokumentieren.
Rz. 15
Gleichgültig, ob ausschließlich anhängige Verfahren oder daneben auch zukünftig eingehende Verfahren umverteilt werden, muss jede Umverteilung während des laufenden Geschäftsjahres, die bereits anhängige Verfahren erfasst, geeignet sein, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen. Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben. Einfachrechtlich folgt dieses Erfordernis aus § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG, da Änderungen der Geschäftsverteilung, die nicht der Erhaltung oder Wiederherstellung der Effizienz eines Spruchkörpers dienen, nicht im Sinne dieser Vorschrift nötig sind. Da eine Überleitung bereits anhängiger Verfahren, bei denen schon eine anderweitige Zuständigkeit konkretisiert und begründet war, in die Zuständigkeit eines anderen Spruchkörpers erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters in sich birgt, bedarf es in solchen Fällen zudem einer umfassenden Dokumentation und Darlegung der Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern und rechtfertigen, um den Anschein einer willkürlichen Zuständigkeitsverschiebung auszuschließen.
Rz. 16
Ob ein Präsidiumsbeschluss den genannten Anforderungen entspricht, unterliegt der vollen Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn von Verfassungs wegen sind Regelungen der Zuständigkeit, anders als deren Anwendung, nicht lediglich am Maßstab der Willkür, sondern auf jede Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen (vgl. zu alldem BGH, Beschluss vom 12. Mai 2015 – 3 StR 569/14, NJW 2015, 2597, 2598 f. m. zahlr. w. N.).
Rz. 17
(2) Diesen Vorgaben wird der Präsidiumsbeschluss vom 31. Juli 2013 auch in seiner „ergänzten” Fassung vom 31. Oktober 2013 nicht gerecht. Das gewählte Vorgehen stellt vor dem Postulat des gesetzlichen Richters kein rechtlich tragfähiges Konzept zur Verteilung der anfallenden Geschäfte dar. Das Präsidium hat – wenn auch gekleidet in eine abstrakte Formulierung – bewusst ein einziges Verfahren, das in die Zuständigkeit der 14. großen Strafkammer fiel, der 14a. großen Strafkammer übertragen. Dabei begegnen die Erwägungen, die zur Auswahl gerade des gegenständlichen (Umfangs)Verfahrens geführt haben, für sich betrachtet keinen rechtlichen Bedenken. Jedoch hat das Präsidium keine weiteren Entlastungsmaßnahmen vorgenommen, obwohl die von der 14. großen Strafkammer angezeigte Überlastung in der Mitte des Geschäftsjahres entstanden war. Angesichts der verbleibenden Dauer bis zu dessen Ende ist nicht ersichtlich, weshalb die Übertragung allein des vorliegenden Verfahrens auf eine andere Strafkammer der Überlastung der 14. großen Strafkammer für das Geschäftsjahr 2013 insgesamt wirksam und effektiv entgegenzuwirken geeignet sein sollte. Nicht tragfähig ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Erwägung, die 14. große Strafkammer sei nach der im Beschluss vom 31. Oktober 2013 wiedergegebenen Mitteilung ihres Vorsitzenden in der Lage gewesen, weitere eingehende Verfahren, deren Umfang dem bei einer großen Strafkammer Üblichen entspreche und die im Falle der Zulassung der Anklage nach zwei oder drei Hauptverhandlungstagen abgeschlossen werden könnten, hinreichend zügig zu bearbeiten. Hiernach hätte bereits der Eingang eines Verfahrens, dessen sachgerechte – und als Haftsache möglicherweise eilbedürftige – Behandlung mehr als drei Hauptverhandlungstage in Anspruch genommen hätte, die erneute Gefahr einer Überlastung der 14. großen Strafkammer begründet. Derartige Verfahrensumfänge sind bei einer mit allgemeinen Strafsachen befassten Strafkammer nicht ungewöhnlich, mit dem Eingang entsprechender Verfahren ist daher stets zu rechnen. Auch von den in der Überlastungsanzeige vom 10. Juli 2013 konkret aufgeführten sechs Verfahren erfüllten mindestens vier diese Voraussetzung. Selbst wenn die 14. große Strafkammer über die Mitteilung ihres Vorsitzenden hinaus auch Verfahren von mittelgroßem Umfang hätte bearbeiten können, schloss das Vorgehen des Präsidiums nicht aus, dass ein weiteres Umfangsverfahren bei der 14. großen Strafkammer anhängig werden würde; anderes zeigen weder der Präsidiumsbeschluss vom 31. Juli 2013 noch derjenige vom 31. Oktober 2013 auf. Jedenfalls ein derartiges Verfahren hätte nach dem Grundkonzept der Präsidiumsentscheidung wiederum im Wege der Einzelzuweisung einer anderen Strafkammer zugeteilt werden müssen. Eine derartige Handhabung in Form der Aneinanderreihung von Einzelfallzuweisungen bereits anhängiger Verfahren ist mit den Anforderungen an die Bestimmung des gesetzlichen Richters nicht in Einklang zu bringen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Mai 2015 – 3 StR 569/14, NJW 2015, 2597, 2599; vom 12. Januar 2016 – 3 StR 490/15, juris Rn. 19).
Rz. 18
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 19
a) In den Fällen II.5-9 der Urteilsgründe tragen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen den Schuldspruch wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern deshalb, weil die Angeklagte D. durch ihre Unterstützungshandlungen zu dem unerlaubten Aufenthalt der geschleusten Personen (§ 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) Hilfe leistete (§ 96 Abs. 1 Nr. 2, § 97 Abs. 2 AufenthG). Entgegen der Auffassung des Landgerichts belegen die Urteilsgründe indes nicht, dass die Angeklagte D. auch die unerlaubten Einreisen der Ausländer (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) unterstützte und damit den Grundtatbestand des § 96 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklichte. Da § 96 Abs. 1 AufenthG eine Beihilfehandlung zur Täterschaft erhebt, ist eine Beteiligung an der Bezugstat nach deren Beendigung nicht mehr möglich (BGH, Urteil vom 26. Mai 1999 – 3 StR 570/98, BGHSt 45, 103, 107). Im Hinblick auf die von § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in Bezug genommenen Einreisedelikte ist daher zu beachten, dass es sich bei diesen – im Gegensatz zu den von § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfassten Aufenthaltsdelikten – nicht um Dauerstraftaten handelt. Vielmehr tritt mit der Vollendung der Einreise infolge unerlaubten Grenzübertrittes oder Passierens der Grenzübergangsstelle gleichzeitig deren Beendigung ein (BayObLG, Beschluss vom 2. März 1999 – 4 St RR 32-99, NStZ-RR 1999, 314; Bergmann/Dienelt-Winkelmann, AuslR, 11. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 54; MüKoStGB/Gericke, 2. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 48; aA Cantzler, Das Schleusen von Ausländern und seine Strafbarkeit, S. 154). Die von der Strafkammer konkret festgestellten Tatbeiträge der Angeklagten lagen jedoch erst nach diesem Zeitpunkt.
Rz. 20
Allerdings kommt auf Grundlage der bisherigen Urteilsfeststellungen in Betracht, dass die Angeklagte D. die Einreisedelikte auf Grundlage einer psychischen Beihilfe oder aufgrund von Beiträgen zu einem sog. uneigentlichen Organisationsdelikt in strafbarer Weise gefördert haben könnte; indes belegen die bisherigen Urteilsgründe auch unter diesen Gesichtspunkten ihre Strafbarkeit nicht. Hierzu gilt:
Rz. 21
aa) Der Umstand, dass die Angeklagte D. mit weiteren an der Schleusung beteiligten Personen bandenmäßig verbunden war, begründete für sich noch nicht ihre Strafbarkeit bezüglich der späteren Einreisedelikte der geschleusten Ausländer. Denn die Bandenabrede lässt die allgemeinen Regeln über die Tatbeteiligung unberührt, so dass die Bandenmitgliedschaft und die Beteiligung an Bandentaten unabhängig voneinander zu beurteilen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2008 – 3 StR 243/08, juris Rn. 7; vom 1. Februar 2011 – 3 StR 432/10, NStZ 2011, 637). Im Einzelfall kann zwar schon die allgemeine, im Rahmen der Bandenabrede erteilte Zusage, bei späteren (Durch)Schleusungen mitzuwirken, eine die konkrete Tatausführung fördernde psychische Beihilfe darstellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2011 – 3 StR 432/10, NStZ 2011, 637; vom 13. März 2013 – 2 StR 586/12, NJW 2013, 2211, 2212). Jedoch setzt dies voraus, dass die im Vorfeld getätigte allgemeine Unterstützungszusage die Täter bei der späteren Tat psychisch in ihrem Vorhaben bestärkte, die Tathandlung oder den Erfolgseintritt mindestens erleichterte oder förderte und auch die subjektiven Voraussetzungen bei dem Gehilfen vorliegen (BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2011 – 3 StR 432/10, aaO; vom 13. März 2013 – 2 StR 586/12, aaO). Dabei genügt es nach den Grundsätzen zur sog. Kettenbeihilfe zwar für die Tatbestandserfüllung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wenn sich die Unterstützungshandlung auf die Förderung der Hilfeleistung eines anderen Schleusers (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) oder Gehilfen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AufenthG, § 27 StGB) beschränkt (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2012 – 4 StR 144/12, NJW 2012, 2821, 2822 mwN). In jedem Fall bedarf die Annahme einer psychischen Beihilfe aber genauer Feststellungen – insbesondere auch zur fördernden Funktion – im Urteil (BGH, Beschlüsse vom 6. Juli 2010 – 3 StR 12/10, juris Rn. 2; vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316; vom 24. März 2014 – 5 StR 2/14, NStZ 2014, 351, 352).
Rz. 22
Gemessen hieran tragen die Urteilsgründe nicht den Schluss auf eine im Vorfeld der Schleusungsdelikte geleistete psychische Beihilfe der Angeklagten D.. Es fehlen bereits konkrete Feststellungen zu einer allgemeinen oder konkreten, sich auf bestimmte Schleusungen beziehenden Zusicherung späteren Tätigwerdens. Diese folgt insbesondere noch nicht ohne Weiteres daraus, dass die Angeklagte bereits vor den abgeurteilten Taten mit einigen Beteiligten zusammengewirkt hatte und sie jederzeit zur Betreuung der eingereisten Ausländer bereit war. Überdies hätte es näherer Darlegung bedurft, inwieweit sich eine (allgemeine) Unterstützungszusage fördernd auf die späteren Durchschleusungen ausgewirkt hat. Angesichts der Größe der Organisation und dem Umstand, dass neben den Angeklagten noch weitere Helfer in Deutschland aktiv waren, versteht sich dies nicht von selbst.
Rz. 23
bb) Haben bei einer durch mehrere Personen begangenen Deliktsserie einzelne Angeklagte einen Tatbeitrag zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer auf die Begehung von Straftaten ausgerichteten Infrastruktur erbracht, so sind die Einzeltaten der Mittäter zu einem sog. uneigentlichen Organisationsdelikt zusammenzufassen, durch welches die Einzelhandlungen rechtlich verbunden und die auf der Grundlage dieser Infrastruktur begangenen Straftaten für die im Hintergrund Tätigen zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden (BGH, Beschluss vom 19. April 2011 – 3 StR 230/10, NStZ 2011, 577, 578; Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 184; Beschluss vom 21. Dezember 1995 – 5 StR 392/95, NStZ 1996, 296 f.; Beschluss vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 342 f.). Von dieser Handlungseinheit ausgenommen sind diejenigen Einzeldelikte, an denen der Täter individuell mitwirkt; diese sind ihm tatmehrheitlich zuzurechnen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2001 – 3 StR 52/01, wistra 2001, 336, 337; vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 365/14, NStZ 2015, 334).
Rz. 24
Die Urteilsgründe deuten zwar darauf hin, dass die Angeklagte D. über ihre Mitwirkung an den Einzeltaten hinausgehende, den allgemeinen organisatorischen Ablauf fördernde – und mit den angeklagten Handlungen prozessual zusammenhängende (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 5 StR 462/12, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 50) – Beiträge erbracht haben könnte, da sie etwa mit der Angeklagten V. allgemein über verschiedene Möglichkeiten der Zahlungsabwicklung beriet. Es bleibt jedoch schon offen, ob die diskutierten Vorschläge auch umgesetzt wurden.
Rz. 25
cc) Sollten sich in der neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen lassen, die nach den vorstehenden Gesichtspunkten eine strafbare Unterstützung der Einreisedelikte durch die Angeklagte D. belegen, träte dieses Delikt tatmehrheitlich zu den – auf Grundlage der bisherigen Urteilsgründe – individuell geförderten Taten des § 96 Abs. 1 Nr. 2, § 97 Abs. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hinzu. Von einer einheitlichen Förderung der Einreisedelikte wäre dabei nicht nur im Falle von Beiträgen zum uneigentlichen Organisationsdelikt auszugehen, sondern auch dann, wenn sich „lediglich” die Voraussetzungen einer psychischen Beihilfe aufgrund einer allgemeinen Unterstützungszusage hinsichtlich der späteren Schleusungsdelikte feststellen lassen sollten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2013 – 2 StR 586/12, NJW 2013, 2211, 2212). Das Verschlechterungsverbot steht dem Umstand, dass insoweit die Festsetzung einer oder mehrerer weiterer Einzelstrafen erforderlich wäre, nicht entgegen; die frühere Gesamtstrafe darf aber weder von der neuen Einzelstrafe noch von der zu bildenden Gesamtstrafe überschritten werden (vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 358 Rn. 30 mwN).
Rz. 26
b) Im Fall II.10 der Urteilsgründe wird aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen eine Strafbarkeit der Angeklagten D. nach § 96 Abs. 1 und 4, § 97 Abs. 2 AufenthG zu prüfen sein. Dabei bedarf es genauer als bisher der Begründung, dass sich die Mitwirkung der Angeklagten D. für diese als Bandentat (§ 97 Abs. 2 AufenthG) darstellte. Bedenken an dieser Wertung bestehen auf Grundlage der bisherigen Urteilsgründe insoweit, als sich die Angeklagte D. der aus den weiteren Mitgliedern H., R. und T. bestehenden Bande anschloss. Die Schleusung im Fall II.10 der Urteilsgründe ging zwar auf R. zurück, dieser war jedoch nicht nur mit H., sondern auch – möglicherweise eigenständig – mit A. bandenmäßig verbunden. Mit der Möglichkeit, dass die unter II.10 der Urteilsgründe geschilderte Tat auf letztere Gruppierung zurückging, setzen sich die Urteilsgründe nicht auseinander. Für diese Sachverhaltsalternative spricht jedoch, dass die in diesem Fall zu schleusende Person nach Großbritannien gebracht werden sollte, H. nach den Feststellungen jedoch Schleusungen nach Kanada organisierte.
Rz. 27
II. Revision der Angeklagten V.
Rz. 28
Der Schuldspruch wegen Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in fünf Fällen gegen die Angeklagte V. hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 29
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen organisierte der in Kanada lebende H. Schleusungen von Iranern aus dem Iran über die Bundesrepublik Deutschland nach Kanada. Er arbeitete unter anderem mit dem in Malaysia lebenden R. zusammen, der die Geschleusten dort betreute, mit gefälschten oder gestohlenen Pässen versah und die Weiterreise vorbereitete. In Deutschland wurden die Geschleusten unter anderem von der Angeklagten D. oder T. betreut. R. arbeitete daneben auch mit dem im Iran lebenden A. zusammen, der von dort heraus als Schleuser tätig war und seine Aufträge durch den bereits rechtskräftig verurteilten Ha. ausführen ließ. Die Angeklagte V. buchte in insgesamt fünf Fällen (II.7-9, 11, 12 der Urteilsgründe) für die jeweils zu schleusenden Personen Flugtickets für die Weiterreise nach Kanada; sie wurde stets erst aktiv, nachdem die Geschleusten in Deutschland angekommen waren. Dabei wusste sie, dass R., H., die Angeklagte D. und T. bzw. R. und Ha. arbeitsteilig sowie gewerbsmäßig Schleusungen durch Deutschland organisierten, denen die Flugbuchungen dienten. „Sie schloss sich jedenfalls der aus der Angeklagten D., H. und R. bestehenden Bande an, indem sie die gewünschten Flugtickets auf falsche Namen buchte, Unterstützungshandlungen im Rahmen der Reisevorbereitung leistete und dabei besonders auf eine Vereinfachung des Ablaufs, etwa der Zahlungen für die Zukunft bedacht war.” In den Fällen II.7-9 der Urteilsgründe beauftragte die Angeklagte D. die Angeklagte V. damit, die Flugtickets zu buchen; diese Schleusungen gingen auf H. zurück. Organisator in den Fällen II.11 und 12 der Urteilsgründe war demgegenüber A.; die Bestellung der Flugtickets nahm insoweit Ha. gegenüber der Angeklagten V. vor.
Rz. 30
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Einschleusens von Ausländern in fünf Fällen nicht.
Rz. 31
a) Nach dem Grundtatbestand des § 96 Abs. 1 AufenthG wird neben der Anstiftung die Hilfeleistung zu einer der dort genannten Bezugstaten mit Strafe bedroht. Diese liegen – mit Ausnahme der Katalogtaten des § 95 Abs. 1a und Abs. 2 Nr. 2 AufenthG – entweder in einer unerlaubten Einreise (§ 96 Abs. 1 Nr. 1) oder einem unerlaubten Aufenthalt (§ 96 Abs. 1 Nr. 2). Die bloße Unterstützung eines in Deutschland aufhältigen Ausländers zur Ausreise ist hingegen – ungeachtet des Anwendungsbereichs von § 96 Abs. 4 AufenthG – grundsätzlich straflos (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 – 3 StR 51/01, BGHR AuslG § 92a Einschleusen 4). Nach seinem Regelungsgehalt erfasst § 96 Abs. 1 AufenthG gleichwohl nicht nur Einschleusungen mit dem Ziel dauerhaften Aufenthalts der Ausländer in Deutschland, sondern auch Durchschleusungen von Ausländern, die sich auf dem Weg in ein Drittland nur vorübergehend ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhalten und bereits mit dem Ziel der Weiterreise eingereist sind (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1999 – 3 StR 570/98, BGHSt 45, 103, 105 f. [zu §§ 92, 92a AuslG]). Da Einreise und Aufenthalt in diesem Fall planmäßige Zwischenglieder des gesamten Schleusungsvorgangs sind, können auch Hilfestellungen, die für sich betrachtet in erster Linie den Ausreisebemühungen dienen, als strafbare Beihilfe zu dem Einreise- oder Aufenthaltsdelikt zu qualifizieren sein (BGH, Urteil vom 26. Mai 1999 – 3 StR 570/98, BGHSt 45, 103, 105 f.; Beschluss vom 12. September 2002 – 4 StR 163/02; NJW 2002, 3642, 3643). Aus der funktionellen Bedeutung von Einreise und Aufenthalt für eine Durchschleusungsaktion folgt jedoch nicht, dass damit zugleich jegliche vorsätzliche Unterstützung einer Durchschleusung strafbar ist. Dies liefe der gesetzgeberischen Entscheidung zuwider, nur die Hilfeleistung zu den enumerativ aufgezählten Delikten unter Strafe zu stellen. Als Hilfeleistung kommt daher nur eine Handlung in Betracht, die im Sinne eines Förderns oder Erleichterns gerade dazu beiträgt, dass der Ausländer in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland illegal einreisen oder sich darin aufhalten kann (vgl. bereits BGH, Urteil vom 26. Mai 1999 – 3 StR 570/98, BGHSt 45, 103, 105 f. [zu §§ 92, 92a AuslG]; Beschluss vom 9. Mai 2001 – 3 StR 51/01, BGHR AuslG § 92a Einschleusen 4). Hieran fehlt es, wenn die Handlung des Täters allein auf die Weiterreise des Ausländers abzielt, für dessen Einreise oder Aufenthalt in Deutschland jedoch ohne Wirkung ist.
Rz. 32
b) Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe eine nach § 96 Abs. 1 AufenthG strafbare Hilfeleistung der Angeklagten V. nicht.
Rz. 33
aa) Das Landgericht hat die Tatbeiträge der Angeklagten V. zu den Einreisen der Ausländer in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland darin erblickt, dass sie jeweils die Flugtickets für die Weiterreise nach Kanada gebucht hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren die zu schleusenden Ausländer jedoch bereits in das Bundesgebiet eingereist und die diesbezüglichen Delikte nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG beendet (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 344/98, wistra 1999, 341, 343; BayObLG, Beschluss vom 2. März 1999 – 4 St RR 32-99, NStZ-RR 1999, 314; Bergmann/Dienelt-Winkelmann, AuslR, 11. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 54; MüKoStGB/Gericke, 2. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 48; aA Cantzler, Das Schleusen von Ausländern und seine Strafbarkeit, S. 154). Nach Beendigung der „Haupttat” war eine Beihilfe hierzu – wie bereits im Rahmen der Revision der Angeklagten D. dargelegt – nicht mehr möglich. Den Schluss auf eine nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbare Förderung des unerlaubten Aufenthalts der Geschleusten tragen die Feststellungen schon deshalb nicht, weil das Tatbestandsmerkmal der Vorteilserlangung oder des Vorteilsversprechens nicht belegt ist. Vielmehr folgt aus den Ausführungen der Strafkammer zur Strafzumessung, dass die Angeklagte V. gerade nicht zum eigenen Vorteil, sondern aus gesteigerter Hilfsbereitschaft tätig wurde.
Rz. 34
bb) Der Schuldspruch wegen Einschleusens von Ausländern erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtsfehlerfrei. Insbesondere tragen die Feststellungen nicht die Annahme, dass sich die Angeklagte V. unter den – zur Revision der Angeklagten D. näher dargelegten – Gesichtspunkten einer psychischen Beihilfe zu den Einreisedelikten oder aufgrund von Beiträgen zum uneigentlichen Organisationsdelikt gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht haben könnte. Hinsichtlich der für eine Strafbarkeit aufgrund psychischer Beihilfe fehlenden Feststellungen, gelten die Ausführungen zur Revision der Angeklagten D. entsprechend. Daneben geben die Urteilsgründe zwar einen Anhalt, dass auch die Angeklagte V. Beiträge zum uneigentlichen Organisationsdelikt erbracht haben könnte, die mit den angeklagten Handlungen eine prozessuale Tat bilden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 5 StR 462/12, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 50), soweit sie „besonders auf eine Vereinfachung des Ablaufs, etwa der Zahlungen, für die Zukunft bedacht war” (UA S. 13). Auch im Gesamtzusammenhang des Urteils bleibt jedoch bereits offen, was darunter zu verstehen ist und inwieweit die von ihr angedachten sowie mit der Angeklagten D. diskutierten Vorschläge zur generellen Zahlungsabwicklung umgesetzt wurden.
Rz. 35
c) In den Fällen II.11 und 12 tragen die Urteilsgründe zudem nicht die Wertung, dass die Angeklagte V. als Mitglied einer Bande handelte (§ 96 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Die Schleusungen gingen insoweit auf die „Gruppierung um R. und A.” (Fall II.11 der Urteilsgründe) bzw. A. allein (Fall II.12 der Urteilsgründe) zurück, wobei die Ausländer nach deren Grenzübertritt jeweils von Ha. betreut wurden. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer zu diesen Fällen zwar ausgeführt, die Angeklagte V. habe sich mit Ha. und „mindestens eine[r] weitere[n] Person” bandenmäßig verbunden (UA S. 77). Dies steht jedoch im unaufgelösten Widerspruch zu der Feststellung, dass sich die Angeklagte V. nur der „jedenfalls aus der Angeklagten D., H. und R. bestehenden Bande” angeschlossen hatte.
Rz. 36
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 37
Sollten sich keine Feststellungen treffen lassen, die eine vor Beendigung der Einreisedelikte der geschleusten Personen erbrachte Hilfeleistung der Angeklagten V. belegen, bleibt zu prüfen, ob sie sich wegen ihrer Beteiligung an den sich an die unerlaubte Einreise anschließenden Aufenthaltsdelikten strafbar gemacht hat. Dass ihr insoweit – dies auf Grundlage der Urteilsgründe unterstellt – das in § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorausgesetzte Schleusermerkmal des (erstrebten) eigenen Vermögensvorteils fehlte, steht einer Strafbarkeit nach allgemeinen Grundsätzen wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, § 27 Abs. 1 StGB nicht entgegen (vgl. Erbs/Kohlhaas/Senge, AufenthG, § 96 Rn. 12; MüKoStGB/Gericke,
2. Aufl., § 96 Rn. 43). Indes wird – wie im Rahmen der Revision der Angeklagten D. ausgeführt – darzulegen sein, inwieweit die Handlungen der Angeklagten V. den jeweiligen Aufenthalt förderten oder erleichterten. Allein das auf das Ausschleusen der Ausländer gerichtete Buchen der Flugtickets begründete diesen (tatsächlichen) Zusammenhang noch nicht.
Unterschriften
Becker, RiBGH Hubert befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Schäfer, Becker, Mayer, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 9530175 |
NStZ 2016, 6 |
wistra 2016, 499 |
NStZ-RR 2016, 6 |
StraFo 2016, 387 |