Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 21.12.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2017 aufgehoben,
- soweit die Angeklagte in den Fällen II. 1.-5. und 7.-10. der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun selbständigen Fällen verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zu den Einzellieferungen sowie zu den am 10. August 2016 sichergestellten Betäubungsmittelmengen aufrecht erhalten;
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen vereinbarte die Angeklagte Mitte 2015 mit den gesondert verfolgten Brüdern … P.G. und … J. G., die im Umfeld ihres Gemüsehandels in großem Umfang mit Betäubungsmitteln Handel trieben, die wiederholte Lieferung von Marihuana, das sie selbst anbauen wollte. Nachdem sie von den Brüdern einen Vorschuss von 11.000 EUR erhalten hatte, begann sie mit der Anpflanzung von Marihuana in einer auf dem Gelände der von ihr betriebenen Gärtnerei gelegenen Halle. Diese war auf einen Ertrag von 9,8 Kilogramm pro Ernte ausgelegt und erlaubte jedenfalls drei Ernten im Jahr. In der Folge belieferte die Angeklagte die Brüder acht Mal – am 10. September, 15., 19. und 27. Oktober und 10. November 2015, zweimal im Januar und schließlich im Juli 2016 – mit zwischen 400 Gramm und einem Kilo von ihr angebautem Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 5 % (Fälle II. 2.-5., 9. der Urteilsgründe) bzw. 2,5 % THC (Fälle II. 1., 7., 8. der Urteilsgründe). Im Fall II. 6. der Urteilsgründe überbrachte sie am 30. November 2015 ein Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 25 Gramm THC aus Restbeständen, die ein früherer Betreiber einer Marihuanaplantage auf ihrem Betriebsgelände zurückgelassen hatte. Die Brüder Gottwald zahlten die einzelnen Lieferungen bzw. verrechneten sie mit dem geleisteten Vorschuss. Am 10. August 2016 wurden bei einer Durchsuchung der Plantage 391 im Wachstum befindliche Marihuanapflanzen sichergestellt, die insgesamt rund zehn Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 471 Gramm THC ergaben. Außerdem fand sich eine abgeerntete Menge von 725 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von rund 57 Gramm THC.
Rz. 3
Das Landgericht hat in jeder einzelnen Lieferung (Taten II. 1.-9. der Urteilsgründe) bzw. in der bei der Durchsuchung festgestellten Betäubungsmittelmenge, die zum Handel bestimmt war (Tat II. 10. der Urteilsgründe), eine rechtlich selbständige Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gesehen und deshalb die Angeklagte wegen zehn tatmehrheitlicher Betäubungsmittelstraftaten verurteilt (§ 53 Abs. 1 StGB).
Rz. 4
2. Diese konkurrenzrechtliche Bewertung hält in den Fällen II. 1.-5. sowie 7.-9. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 5
a) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256), wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 223/13, NStZ-RR 2014, 144, 145; Weber, BtMG, 5. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 596 ff. mwN). Soweit sie dieselbe Rauschgiftmenge betreffen, sind mehrere Akte des Betäubungsmittelumsatzes zu einer einheitlichen Tat des Handeltreibens verbunden (BGH, Urteile vom 13. Dezember 1994 – 1 StR 720/94, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 1; vom 23. März 1995 – 4 StR 746/94, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4). Dabei ist es unerheblich, ob eine einheitlich von einem Lieferanten zum Zwecke des sukzessiven Weiterverkaufs erworbene oder eine in einem Akt angebaute und zum Handeltreiben hergestellte Menge von Betäubungsmitteln in Rede steht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2005 – 3 StR 106/05, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Anbau 2). Somit handelt es sich bei einer zur Veräußerung bestimmten einheitlichen Erntemenge um einen einheitlichen Gegenstand des Handeltreibens, so dass trotz mehrerer Veräußerungsvorgänge nur von einer Tat des Handeltreibens auszugehen ist (BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 2009 – 3 StR 6/09, NStZ 2009, 648; vom 3. April 2013 – 3 StR 61/13, NStZ 2014, 161).
Rz. 6
b) Da die Cannabisplantage der Angeklagten auf drei jährliche Ernten ausgelegt war, die Lieferungen aber – jedenfalls im September, Oktober und November 2015 (Fälle II. 1.-5. der Urteilsgründe) und dann wieder im Januar 2015 (Fälle II. 7. und 8. der Urteilsgründe) – in einem engen zeitlichen Zusammenhang standen, legen es die Feststellungen nahe, dass jedenfalls einige der Verkäufe eine einzige Erntemenge betrafen und somit eine Bewertungseinheit bildeten. Diese Erwägungen gelten auch im Hinblick auf das im Juli 2016 verkaufte Marihuana (Fall II. 9. der Urteilsgründe) und Teile der am 10. August 2016 sichergestellten Menge, da die Lieferung vom Juli möglicherweise aus der gleichen Ernte entstammte wie das bei der Durchsuchung aufgefundene bereits abgeerntete Marihuana.
Rz. 7
c) Die Sache bedarf deshalb in den Fällen II. 1.-5. sowie 7.-9. der Urteilsgründe neuer Verhandlung und Entscheidung. Da die Feststellungen zu den Umständen der in diesen Fällen getätigten Einzellieferungen und den hierbei verkauften Betäubungsmittelmengen sowie dem Auffinden der am 10. August 2016 sichergestellten Betäubungsmittel rechtsfehlerfrei getroffen worden sind, können diese aufrechterhalten werden. Fall II. 6. der Urteilsgründe ist von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt, da die dort abgeurteilte Lieferung Marihuana aus einem bereits abgeschlossenen früheren Erntevorgang stammte und dieses Marihuana nicht mit den eigenen Ernten zusammengeführt worden war.
Rz. 8
3. Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II. 1.-5. und 7.-10. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
Unterschriften
Gericke, Spaniol, Tiemann, Berg, Leplow
Fundstellen
Haufe-Index 13012252 |
NStZ 2019, 7 |
NStZ-RR 2019, 5 |