Tenor
1. Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen 8 und 9 der Urteilsgründe wegen Nötigung verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zweibrücken vom 17. Mai 2004
- im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung (Fälle 1 und 3 der Urteilsgründe) und in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung (Fall 7 der Urteilsgründe) und jeweils in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung, sowie des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in einem weiteren Fall (Fall 5 der Urteilsgründe) schuldig ist,
- im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Jugendkammer zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten „des schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 3 Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexueller Nötigung, dabei in zwei Fällen im besonders schweren Fall (Vergewaltigung), des sexuellen Mißbrauchs von Kindern, der Freiheitsberaubung in 3 Fällen sowie der Nötigung in 2 Fällen” für schuldig befunden und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Senat stellt das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte in den Fällen 8 und 9 der Urteilsgründe wegen vollendeter Nötigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen verurteilt worden ist. Die bisherigen Feststellungen tragen den Schuldspruch insoweit nicht. Eine Zurückverweisung zu weiterer Aufklärung erscheint dem Senat aus den in § 154 Abs. 1 StPO genannten Gründen entbehrlich.
Die Einstellung hat die Änderung des Schuldspruchs und den Wegfall der in den Fällen 8 und 9 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sechs Monaten zur Folge.
2. Der Schuldspruch hält – mit Ausnahme des Falls 5 der Urteilsgründe – auch im übrigen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat den Angeklagten in den Fällen 1, 3 und 7 jeweils zu Recht des schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes für schuldig befunden, weil er zuletzt im Jahr 2000 wegen einer einschlägigen Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 176 a Abs. 1 Nr. 4 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung). Entgegen dem Vorbringen der Revision belegen die Feststellungen auch, daß der zur Tatzeit 51jährige Angeklagte in diesen Fällen die sexuellen Handlungen in seiner Wohnung an der zur Tatzeit sechsjährigen Adelina unter Ausnutzung der für das Mädchen bestehenden schutzlosen Lage (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB) vorgenommen hat. Zu Recht rügt der Beschwerdeführer indes, daß das Landgericht im Fall 3 der Urteilsgründe den weiter qualifizierenden Umstand des § 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung und das Regelbeispiel eines besonders schweren Falles nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB für verwirklicht angesehen hat. Nach den Feststellungen des Urteils ist nicht belegt, daß in diesem Fall die sexuellen Handlungen – wie dies die genannten Strafvorschriften voraussetzen – mit einem Eindringen in den Körper verbunden waren (vgl. BGHR StGB § 176 a Abs. 1 Nr. 1 sexuelle Handlung 1). Die Urteilsgründe ergeben auch nicht, daß es sich hierbei – wie der Generalbundesanwalt meint – um ein bloßes Schreibversehen handelt. Der auf §§ 176 a Abs. 1 Nr. 1, 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützte Schuld- und Strafausspruch kann in diesem Fall schon deshalb nicht bestehen bleiben. Vielmehr ist der Angeklagte insoweit allein wegen des schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexueller Nötigung (§§ 176 a Abs. 1 Nr. 4 a.F., 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB) zu verurteilen.
b) Im übrigen hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis zwischen den in den Fällen 1, 3 und 7 der Urteilsgründe zum Nachteil von Adelina begangenen sexuellen Handlungen und der an den jeweiligen Tattagen zum Nachteil des zur Tatzeit fünfjährigen Bruders der Adelina, Viesar, begangenen Freiheitsberaubung (Fälle 2, 4 und 6 der Urteilsgründe) rechtsfehlerhaft beurteilt. Die Annahme des Landgerichts, zwischen den Taten zum Nachteil von Adelina und der Freiheitsberaubung bestünde jeweils Tatmehrheit, wird den getroffenen Feststellungen nicht gerecht. Danach hielten sich zu den Tatzeiten jeweils beide Kinder in der Wohnung des Angeklagten auf. In allen drei Fällen sperrte der Angeklagte Viesar dort zuvor in ein Zimmer ein, um zu verhindern, daß der Junge ihn bei seinem anschließenden sexuellen Vorhaben stört. Bei dieser Sachlage war die Freiheitsberaubung zum Nachteil des Viesar jeweils ein Umstand, der zugleich für Adelina die schutzlose Lage im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB mitbegründete. Jedenfalls stand die Freiheitsberaubung jeweils in einem so engen zeitlichen und motivatorischen Zusammenhang mit den sexuellen Handlungen, daß dies die Fälle 1 und 2, 3 und 4 sowie 6 und 7 der Urteilsgründe jeweils rechtlich zu einer natürlichen Handlungseinheit verbindet.
c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Wegen der Tenorierung im Fall der Vergewaltigung (Fall 7 der Urteilsgründe) verweist der Senat auf BGH NJW 2001, 2185, 2186.
3. Die Änderung des Schuldspruchs hat im Fall 3 der Urteilsgründe die Aufhebung des Strafausspruchs schon deshalb zur Folge, weil das Landgericht der Strafzumessung rechtsfehlerhaft den erhöhten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB zugrunde gelegt hat. Im übrigen ist über die Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 4, 6 und 7 der Urteilsgründe auch wegen des geänderten Konkurrenzverhältnisses neu zu befinden. Schließlich kann die Einzelstrafe im Fall 5 der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht hier rechtsfehlerhaft den Regelstrafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB statt des Absatzes 3 der Vorschrift in der zur Tatzeit geltenden Fassung zugrunde gelegt hat. Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
4. Die Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe zieht hier die Aufhebung des Maßregelausspruchs über die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach sich. Denn mit der Aufhebung der Strafen sind zugleich die formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB entfallen, auf die das Landgericht seine Anordnung gestützt hat. Über das Vorliegen der Voraussetzungen ist deshalb umfassend neu zu befinden. Insoweit verweist der Senat auch auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 20. September 2004.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanović, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2558086 |
StraFo 2005, 82 |