Leitsatz (amtlich)

Im Patentnichtigkeits-Berufungsverfahren führt es nicht ohne weiteres zur Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn der Sachverständige für Schutzrechte eines Konkurrenten des Patentinhabers auf dem einschlägigen Gebiet als Erfinder benannt ist.

 

Normenkette

PatG (1981) § 110 ff.; ZPO § 406

 

Verfahrensgang

BPatG

 

Tenor

Die Ablehnungsgesuche der Beklagten und der Klägerin zu 2) gegen den gerichtlichen Sachverständigen Dr. med. H. werden für unbegründet erklärt.

 

Gründe

Ein Sachverständiger kann nach § 406 ZPO, der auch im Berufungsverfahren in Patentnichtigkeitssachen anwendbar ist, abgelehnt werden, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die in den Augen einer vernünftigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken (Sen.Beschl. v. 15.04.1975 – X ZR 52/73, GRUR 1975, 507 – Schulterpolster; Beschl. v. 19.11.1985 – X ZR 26/84, Liedl 1984/86, 384 – Wabendecke). Dies kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Sachverständige in näheren Beziehungen zu einer der Parteien steht (vgl. Sen.Beschl. v. 11.07.1995 – X ZR 99/93; Beschl. v. 07.04.1998 – X ZR 93/95). Dagegen wurde es insbesondere als die Ablehnung nicht rechtfertigend angesehen, wenn der Sachverständige vor längerer Zeit für einen am Verfahren nicht beteiligten Konkurrenten auf gleichem Gebiet tätig war (Sen.Beschl. v. 11.07.1995 – X ZR 99/93). Entsprechend liegt die Sache hier:

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Sachverständige sei in verschiedenen Schutzrechtsanmeldungen einer am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Konkurrentin der Beklagten auf dem hier einschlägigen Gebiet als Erfinder benannt worden. Sie meint, dies rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit, weil Konkurrenten den Bestand von Schutzrechten Dritter regelmäßig als ihren Interessen abträglich empfänden. Die Klägerin zu 2) ist dem beigetreten.

Der gerichtliche Sachverständige hat auf Befragen angegeben, daß der Vortrag zu den Schutzrechten, bei denen er als Erfinder benannt sei, zutreffe. Diese Erfindung werde aber von der Konkurrentin nicht benutzt; diese wolle die Schutzrechte auch aufgeben und er bemühe sich deshalb um eine Übernahme. „Lizenzen” erhalte er von der Konkurrentin nicht.

Bei diesen Umständen erscheint auch aus der Sicht einer vernünftigen Partei die Annahme nicht gerechtfertigt, daß der Sachverständige möglicherweise den Beteiligten des Rechtsstreits nicht völlig unparteilich gegenübersteht. Gerade bei Streitigkeiten auf dem Gebiet des Patentwesens liegt es nahe, daß ein geeigneter, mit der Materie vertrauter Sachverständiger selbst auf dem Gebiet, für das er als Gutachter herangezogen wird, forschend und entwickelnd tätig wird und daß daraus auch Kontakte zu Wettbewerbern der Parteien und Schutzrechtsanmeldungen entstehen können. Ein die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigender Gesichtspunkt kann aber noch nicht ohne weiteres darin gesehen werden, daß der Sachverständige für Schutzrechte eines Konkurrenten des Patentinhabers auf dem einschlägigen Gebiet als Erfinder benannt ist. Auch der Umstand, daß der Sachverständige erwägt, solche Schutzrechte selbst zu übernehmen, stellt allein noch keinen hinreichenden Grund dar, an seiner Unbefangenheit zu zweifeln.

 

Unterschriften

Melullis, Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver, Asendorf

 

Fundstellen

Haufe-Index 671605

DB 2002, 892

BGHR 2002, 297

GRUR 2002, 369

Nachschlagewerk BGH

IIC 2003, 91

Mitt. 2002, 74

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