Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 11.06.2013) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 11. Juni 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen des Landgerichts verhielt sich der stark alkoholisierte Angeklagte bei einem Familientreffen aus Anlass der Beerdigung seines Vaters in der Wohnung seiner Mutter aggressiv und beleidigend gegenüber den anwesenden Familienmitgliedern, wobei er in polnischer und in deutscher Sprache herumschrie. Seine Mutter bezeichnete er dabei als „Alte Schlampe”. Er holte ein Jagd- oder Anglermesser mit einer Klingenlänge von etwa 20 cm aus seinem Rucksack und fuchtelte damit herum, jedoch ohne eine der anwesenden Personen damit gezielt zu bedrohen. Dabei schrie er, er werde auf der Beerdigung alle abstechen. Nachdem er das Messer wieder in seinen Rucksack gesteckt oder unter seiner Jacke verborgen hatte, fasste er spätestens jetzt den Entschluss, seiner Mutter durch Drohung mit Gewalt 50 Euro abzupressen, wobei er darauf hoffte, der durch das Herumfuchteln mit dem Messer geschaffene Eindruck werde fortwirken und die Ernstlichkeit seiner Drohung unterstreichen. Er äußerte hierzu sinngemäß: „Ich stech die Alte ab, die muss mir 50 Euro geben!” Dann baute er sich vor seiner Mutter auf und schrie: „Gibst Du mir nun die 50 Euro oder nicht, du alte Schlampe?” Dass die Geschädigte dem Angeklagten tatsächlich das Geld übergab, konnte nicht sicher festgestellt werden. Dieser verließ mit seinem Rucksack eilig die Wohnung, nachdem er mitbekommen hatte, dass seine Schwester, die Zeugin S., mit ihrem Mobiltelefon die Polizei angerufen hatte.
Rz. 3
Der Angeklagte habe, so das Landgericht, mit der Drohung gegenüber seiner Mutter, er werde sie abstechen, wenn sie ihm das Geld nicht gebe, zur Verwirklichung einer versuchten schweren räuberischen Erpressung unmittelbar angesetzt. Da er von der weiteren Tatausführung nur Abstand genommen habe, weil er mitbekam, dass seine Schwester bereits die Polizei verständigt hatte, habe er die Tat auch nicht freiwillig aufgegeben.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Diese rechtliche Würdigung begegnet in zweifacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rz. 5
1. Zum einen ist die für den Tatbestand des § 255 StGB erforderliche Drohung mit einer „gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben” gegenüber der Geschädigten nicht ausreichend belegt.
Rz. 6
a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine Drohung im Sinne der §§ 253, 255 StGB nicht nur mit klaren und eindeutigen Worten, sondern auch mit allgemeinen Redensarten und mit unbestimmten, versteckten Andeutungen ausgesprochen werden kann, es also auf deren äußere Form regelmäßig nicht ankommt (Senatsurteil vom 17. März 1955 – 4 StR 8/55, BGHSt 7, 252, 253; Urteil vom 21. Februar 1989 – 5 StR 586/88, BGHR StGB § 255 Drohung 6; vgl. auch LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 253 Rn. 6). Das Tatbestandsmerkmal der erpresserischen Drohungen kann danach auch hinter harmlos erscheinenden Äußerungen, Mitteilungen, Ratschlägen, Vorschlägen, Mahnungen oder Warnungen gesehen werden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Erklärende in Wahrheit droht (BGH, jeweils aaO). Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall eine seelische Einwirkung auf den Bedrohten in Gestalt einer auf Angst und Furcht abzielenden Ankündigung eines hinreichend erkennbaren Übels, die der Täter an den Bedrohten richtet, dessen Willen gebeugt werden soll (RGSt 53, 281, 283; Senatsurteil vom 17. März 1955 aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. März 1994 – 2 StR 8/94, BGHR StGB § 255 Drohung 7; Vogel aaO).
Rz. 7
b) Gemessen daran fehlt es im angefochtenen Urteil an ausreichenden Feststellungen für eine Drohung des Angeklagten gegenüber seiner Mutter.
Rz. 8
aa) Für den Zeitpunkt, als der Angeklagte in aggressiver Stimmung in das Wohnzimmer zurückkehrte und mit dem Messer „herumfuchtelte”, hat das Landgericht eine gezielte, an eine der anwesenden Personen gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Leibesgefahr ebenso verneint wie einen Erpressungsvorsatz, den er nach den Feststellungen erst fasste, nachdem er das Messer wieder eingesteckt hatte. Ob die nachfolgend an keinen konkreten Adressaten gerichtete Äußerung, „Ich stech die Alte ab, die muss mir 50 Euro geben” als ernst gemeinte Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gerade seiner Mutter gegenüber zu werten war, hätte schon vor dem Hintergrund des zwar aggressiven, aber nicht gegen eine bestimmte Person gerichteten Vorverhaltens des stark alkoholisierten Angeklagten näherer Erörterung bedurft. Dabei wäre auch zu bedenken gewesen, dass sich der Angeklagte erst nach dieser Äußerung konkret an seine Mutter wandte und sie – wenn auch in beleidigender Form – ohne eine ausdrückliche Drohung lediglich nach Geld fragte.
Rz. 9
bb) Auch der Erpressungsvorsatz ist nicht hinreichend mit Tatsachen belegt. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe gehofft, der durch das Herumfuchteln mit dem Messer geschaffene Eindruck werde noch fortwirken, reicht dafür nicht aus. Zwar können frühere Drohungen grundsätzlich eine in die Tatgegenwart fortwirkende Drohwirkung entfalten (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 177 Rn. 20 mwN zum „Ausnutzen eines Klimas der Gewalt” bei sexuellen Übergriffen). Ob sich der Täter dieser Umstände bewusst ist, bedarf indes genauer Prüfung und Darlegung in den Urteilsgründen. Hier verstand sich die Annahme einer solchen Fallgestaltung schon deshalb nicht von selbst, weil die Strafkammer im Verhalten des Angeklagten vor Fassung des Tatentschlusses gerade keine gezielte Drohung gegenüber seiner Mutter gesehen hat.
Rz. 10
2. Zum anderen sind die Erwägungen lückenhaft, mit denen das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch verneint hat.
Rz. 11
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 24 Rn. 14 mwN). Gleichermaßen kommt es auf die Sicht des Täters für die Beantwortung der Frage an, ob der Versuch fehlgeschlagen, ein Rücktritt also ausgeschlossen ist (Fischer aaO, Rn. 7 mwN). Zum diesbezüglichen Vorstellungsbild des Angeklagten verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht. Vielmehr beschränkt sich die Strafkammer auf die Feststellung, der Angeklagte habe sich vor der Geschädigten aufgebaut und sie mit den Worten: „Gibst Du mir nun die 50 Euro oder nicht, du alte Schlampe?” angeschrien. Er habe daraufhin die Wohnung eilig verlassen, als er bemerkte, dass seine Schwester die Polizei benachrichtigte.
Rz. 12
b) Auch die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei jedenfalls nicht freiwillig vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung zurückgetreten, hält auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 31. Oktober 2013.
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Franke, Bender, Quentin
Fundstellen
Haufe-Index 6431937 |
NStZ 2014, 6 |
NStZ-RR 2014, 210 |
Kriminalistik 2014, 388 |
StV 2014, 286 |