Leitsatz (amtlich)
›Verneint das die Zulassung einer Anklage wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§§ 129a Abs. 1, 2 StGB) beschließende Gericht den hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich eines in Tateinheit zum Organisationsdelikt stehenden Vergehens, so liegt keine teilweise Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 Abs. 2 Nr. 1 StPO) vor, sondern ein Fall der rechtlich abweichenden Würdigung i.S. des § 207 Abs. 2 Nr. StPO. Eine gegen den Eröffnungsbeschluß gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist daher nicht statthaft.‹
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Aktenzeichen StB 45/88) |
Gründe
Mit Beschluß vom 10. November 1988 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main das Hauptverfahren gegen acht Angeschuldigte eröffnet und die Anklage des Generalbundesanwalts im wesentlichen zugelassen. Soweit dem Angeklagten E zur Last gelegt wird, in Tateinheit mit einem Verbrechen nach § 129a Abs. 2 StGB am 30. August 1986 nahe der Startbahn West des Flughafens in Frankfurt am Main rechtswidrig eine fremde Sache zerstört zu haben, Vergehen nach § 303 Abs. 1 StGB (Fall VI der Anklage), hat es "die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt". Dieser Ausspruch hat nicht die Wirkung einer teilweisen Nichteröffnung im Sinne des § 207 Abs. 2 Nr. 1 StPO. Damit ist er auch nicht gemäß § 210 Abs. 2 StPO beschwerdefähig.
Die Anklage legt dem Angeklagten E zur Last, in der Zeit von Juni 1986 bis Anfang November 1987 in Frankfurt am Main und an anderen Orten sich als Rädelsführer an einer terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben und in Tateinheit damit 15 im einzelnen beschriebene Straftaten begangen zu haben. Dazu zählt auch der Vorwurf, dieser Angeklagte habe am 30. August 1986 gemeinsam mit unbekannt gebliebenen Mittätern die als Fall VI der Anklage beschriebene Sachbeschädigung (Zerstörung eines Schaufelbaggers) begangen. Das Oberlandesgericht hält insoweit einen hinreichenden Tatverdacht nicht für gegeben. Dabei geht es mit der Anklage davon aus, daß die Straftaten, die der Angeklagte als Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung begangen haben soll, mit dem Verbrechen der Beteiligung an dieser Vereinigung als Rädelsführer tateinheitlich (§ 52 StGB) verbunden sind. Dies entspricht dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen, wonach diese Straftaten als Akte der Beteiligung an der terroristischen Vereinigung zu werten sind. Mit der Annahme einer tateinheitlichen Verbindung solcher Straftaten mit der Dauerstraftat nach § 129a Abs. 1, 2 StGB folgt das Oberlandesgericht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 29, 288, 290 f m.w.N.). Eine solche tateinheitliche Verbindung stellt es ersichtlich auch hinsichtlich der als Fall VI angeklagten Sachbeschädigung - für den Fall eines Bestehens hinreichenden Tatverdachts - nicht in Frage.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Beteiligung des Angeklagten E an der terroristischen Vereinigung als Rädelsführer in der Zeit von Juni 1986 bis Anfang November 1987 erstreckt sich auch auf einen etwa am 30. August 1986 durch Zerstörung eines Schaufelbaggers begangenen Beteiligungsakt dieses Angeklagten. Dies würde selbst dann gelten, wenn er nicht ausdrücklich zum Gegenstand der Anklage gemacht worden wäre. Ein Fall des § 207 Abs. 2 Nr. 1 StPO, der es bei mehreren selbständigen Taten im prozessualen Sinne zuläßt, daß das mit der Anklage befaßte Gericht wegen einzelner dieser Taten das Hauptverfahren eröffnet und wegen anderer die Eröffnung ablehnt, liegt nicht vor. Auf eine einheitliche prozessuale Tat, wie sie hier bei tateinheitlicher Verbindung einer Sachbeschädigung als Beteiligungsakt des Rädelsführers einer terroristischen Vereinigung an dieser vorläge, ist die Nummer 1 des § 207 Abs. 2 StPO nicht anwendbar. Hält das Gericht die Annahme, der Angeschuldigte habe mit dem Dauerdelikt zugleich (tateinheitlich) eine andere Strafvorschrift verletzt, aus rechtlichen oder tatsächlichen (Fehlen hinreichenden Tatverdachts) Gründen nicht für gerechtfertigt, so kommt nicht eine teilweise Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens, sondern lediglich ein Vorgehen nach § 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO in Betracht. Lehnt das Gericht es dennoch ab, insoweit das Verfahren zu eröffnen, so hat das nicht eine diesem Ausspruch entsprechende Wirkung (vgl. Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 207 Rdn. 14, 15; § 206 Rdn. 7; vgl. ferner RGSt 23, 392, 394 bis 396; 48, 89, 91, 92), sondern allein die Bedeutung einer abweichenden Würdigung im Sinne des § 207 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Auch dem Urteil des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 8. Juli 1986 - 5 StR 184/86 (BGHR StPO § 207 Abs. 2 Nr. 1, 1) liegt keine andere Rechtsauffassung zugrunde.
Da nach alledem durch den angefochtenen Beschluß die Eröffnung des Hauptverfahrens auch nicht teilweise im Sinne des § 210 Abs. 2 StPO abgelehnt worden ist, ist für eine sofortige Beschwerde des Generalbundesanwalts kein Raum.
Fundstellen
Haufe-Index 2992971 |
NStZ 1989, 190 |