Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 14.06.2002) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 14. Juni 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
I.
Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte im Jahr 1999 als Geschäftsführer des Lebensmittelgroßhandels … C. von dem erst wenige Monate existierenden Lebensmittelgroßhandel „E. Import und Export, Inhaber … M.” (im folgenden E.) in 14 Fällen Waren weit unter Einkaufspreis (Preisnachlaß zwischen 11,84 und 32,41 % des Einkaufspreises). Die Bezahlung erfolgte ausschließlich in bar. Die Produkte waren zuvor von den Verantwortlichen der E., den gesondert verfolgten Co. … und S., unter Vortäuschung der Zahlungswilligkeit bei verschiedenen Herstellern und Lieferanten bestellt und von diesen auch geliefert worden.
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, daß die Kaufpreise zwar auffallend günstig, d.h. besser als marktüblich gewesen seien. Gleichwohl habe er von dem betrügerischen Erhalt der Waren durch die E. nichts gewußt und dies auch nicht bemerken müssen.
Das Landgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, daß der Angeklagte aufgrund der besonders niedrigen Preise und der trotz des Bestehens eines freundschaftlichen Verhältnisses verlangten Barzahlung um die Möglichkeit gewußt habe, daß die gelieferten Waren zuvor durch Betrugstaten zum Nachteil der Hersteller bzw. Lieferanten erlangt worden sein könnten. Er habe dies zumindest billigend in Kauf genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
Der Verfahrensrüge liegt folgendes zugrunde:
Die Verteidigung beantragte in der Hauptverhandlung die Vernehmung namentlich benannter Zeugen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, daß „die Preise der Fa. G., insbesondere die der Fa. E., die für die Waren an die Fa. C. berechnet wurden, nicht aus dem Preisrahmen anderer Anbieter für gleiche Produkte herausfielen, daß sie vielmehr als marktübliche Preise galten, die nicht den Schluß auf einen illegalen Erwerb der Ware nahegelegt haben.”
Die Strafkammer hat den Beweisantrag als unzulässig abgelehnt, weil die Beweisbehauptung „ins Blaue rein” aufgestellt sei, „nachdem der Angeklagte selbst günstigere Preise der E. eingeräumt” habe. Soweit der Antrag als Beweisermittlungsantrag anzusehen sei, bestehe unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht keine Veranlassung dem nachzugehen. Soweit der Beweisantrag die Formulierung enthalte, daß die bezahlten Preise als marktübliche Preise galten, die nicht den Schluß auf einen illegalen Erwerb nahegelegt hätten, handele es sich um eine Schlußfolgerung, die aus der eigentlichen Beweistatsache zu ziehen wäre, wie sich aus der Verwendung des Begriffs „vielmehr” ergebe.
Die Ablehnung des Beweisantrages hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Zwar trifft es zu, daß einem in die Form eines Beweisantrags gekleideten Beweisbegehren ausnahmsweise nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden muß, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so daß es sich nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt (BGH StV 2002, 233 m.w.N.; Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 44). Für die Beurteilung, ob ein solcher Beweisermittlungsantrag vorliegt, ist die Sichtweise eines verständigen Antragstellers entscheidend. Es kommt nicht darauf an, ob das Tatgericht eine beantragte Beweiserhebung für erforderlich hält (BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 8).
2. Danach durfte der Antrag auf Vernehmung der Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mit der vom Landgericht gegebenen Begründung zurückgewiesen werden. Bei der Marktüblichkeit der Preise handelte es sich um eine bestimmte Tatsachenbehauptung, die dem Beweis durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens und Aussagen von namentlich bezeichneten Zeugen zugänglich war. Die Kammer hat ihre Überzeugung von der Kenntnis des Angeklagten von der illegalen Herkunft der Waren im Wesentlichen auf die besonders niedrigen Preise gestützt. Die Marktüblichkeit der Preise war damit ein zentrales Problem der Beweisaufnahme. Zwar hat der Angeklagte bestätigt, daß die Preise besonders günstig waren, allerdings können auch günstige Preise noch marktüblich sein, worauf die Revision zu Recht hinweist. Die Aussagen der Zeugen Co. und S., nach denen die Waren unter Einkaufspreis an die Fa. C. abgegeben wurden, stehen dem nicht entgegen. Die E. war ein erst wenige Monate existierendes Unternehmen, dem nicht die Rabatte und Nachlässe alteingesessener Lebensmittelgroßhändler gewährt wurden und von dem Unternehmen auch nicht an die eigenen Abnehmer weitergegeben werden konnten. Da sich die Marktüblichkeit der Preise u.a. nach dem im Lebensmittelgroßhandel üblichen Preisen und Gewinnspannen richtet, zu denen der Angeklagte und die Zeugen keine Angaben gemacht haben, war die Strafkammer im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht zur Durchführung der Beweisaufnahme insbesondere zur Einholung des Sachverständigengutachtens gedrängt, besonders auch deswegen, weil nach den Feststellungen des Landgerichts die der Fa. C. gewährten Nachlässe erheblich divergierten. Der Antrag hätte deshalb nur aus den Gründen des § 244 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 StPO abgelehnt werden dürfen. Das Landgericht hat die Zurückweisung des Antrags auf diese Ablehnungsgründe nicht gestützt.
Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil. Das Landgericht hat den besonders günstigen Preisen neben der Barzahlung maßgebliche Indizwirkung für den bedingten Vorsatz des Angeklagten beigemessen. Der Senat kann daher nicht ausschließen, daß das Landgericht zu einer abweichenden Überzeugungsbildung gelangt wäre, wenn der beantragte Beweis erhoben und sich dabei die Beweisbehauptung bestätigt hätte. In diesem Fall wäre ein tragendes Argument der Beweiswürdigung der Kammer entfallen.
III.
Da das Rechtsmittel schon aus diesem Grund Erfolg hat, bedarf es eines näheren Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen und die Sachrüge nicht.
Für die weitere Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß es in den Fällen 7, 13 und 14 für eine Verurteilung der Feststellung der Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Barpreis bedarf, um den Umfang des Preisnachlasses als Indiz gegen den Angeklagten verwenden zu können.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Otten, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 2558763 |
NStZ 2003, 497 |
wistra 2003, 347 |
PStR 2003, 14 |
StV 2003, 428 |
StraFo 2003, 380 |
LL 2003, 708 |