Entscheidungsstichwort (Thema)
Erteilung eines Notfristzeugnisses. Aufgaben des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Rechtsmittelfrist. Zweifel an Beginn oder Unterbrechung. Formulierung des Notfristzeugnisses
Leitsatz (amtlich)
Ein Notfristzeugnis hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auch dann auszustellen, wenn unklar ist, ob eine Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen hat oder unterbrochen worden ist. In diesem Fall lautet das Zeugnis dahin, daß ein Rechtsmittel „bis heute” oder bis zu einem bestimmten Datum nicht eingelegt worden ist.
Normenkette
ZPO § 706 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofes wird angewiesen, der Beklagten ein Notfristattest zum Versäumnisurteil des Senats vom 7. November 2001 mit der Maßgabe zu erteilen, daß ein Rechtsmittel „bis heute” nicht eingelegt worden ist.
Tatbestand
I.
Durch Versäumnisurteil vom 7. November 2001 hat der Senat auf die Revision der Beklagten das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 30. August 2000 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nach Angabe der Beklagten lehnt das Oberlandesgericht es ab, das Verfahren weiter zu betreiben, da es der Auffassung ist, das Verfahren sei durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der in Dänemark ansässigen Klägerin durch ein dänisches Gericht im Juni 2001 gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden.
Die Beklagte hat nunmehr beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofes die Ausstellung eines Notfristattests beantragt. Der Urkundsbeamte hat dies mit der Begründung abgelehnt, eines solchen Attests bedürfe es nicht, da sich bereits aus dem Zeitablauf ergebe, daß ein Rechtsmittel gegen das Versäumnisurteil vom 7. November 2001 nicht eingelegt worden sei. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit dem Rechtsmittel der Erinnerung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Erinnerung ist zulässig (§ 573 Abs. 1 und 3 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Im vorliegenden Rechtsstreit ist es allerdings zweifelhaft, ob das Verfahren nicht durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin durch ein dänisches Gericht im Juni 2001 gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden ist (vgl. zur Frage der Unterbrechungswirkung eines ausländischen Konkursverfahrens auf einen im Inland geführten Prozeß BGH, Beschluß vom 26. November 1997 – IX ZR 309/96, WM 1998, 43). Wenn die Konkurseröffnung in Dänemark zu einer Unterbrechung des Rechtsstreits geführt hat, ist das Versäumnisurteil des Senats vom 7. November 2001 unwirksam und kann auf einen Einspruch hin, für den die Frist noch nicht zu laufen begonnen hat (vgl. § 249 Abs. 1 ZPO), aufgehoben werden (MünchKommZPO-Feiber, 2. Aufl., § 249 Rdnr. 21 und 22). Da es sich bei dem Verfahren auf Erteilung eines Notfristzeugnisses nach § 706 Abs. 2 ZPO um ein Nebenverfahren, nicht um das Hauptsacheverfahren handelt, erstreckt sich die Unterbrechungswirkung hierauf jedoch nicht. Solange ungeklärt ist, ob das in Dänemark über das Vermögen der Klägerin eröffnete Konkursverfahren eine Unterbrechung des hier geführten Rechtsstreits bewirkt hat, steht der Ausstellung eines Notfristzeugnisses auch in der Sache nichts entgegen.
Das Notfristzeugnis (§ 706 Abs. 2 ZPO) hat lediglich den Zweck, den ungenutzten Ablauf einer Rechtsmittel- oder Einspruchsfrist zu bescheinigen; es dient – anders als das Rechtskraftzeugnis (§ 706 Abs. 1 ZPO) – nicht zum Nachweis der Rechtskraft einer Entscheidung. Aus dieser (negativen) Zweckbestimmung folgt bereits, daß es in diesem Zusammenhang nicht Aufgabe des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist, die unter Umständen schwierige Frage zu entscheiden, ob die Rechtsmittelfrist aufgrund besonderer Umstände (Mängel der Zustellung; Tod oder Insolvenz einer Partei) nicht zu laufen begonnen hat oder ob sie unterbrochen worden ist. Im Regelfall hat er lediglich anhand der ihm zugänglichen Unterlagen der Geschäftsstelle zu prüfen, ob innerhalb der gesetzlichen Frist ein Rechtsmittel oder, wenn es – wie hier – um ein Versäumnisurteil geht, Einspruch eingelegt worden ist. Ist der Beginn oder Ablauf der Frist zweifelhaft, dann ist diesen Zweifeln dadurch Rechnung zu tragen, daß anstelle der sonst üblichen Formulierung „innerhalb der Notfrist” (nur) die Worte „bis heute”, „bis zum …” oder eine sinngemäße Wendung gewählt werden (MünchKommZPO/Krüger, § 706 Rdnr. 8; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 706 Rdnr. 8; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 706 Rdnr. 9; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 706 Rdnr. 11). Welche weiteren rechtlichen Folgen sich aus der bescheinigten Tatsache, daß bis zu dem angegebenen Zeitpunkt kein Rechtsmittel bzw. kein Einspruch eingelegt worden ist, für das Verfahren und insbesondere für die Rechtskraft der betreffenden Entscheidung ergeben, ist für das Notfristattest ohne Bedeutung.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert, Dr. Frellesen
Fundstellen
NJW 2003, 2686 |
BGHR 2003, 828 |
BGHR |
FamRZ 2003, 1009 |
NJW-RR 2003, 1005 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2003, 801 |
EzFamR aktuell 2003, 211 |
MDR 2003, 826 |
Mitt. 2003, 334 |