Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 03.04.2018) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 3. April 2018, soweit es ihn betrifft,
- im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte statt des „Verstoßes gegen das TierschutzG” der Tiermisshandlung aus Rohheit schuldig ist,
- mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen, Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 94 Fällen, Körperverletzung und „Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Senat hat den Urteilstenor klargestellt, da die Formel „wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz” zur rechtlichen Bezeichnung der Tat (§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO) nicht genügt. Es empfiehlt sich, die unterschiedlichen Tatbestandsvarianten des § 17 Nr. 2 TierschutzG, der keine gesetzliche Überschrift trägt, mit den charakterisierenden Kurzbezeichnungen „Tiermisshandlung aus Rohheit” (§ 17 Nr. 2 Buchst. a) und „quälerische Tiermisshandlung” (§ 17 Nr. 2 Buchst. b) zu unterscheiden.
Rz. 3
2. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat einen Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, verneint, obwohl er bereits seit dem 12. Lebensjahr regelmäßig Marihuana und Alkohol, später zudem Kokain konsumierte und auch nach einer Therapie im Rahmen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG bis zur Verhaftung in vorliegender Sache weiterhin regelmäßig Marihuana und gelegentlich Kokain zu sich nahm. Die Begründung, die die Strafkammer dazu gegeben hat, erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
Rz. 4
Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuschrift ausgeführt:
„Ausreichend für einen ‚Hang’ i.S.d. § 64 S. 1 StGB ist – wie das Landgericht im Ansatz zutreffend ausführt (UA S. 67) – nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss und es ausreicht, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt. Dem entsprechend stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 3 StR 645/17). Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund einer psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Das kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden, sondern auch bei Kriminalität zur Finanzierung des Drogenkonsums (BGH, Beschluss vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15 m.w.N.).
(…)
Das sachverständig beratene Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei einen Kokainkonsum in dem vom Beschwerdeführer angegebenen Umfang ebenso verneint (…) wie eine (physische) Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten (UA S. 59, 67), bei dem es während der Untersuchungshaftzeit im vorliegendem Verfahren ‚– mit Ausnahme von Schlafstörungen – zu keinen Auffälligkeiten … hinsichtlich des Konsums von Betäubungsmitteln, insbesondere [zu] keinen physischen und psychischen Entzugserscheinungen’ gekommen war (UA S. 11). Die Kammer ist andererseits aber dennoch aufgrund des vorbeschriebenen umfangreichen und seit Ianger Zeit praktizierten Konsumverhaltens von einem ‚Missbrauch von insbesondere Cannabis als psychotroper Substanz’ (UA S. 57) als ‚psychischem Störungsbild’ (UA S. 10, 59) ausgegangen. Der Sachverständige, dem das Gericht gefolgt ist, stellte insoweit eine ‚Neigung zum Konsum psychotroper Substanzen sowie eingeengte Verhaltensmuster im Umgang mit Betäubungsmitteln’ fest (UA S. 58). Gleichwohl hat sich die Kammer nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei dem (durchgängig) Drogen (insbesondere Cannabis) konsumierenden Angeklagten jedenfalls eine oben beschriebene, für einen ‚Hang’ i.S.d. § 64 StGB ausreichende, durch Übung erworbene Neigung vorliegt, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, die nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht hat. Dies näher darzulegen, drängte sich angesichts der vorstehend (…) beschriebenen Umstände auf, zumal auch im Hinblick auf die Ausführungen von UA S. 22, 67 ein symptomatischer Zusammenhang nahe liegt, für den es ausreicht, wenn der Hang – ohne bestimmender Auslöser zu sein – im Sinne einer Mitursächlichkeit neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte die infrage stehenden Taten beging (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 3 StR 14/18 m.w.N.). Die mangelnde Erörterung stellt damit eine Urteilslücke dar.”
Rz. 5
Dem schließt sich der Senat an. Über die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb – unter Beiziehung eines Sachverständigen, § 246a Abs. 1 Satz 2 StPO – neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 – 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
Unterschriften
Schäfer, Gericke, Spaniol, RiBGH Dr. Berg befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer, Hoch
Fundstellen
Dokument-Index HI13037875 |