Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 12.07.2019; Aktenzeichen 112 Js 451/17 34 KLs38/17) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 12. Juli 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Vorwegvollzug eines Teils der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und „Einbruchdiebstahls” in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Kompensationsentscheidung getroffen. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass ein Jahr und drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Hiergegen richtet sich die auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
Rz. 2
1. Hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs, der Kompensationsentscheidung und der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 3
2. Die Entscheidung über den Vorwegvollzug kann nicht bestehen bleiben, weil das Gericht nicht erkennbar in seine Ermessensentscheidung einbezogen hat, dass sich der Angeklagte aufgrund des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 26. September 2017 im Vollzug einer Maßregel nach § 64 StGB befindet, die nach den hierzu getroffenen Feststellungen fortdauert und positiv verläuft.
Rz. 4
Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB bestimmt das Gericht die Vorwegvollziehung der Strafe oder eines Teils der Strafe, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2018 – 3 StR 243/18, NStZ-RR 2019, 208, 209 mwN). Der angeordnete Vorwegvollzug von einem Jahr und drei Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe entspricht bei einer – hier festgestellten – voraussichtlichen Therapiedauer von zwei Jahren zwar dem Regelfall des § 67 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 3 StGB. Mit Rücksicht auf die besondere Vollzugssituation (positiv verlaufende Unterbringung nach § 64 StGB in anderer Sache) hätte die Strafkammer hier aber prüfen müssen, ob ausnahmsweise von der Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB abzuweichen und von der Anordnung des Vorwegvollzugs abzusehen war. Denn die nunmehr erneut angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hätte nach § 67f StGB im Fall ihrer Rechtskraft die Erledigung der bereits vollzogenen Unterbringung zur Folge. Die in deren Rahmen erfolgversprechend begonnene Therapie könnte gemäß § 67 Abs. 1 StGB dann nur fortgesetzt werden, wenn sie nicht zum Zwecke eines Vorwegvollzugs unterbrochen wird. In einem solchen Fall kann von der Entscheidung über den Vorwegvollzug abgesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2018 – 3 StR 243/18, NStZ-RR 2019, 208, 209; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 67. Aufl., § 67 Rn. 12).
Rz. 5
Über die Anordnung eines Vorwegvollzugs ist daher erneut zu entscheiden. Dem Senat ist es verwehrt, in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst darüber zu befinden, weil die Entscheidung Wertungen und Beurteilungen erfordert, die dem Tatgericht vorbehalten sind.
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Bender, Quentin, Bartel
Fundstellen
Haufe-Index 13888886 |
NStZ-RR 2020, 209 |
StV 2021, 255 |