Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Juni 1999 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Wert: 46.109 DM.
Gründe
I.
Die Beklagten haben gegen das ihnen am 23. Februar 1999 zugestellte Urteil des Landgerichts am 23. März 1999 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist lief nach Verlängerung am 25. Mai 1999 ab. Am 31. Mai 1999 haben die Beklagten die Berufung begründet und zugleich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gebeten, weil sie diese schuldlos versäumt hätten. Dazu haben die Beklagten unter Vorlage einer anwaltlichen Versicherung ihres Prozeßbevollmächtigten sowie einer eidesstattlichen Versicherung seiner Büroangestellten G. vorgetragen: Die Berufungsbegründung sei am 25. Mai 1999 von ihrem Prozeßbevollmächtigten fertiggestellt und unterschrieben worden. Sowohl die Übertragung des Diktats als auch die Fristenkontrolle seien von Frau Güthoff-Wehr, einer ausgebildeten und zuverlässigen Rechtsanwalts- und Notargehilfin mit langjähriger beruflicher Erfahrung, ausgeführt worden. Frau Güthoff-Wehr habe am 25. Mai 1999 schlichtweg vergessen, die Berufungsbegründung mitzunehmen und in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts einzuwerfen; der Schriftsatz habe am nächsten Tag noch dort gelegen, wo er am Tag zuvor bereitgelegt worden sei. Die Fristenkontrolle erfolge im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten EDV-gestützt. Die Erledigung der einzelnen Fristen werde dergestalt sichergestellt, daß EDV-Ausdrucke über die an den einzelnen Tagen ablaufenden Fristen hergestellt würden. Auf diesen Ausdrucken werde die Erledigung der Fristen von der zuständigen Mitarbeiterin kontrolliert und vermerkt. Es bestehe die strikte Anweisung, daß die an dem jeweiligen Tag für die Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin erst „Feierabend habe”, wenn sämtliche Fristen erledigt seien und dies aus einem entsprechenden Vermerk auf dem Ausdruck hervorgehe. Im vorliegenden Fall sei der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auf dem Fristenausdruck vom 25. Mai 1999 aufgeführt gewesen. Da die Erledigung regelmäßig von der Mitarbeiterin vermerkt werde, die z.B. einen Schriftsatz zum Nachtbriefkasten bringe, und zwar unmittelbar bevor sie das Büro verlasse, sei infolge eines einmaligen Versehens auch der Erledigungsvermerk unterblieben.
Das Berufungsgericht hat den Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung versagt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruhe letztlich auf einem Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, das darin liege, daß in seinem Büro keine Endkontrolle vorgesehen sei, die sicherstelle, daß fristwahrende Schriftsätze nicht nur tatsächlich gefertigt, sondern auch abgesandt würden.
II.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht zurückgewiesen. Das Vorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, ein ihnen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten an der Fristversäumung auszuschließen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozeßbevollmächtigten, dafür zu sorgen, daß ein fristgebundener Schriftsatz hergestellt wird und rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muß der Prozeßbevollmächtigte eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren. Er muß sicherstellen, daß die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst gestrichen oder in anderer Weise als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, ein fristwahrender Schriftsatz also gefertigt und zumindest postfertig gemacht worden ist (Senatsbeschlüsse vom 17. Oktober 1990 – XII ZB 84/90 – BGHR ZPO § 233 Ausgangskontrolle 1; vom 8. Dezember 1993 – XII ZB 155/93 – BGHR aaO Fristenkontrolle 31; BGH, Beschluß vom 14. März 1996 – III ZB 13/96 – BGHR aaO Ausgangskontrolle 5 und vom 9. September 1997 – IX ZB 80/97 – NJW 1997, 3446, 3447). Darüber hinaus muß der Anwalt anordnen, die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders zu überprüfen (BGH, Beschlüsse vom 14. März 1996 aaO; vom 8. April 1997 – VI ZB 8/97 – NJW 1997, 2120, 2121; Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1990 aaO). Dabei gehört zu einer wirksamen Ausgangskontrolle eine Anordnung des Prozeßbevollmächtigten, durch die gewährleistet wird, daß von einer dazu beauftragten Bürokraft geprüft wird, welche fristwahrenden Schriftsätze hergestellt, abgesandt oder zumindest versandfertig gemacht worden sind und ob diese mit den im Fristenkalender vermerkten Sachen übereinstimmen (BGH, Beschluß vom 2. Dezember 1996 – II ZB 19/96 – NJW-RR 1997, 562).
2. Ob im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten eine diesen Anforderungen genügende Fristenkontrolle organisiert war, erscheint nach dem Vorbringen der Beklagten zweifelhaft. Danach bleibt bereits offen, bei welchem Stand der Bearbeitung eine Fristsache in dem erstellten EDV-Ausdruck als erledigt zu kennzeichnen ist, so daß nicht beurteilt werden kann, ob die fristwahrende Maßnahme büromäßig abschließend ausgeführt worden ist. Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine Überprüfung der Erledigung erstmals im Rahmen der abendlichen Ausgangskontrolle stattfindet. Dafür spricht auch das Vorbringen der Beklagten in ihrem Wiedereinsetzungsantrag. Nach ihrer Darlegung, die Erledigung werde regelmäßig von der Mitarbeiterin vermerkt, die z.B. einen Schriftsatz zum Nachtbriefkasten bringe, und zwar unmittelbar bevor sie das Büro verlasse, entspricht es offensichtlich der anwaltlichen Anordnung, wenn die Erledigung einer Fristsache erst zu diesem Zeitpunkt vermerkt wird. Unter diesen Umständen kann indessen auch die gesamte Erledigungskontrolle erst am Ende eines Arbeitstages stattfinden.
Es erscheint fraglich, ob in diesem Fall die pauschale anwaltliche Anordnung, daß „Feierabend” erst sei, wenn sämtliche Fristen erledigt seien und dies aus einem Vermerk aus dem EDV-Vordruck hervorgehe, für eine funktionsfähige Fristenkontrolle ausreicht. Angesichts der erforderlichen umfangreichen Prüfungen könnte es einer spezifizierten Anordnung bedürfen, aus der sich ergibt, daß und wie die Erledigung jeder einzelnen Sache zu überprüfen ist, etwa durch einen Vergleich der gefertigten Schriftsätze mit dem EDV-Ausdruck, damit die einzelnen Arbeitsschritte in der abendlichen Eile nicht vernachlässigt werden. Ob das Unterlassen einer derartigen Anordnung bereits einen Schuldvorwurf rechtfertigt, kann aber letztlich dahinstehen.
3. Zur Sicherung der Fristwahrung muß jedenfalls Vorsorge dafür getroffen werden, daß die für das Gericht bestimmte Post auch tatsächlich noch am selben Tag zum Gericht gelangt (Senatsbeschluß vom 8. Dezember 1993 aaO und vom 27. November 1996 – XII ZB 177/96 – BGHR aaO Ausgangskontrolle 8). Diesem Erfordernis kann organisatorisch grundsätzlich dadurch Rechnung getragen werden, daß ein besonderes Fach vorgesehen wird, das ausschließlich zum Ablegen eilbedürftiger, nach Dienstschluß durch einen Mitarbeiter oder Boten zuzustellender Gerichtspost bestimmt ist, verbunden mit der allgemeinen Weisung, darin befindliche Schriftsätze nicht ohne Rücksprache mit dem sachbearbeitenden Anwalt zu anderen Zwecken als dem der Zustellung zu entnehmen (Senatsbeschluß vom 15. Februar 1995 – XII ZB 229/94 – BGHR aaO Fristenkontrolle 39).
Daß ihr Prozeßbevollmächtigter sein Büro dementsprechend organisiert hätte, haben die Beklagten in dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht dargetan. Erst mit der sofortigen Beschwerde haben sie vorgetragen, im Büro ihres Prozeßbevollmächtigten bestehe die Anweisung, die Fristsachen in dem dafür bestimmten roten Fristenkörbchen bereitzulegen.
Dieses Vorbringen kann indessen nicht berücksichtigt werden. Zwar kann nach § 570 ZPO eine Beschwerde grundsätzlich auch auf neue Tatsachen gestützt werden. Soweit sich die Beschwerde jedoch gegen einen die Wiedereinsetzung ablehnenden Beschluß richtet, ist zu beachten, daß alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist (§§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO) vorgetragen werden müssen. Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, dürfen nach Fristablauf erläutert und vervollständigt werden (st.Rspr., vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1990 aaO m.N.). In diesem Bereich hält sich das Beschwerdevorbringen der Beklagten indessen nicht. Vielmehr schieben sie neuen Vortrag über eine büroorganisatorische Maßnahme nach, auf deren Außerachtlassung das Oberlandesgericht die Versagung der beantragten Wiedereinsetzung gestützt hat (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 20. Mai 1992 – XII ZB 43/92 – BGHR ZPO § 234 Abs. 1 Begründung 6 und vom 17. Oktober 1990 aaO).
Abgesehen davon wäre das nachträgliche Vorbringen der Beklagten auch nicht geeignet, das Bestehen zur Fristsicherung ausreichender Maßnahmen darzutun. Da davon auszugehen ist, daß die Erledigungskontrolle insgesamt am Ende eines Arbeitstages erfolgen darf (siehe oben unter 2.), müssen die Fristsachen zu diesem Zweck dem roten Fristenkörbchen entnommen und neben der Kontrolle der Erledigung auch auf ihre korrekte Abfassung, etwa das Vorhandensein von Anlagen, die Unterzeichnung durch den Anwalt und dergleichen, überprüft werden. Erforderlich ist deshalb eine anwaltliche Anordnung, die gleichwohl den rechtzeitigen Eingang bei Gericht gewährleistet und verhindert, daß Schriftsätze im Zuge der erforderlichen Kontrolle an einer Stelle abgelegt werden, an der ihre Mitnahme vergessen werden kann. Zu diesem Zweck hätte etwa eine Anordnung erfolgen können, daß die kontrollierten Schriftsätze in einen bestimmten Korb zu legen sind und – ohne entsprechende Weisung – erst unmittelbar zum Zweck der Beförderung zum Gericht wieder herausgenommen werden dürfen (vgl. auch BGH Beschluß vom 9. September 1997 aaO). Ohne den hiernach nicht auszuschließenden Organisationsmangel wäre die Berufungsbegründung möglicherweise noch rechtzeitig zum Oberlandesgericht gelangt.
Unterschriften
Blumenröhr, Hahne, Sprick, Weber-Monecke, Wagenitz
Fundstellen