Leitsatz (amtlich)
1) Der Nachweis der Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Rechtsnachfolge zugesteht, § 288 ZPO, und der bisherige Gläubiger der Erteilung der Vollstreckungsklausel an den Rechtsnachfolger zustimmt. § 138 Abs. 3 ZPO ist nicht anwendbar.
2) Der Rechtspfleger kann im Rahmen der Ermessensausübung verpflichtet sein, den Schuldner und den bisherigen Gläubiger anzuhören, wenn der Antragsteller substantiiert darlegt, dass und aus welchen nachvollziehbaren Gründen zu erwarten ist, dass der Schuldner die Rechtsnachfolge zugestehen und der bisherige Gläubiger der Klauselerteilung zustimmen werde.
Normenkette
ZPO §§ 727, 730
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 12.10.2004 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.047,64 EUR
Gründe
I.
Der Beklagte ist aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG verpflichtet, an den Kläger 1.047,64 EUR an Kosten zu erstatten. Die Beteiligte, der Rechtsschutzversicherer des Klägers, hat beantragt, ihr als dessen Rechtsnachfolgerin gem. § 727 ZPO die Vollstreckungsklausel zu erteilen. Sie habe den Kläger von den Anwalts- und Gerichtskosten freigestellt, sein Kostenerstattungsanspruch sei gem. § 67 VVG auf sie übergegangen. Sie hat in Fotokopie einen Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegt, in dem bestätigt wurde, dass die Beteiligte die Kosten übernommen habe. Öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, aus denen sich die Rechtsnachfolge ergibt, hat die Beteiligte nicht vorgelegt.
Die Rechtspflegerin hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich ihre vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, die Beteiligte habe den in § 727 ZPO geforderten qualifizierten Nachweis für ihre Rechtsnachfolge nicht erbracht. Dieser sei nicht entbehrlich gewesen. Die Rechtsnachfolge sei nicht offenkundig. Die Vorlage des Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers stelle schlichten Parteivortrag dar. Die Rechtspflegerin sei im Rahmen ihrer Ermessensausübung nach § 730 ZPO nicht gehalten gewesen, den Beklagten anzuhören, damit dieser die Tatsache der Rechtsnachfolge unstreitig stellen (§ 138 Abs. 3 ZPO) oder zugestehen (§ 288 ZPO) könne. § 138 Abs. 3 ZPO sei im Verfahren nach § 727 ZPO ohnehin weder direkt noch analog anwendbar, weil der Schuldner keine Erklärungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO habe. Ein Geständnis des Schuldners sei zwar grundsätzlich möglich mit der Folge, dass die Rechtsnachfolge nicht mehr beweisbedürftig sei. Die Beteiligte habe jedoch nicht substantiiert dargelegt, auf Grund welcher Umstände und Tatsachen die Rechtspflegerin im Falle der Anhörung des Beklagten voraussichtlich durch eine ausdrückliche Erklärung ein Geständnis erwarten könne. Nur dann wäre sie im Rahmen ihrer Ermessensausübung verpflichtet gewesen, den Beklagten anzuhören. Ein Geständnis des Altgläubigers reiche nicht aus, um die Rechtsnachfolge offenkundig oder ihren qualifizierten Nachweis entbehrlich zu machen.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Nach § 727 ZPO kann eine vollstreckbare Ausfertigung für den Rechtsnachfolger des in dem Urteil bezeichneten Gläubigers erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden hat die Beteiligte nicht vorgelegt. Die Rechtsnachfolge ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch bei Gericht nicht offenkundig.
Offenkundig ist eine Tatsache, wenn sie zumindest am Gerichtsort der Allgemeinheit bekannt oder ohne besondere Fachkunde - auch durch Information aus allgemein zugänglichen zuverlässigen Quellen - wahrnehmbar ist (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 291 Rz. 1). Das ist hinsichtlich der Tatsachen, dass der Kläger bei der Beteiligten rechtsschutzversichert ist, diese ihm für den Prozess Deckung gewährt und Prozesskosten gezahlt hat, ersichtlich nicht der Fall. Entsprechender Vortrag der Beteiligten ist nicht geeignet, Offenkundigkeit herzustellen, selbst wenn der Beklagte ihn nicht bestritten hätte (a.A. OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.9.1997 - 3 W 45/97, JurBüro 1998, 88). Bei diesem Vortrag handelt es sich, auch wenn er von einem Rechtsschutzversicherer stammt, um die schlichte Tatsachenbehauptung eines Verfahrensbeteiligten, die im Rahmen des § 727 ZPO grundsätzlich des qualifizierten Beweises bedarf.
b) Ob und unter welchen Voraussetzungen der Nachweis der Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite bei fehlender Offenkundigkeit entbehrlich ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Mit unterschiedlichen Nuancen im Einzelnen wird teilweise § 138 Abs. 3 ZPO und teilweise § 288 ZPO für anwendbar gehalten; teilweise wird die Anwendung dieser Vorschriften generell abgelehnt (vgl. die Nachweise bei Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 727 Rz. 20 und Schuschke in Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 727 Rz. 29, § 726 Rz. 11).
c) Der qualifizierte Nachweis der Rechtsnachfolge auf der Gläubigerseite ist dann entbehrlich, wenn der Schuldner die Rechtsnachfolge i.S.v. § 288 ZPO zugestanden und der bisherige Gläubiger der Erteilung der Vollstreckungsklausel an den Rechtsnachfolger zugestimmt hat. Dagegen scheidet eine Anwendung von § 138 Abs. 3 ZPO aus.
aa) § 138 Abs. 3 ZPO ist im Verfahren nach § 727 ZPO nicht anwendbar. Die Vorschrift knüpft an § 138 Abs. 2 ZPO an, der bestimmt, dass jede Partei sich über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären hat. Diese Erklärungslast besteht nur in kontradiktorischen Verfahren, zu denen das Verfahren nach § 727 ZPO nicht gehört. Es wird allein vom Rechtsnachfolger betrieben. Die Anhörung des Schuldners steht im Ermessen des Rechtspflegers. Der Schuldner kann, muss sich aber nicht zu dem Antrag äußern (Münzberg, NJW 1992, 201 [204, 205]). Um die Rechtsnachfolge als zugestanden anzusehen, reicht es daher nicht aus, dass der Schuldner den Antrag des neuen Gläubigers nicht bestreitet.
bb) Der Schuldner als Antragsgegner kann jedoch die Rechtsnachfolge zugestehen, § 288 ZPO. Bringt er eindeutig seinen Willen zum Ausdruck, die behauptete Rechtsnachfolge zu akzeptieren und gegen sich gelten zu lassen, spricht nichts dagegen, diese Erklärung im Verfahren nach § 727 ZPO zu berücksichtigen. Der Anwendung von § 288 ZPO steht insb. nicht entgegen, dass der Schuldner im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 730 ZPO regelmäßig keine Möglichkeit mehr hat, das Geständnis gem. § 290 ZPO zu widerrufen (a.A. Joswig, Rpfleger 1991, 144 [146]). Er kann gem. § 732 ZPO Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel erheben und dabei den Widerruf erklären und die Gründe dafür nachweisen (Münzberg, NJW 1992, 201 [202]).
Dagegen ist der bisherige Gläubiger nicht befugt, die Rechtsnachfolge i.S.v. § 288 ZPO zuzugestehen (a.A. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 10.2.2004 - 5 W 285/03, Rpfleger 2004, 430). Er ist im Verfahren nach § 727 ZPO nicht Partei, sondern Dritter.
cc) Allerdings wird von der Erteilung der Vollstreckungsklausel an denjenigen, der als Rechtsnachfolger auftritt, nicht nur der Schuldner, sondern regelmäßig in noch stärkerem Maße der bisherige Gläubiger betroffen. Zu seinem Schutz sieht § 727 ZPO vor, dass die Rechtsnachfolge bei fehlender Offenkundigkeit nur durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden kann. Dieser Schutz darf nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass er ein Geständnis des Schuldners nach § 288 ZPO ohne weiteres gegen sich gelten lassen müsste, zumal dem Schuldner die Umstände der Rechtsnachfolge häufig unbekannt sind. Die behauptete Rechtsnachfolge darf daher nur dann aufgrund eines Geständnisses des Schuldners als bewiesen angesehen werden, wenn der bisherige Gläubiger hierzu angehört worden ist und der Klauselerteilung an den neuen Gläubiger ausdrücklich zugestimmt hat.
dd) Es ist Sache des Antragstellers, die Rechtsnachfolge darzulegen und in der in § 727 ZPO vorgesehenen Form zu beweisen. Aus dem Umstand, dass in diesem Rahmen § 288 ZPO für ein Geständnis des Schuldners anwendbar und ein Nachweis entbehrlich ist, wenn darüber hinaus der bisherige Gläubiger der Klauselerteilung zustimmt, folgt nicht, dass der Rechtspfleger stets verpflichtet wäre, den Schuldner und den bisherigen Gläubiger von sich aus anzuhören. Es ist nicht seine Aufgabe, durch eine solche Anhörung festzustellen, ob auf vom Antragsteller nicht erbrachte Nachweise für die Rechtsnachfolge verzichtet werden kann. Die Anhörung des Schuldners steht gem. § 730 ZPO im Ermessen des Rechtspflegers, die Anhörung des bisherigen Gläubigers bestimmt sich nach den zu Art. 103 Abs. 1 GG entwickelten Grundsätzen. Eine Pflicht des Rechtspflegers, einem Gesuch des Antragstellers auf Anhörung stattzugeben, kann nur dann angenommen werden, wenn der Antragsteller substantiiert darlegt, dass und aus welchen nachvollziehbaren Gründen zu erwarten ist, dass der Schuldner die Rechtsnachfolge zugestehen und der bisherige Gläubiger der Klauselerteilung zustimmen werde.
d) Nach diesen Grundsätzen hat die Rechtspflegerin den Antrag der Beteiligten auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu Recht ohne Anhörung des Beklagten zurückgewiesen. Die Beteiligte hat lediglich einen Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass sie die Kosten des Rechtsstreits übernommen hat. Ob diese Bestätigung bereits als Zustimmung zur Klauselerteilung gewertet werden kann und ob sie von der Prozessvollmacht umfasst ist, kann dahinstehen. Denn die Beteiligte hat nicht schlüssig dargelegt, dass und warum der Beklagte die Rechtsnachfolge zugestehen werde.
Fundstellen
Haufe-Index 1406410 |
BB 2005, 1876 |
BGHR 2005, 1482 |
DNotI-Report 2005, 150 |
DNotZ 2005, 917 |
InVo 2005, 503 |
MDR 2006, 52 |
Rpfleger 2005, 611 |
NotBZ 2005, 322 |